Reformkleid

Im Zusammenhang mit der Lebensreformbewegung wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch natürlichere, bequemere Möglichkeiten der Bekleidung gesucht.

Herkömmliche Kleidungssitten und Moden wurden hinterfragt und eventuelle gesundheitliche Schäden aus medizinischer Sicht diskutiert wie auch das richtige Material für Männerkleidung – Wolle, Baumwolle oder Leinen?

Vor allem die Frauen und Mädchen wurden damals von ihrer aufwändigen Kleidung mit Korsett eingezwängt, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und bei der Arbeit behindert. Ähnlich wie schon Jahrzehnte zuvor in den USA, dann in England wurde in Deutschland 1896 ein ‚Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung‘ gegründet, der wenige Monate später in Berlin eine erste Ausstellung mit Reformmodellen zeigte. Hosen für Frauen waren in der damaligen Zeit zwar noch indiskutabel, doch eine Reduzierung der Zahl langer Unterröcke, das geschlossene Reformbeinkleid, das Hauskleid mit Empiretaille und Hosenkostüme fanden allmählich Akzeptanz. Dem kam auch entgegen, dass immer mehr Frauen Sport trieben und es sich in langen Röcken nicht gut Rad fahren oder Tennis spielen ließ.

Unterstützung bekam die Bewegung von bekannten Künstlern wie Henry van der Velde, die nach der „natürlichen Form“ suchten und um 1900 erste Modelle für Reformkleidung entwarfen, die allerdings zunächst als gänzlich taillenlose „Reformsäcke“ wenige Liebhaberinnen fanden.

Frauenmode ohne Korsett begann sich allmählich zwischen 1910 und 1915 durchzusetzen und war nicht nur eine Frage der Bequemlichkeit, sondern auch eine politische und emanzipatorische. Es war die Zeit der Frauenbewegung, die in vielen Ländern das Frauenwahlrecht erkämpfte, zudem mussten im Ersten Weltkrieg viele Frauen die Arbeitsplätze der Männer übernehmen.