Separatismus im Rheinland (1922/23)
Bezogen auf das Rheinland meint der Begriff Separatismus Bestrebungen, dieses vom Deutschen Reich abzulösen und eine selbstständige Rheinische Republik zu gründen.
Separatismus (von lat. separare „absondern, trennen“) gab es am Rhein seit dem 19. Jahrhundert: Verschiedene linksrheinische Gebiete hatten nach dem Einzug französischer Revolutionstruppen 1794 schon einmal 20 Jahre lang zu Frankreich gehört. Als sie aber 1815 in Preußen eingegliedert wurden, konnten sich viele der katholischen Rheinländer nicht mit dem preußischen Protestantismus anfreunden und wollten auch nicht mehr auf Errungenschaften des moderneren napoleonischen Rechtswesens verzichten.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg gab es wieder eine Bewegung „los von Berlin“. So versammelte im Februar 1919 der damalige Kölner Oberbürgermeister über 60 Bürgermeister und Abgeordnete zu einer Beratung über eine Westdeutsche Republik, die nicht mehr vom gerade gescheiterten preußischen Militarismus beherrscht sein sollte. In Wiesbaden versuchte der ehemalige Staatsanwalt Dorten, eine „selbständige Rheinische Republik“ zu errichten, scheiterte aber an Protesten bis hin zu Schlägereien und dem eigenen Dilettantismus innerhalb weniger Tage, - ähnlich wie Putschversuche in einigen anderen Städten.
Im Krisenjahr 1923 wurde die Weimarer Republik, ohnehin durch Inflation, Aufstände, politische Morde, Putschversuche und die Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen gefährlich erschüttert, darüber hinaus noch von verschiedenen wieder auflebenden, teils miteinander rivalisierenden separatistischen Bewegungen im Rheinland destabilisiert. Sie trafen am 15. August 1923 in Koblenz zur Gründung der „Vereinigte Rheinische Bewegung“ zusammen und erklärten eine von Preußen abzuspaltende Rheinische Republik unter französischem Protektorat zu ihrem Ziel.
Es folgte ein kurzer „heißer“ Herbst. In Eschweiler wehte am 16. Oktober 1923 über dem gerade eingerichteten Werbebüro die grün-weiß-rote Fahne der Separatisten, die dort eine Woche später den Putsch versuchten. Am 21. Oktober wurde das Rathaus von Aachen besetzt, auf Gegendemonstranten geschossen, doch zwei Tage später das Rathaus von der Feuerwehr zurückerobert. Daher mussten sich die Separatisten im Regierungsgebäude verschanzen, das dann die deutsche Lokalpolizei stürmen wollte, davon jedoch durch Soldaten der belgischen Besatzung, die den Belagerungszustand verhängt hatte, abgehalten wurde. Mit 1.000 Mann Verstärkung von ihren „Rheinland-Schutztruppen“ gelang es den Separatisten am 2. November, wieder das Aachener Rathaus zu besetzen, doch der belgische Hochkommissar bereitete dem Putsch noch am selben Tag ein Ende.
Ebenfalls am 21. Oktober und den folgenden Tagen kam es in Koblenz zu – auch handgreiflichen – Auseinandersetzungen zwischen Separatisten, Ortspolizei und Bürgerschaft um das Koblenzer Schloss und die Macht. Umsturzversuche mit ähnlichem Vorgehen gab es in diesen Tagen auch in anderen, aber nicht allen rheinischen Städten und Gemeinden, z.B. in Duisburg, Mönchengladbach, Erkelenz, Jülich, Bonn, Mainz, Wiesbaden, auch in Westerwald und Lahntal.
Unterstützt wurden die Separatisten dabei von Frankreich, das im Ruhrgebiet als Ausgleich für seine immensen Kriegsschäden ein Faustpfand für die Rückstände bei den deutschen Reparationsleistungen sah und einen Pufferstaat als Schutz vor neuerlichen deutschen Angriffen anstrebte, solche Pläne aber aufgab und auch seine finanziellen Hilfen zurückzog, als deutlich wurde, dass die Bevölkerungsmehrheit dafür nicht zu gewinnen war.
Deren Widerstand wurde mit der Zunahme von Plünderungen durch separatistische Truppen stärker und gipfelte in der sogenannten Schlacht am Aegidienberg: Bewohner der Umgegend von Bad Honnef machten sich da mit Knüppeln, Äxten, Heugabeln und auch Schusswaffen zur Verteidigung von Hab und Gut bereit, lieferten sich am 15./16.11.1923 blutige Kämpfe mit den Separatisten und schlugen diese in die Flucht. Dieses Ereignis mit vermutlich 120 Toten sollte das baldige Ende der separatistischen Umsturzversuche einläuten und zehn Jahre später von Nationalsozialisten propagandistisch hochstilisiert werden.