Hartmann Lauterbacher
Hartmann Lauterbacher, Stellvertreter von Baldur von Schirach, galt als organisatorisches Talent und das aktive Element der Reichsjugendführung. Als Gauleiter und Oberpräsident in Hannover trug er einen gewichtigen Teil der Verantwortung an der Entrechtung und Deportation von Juden.
Als entschiedener Verfechter des Nationalsozialismus trat der am 24. Mai 1909 in Reutte (Tirol) als Sohn eines Tierarztes geborene Lauterbacher 1927 in die NSDAP ein und gründete in Kufstein noch im selben Jahr die erste Ortsgruppe der Hitlerjugend Österreichs. 1930 übernahm er die Gauführung der Hitlerjugend Südhannover-Braunschweig. Nach der Machtergreifung fungierte er als Obergebietsführer West.
Nur ein Jahr später holte ihn Reichsjugendführer Schirach als Stellvertreter nach Berlin, dem er als stellvertretender Gauleiter auch nach Wien folgte. Seit 1936 Mitglied des Reichstags und seit April 1937 Ministerialrat wurde Lauterbacher im Dezember 1940 schließlich selbst als Gauleiter eingesetzt; gleichzeitig erhielt er die Ernennung zum Ehrenführer der Akademie für Jugendführung in Braunschweig. Im April 1941 wurde er im Range seines Staatsrats zudem Oberpräsident der Provinz Hannover. Etwa zur selben Zeit erfolgte seine Beförderung zum SS-Gruppenführer. Lauterbachers letzte Beförderung erfolgte im November 1942, als er zum Reichsverteidigungskommissar ernannt wurde.
Am 10. April 1945, kurz vor dem Einmarsch der Briten, brachte Lauterbacher seine Familie im Harz in Sicherheit, nicht ohne vorher über Drahtfunk die üblichen Durchhalteparolen verkündet zu haben. Zwei Tage zuvor, am 8. April, hatte er sein Auto mit Zigaretten voll packen lassen, um als Handelsvertreter getarnt unerkannt vom Harz aus nach Süden flüchten zu können. Er wurde aber bereits einen Tag später, am 11. April, in Kärnten von britischen Truppen gefangen genommen.
Anfang Juli 1946 sprach ihn das Obere Britische Militärgericht in Hannover von der Anklage frei, Anfang April 1945 die Ermordung deutscher und alliierter Häftlinge des Gefängnisses von Hameln angeordnet zu haben.
Im August 1947 begann in Dachau ebenfalls ein Verfahren gegen Lauterbacher. Dieses Mal ging es um einen Befehl aus dem September 1944, wonach Lauterbacher die Erschießung von zwölf amerikanischen Fliegern, die über Goslar abgeschossen wurden, befohlen haben soll. Im Oktober 1947 endete auch dieser Prozess mit einem Freispruch.
Lauterbacher, der seit Kriegsende im Lager Sandbostel bei Bremervörde interniert war, konnte am 25. Februar 1948 unter bis heute ungeklärten Umständen fliehen. Er tauchte unter, bis er im April 1950 in Rom verhaftet wurde. Hier verkehrte er in einem Kreis von Schleusern, die belastete Personen aus ehemaligen faschistischen Staaten nach Südamerika und dem Nahen Osten brachten.
Von den Italienern als „lästiger Ausländer" in das Lager La Frachette bei Rom gebracht, konnte Lauterbacher bereits nach wenigen Monaten im Dezember 1950 nach Argentinien fliehen. Ab hier lässt sich seine Spur nur mehr vage rekonstruieren.
Tatsache ist, dass er ab dem 4. September 1956 in München polizeilich gemeldet war. Als intensivere Nachforschungen angestellt wurden, tauchte Lauterbacher aber erneut unter, diesmal jedoch ohne eine Spur zu hinterlassen.
In den frühen 1980ern wurde bekannt, dass er zwischen 1977 und 1979 als Berater im Jugendministerium des Sultanats Oman tätig gewesen war. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er sehr zurückgezogen in Deutschland, nur sein Totenschein belegt, dass eram 12. April 1988 in Seebruck verstorben ist.
Die deutsche Justiz, die durch die Staatsanwaltschaft Hannover bereits 1947 ein Verfahren eröffnet hatte, dem weitere Ermittlungsverfahren in München und Hannover folgten, begnügte sich jedoch, die Ermittlungen wegen Verjährung einzustellen; das Verfahren aus dem Jahre 1947 immerhin nach zwölf Jahren Ermittlung und "gründlicher Prüfung".
Der immer wieder erhobene Verdacht, dass Hartmann Lauterbacher im Dienst alliierter Geheimdienste und auch der Organisation Gehlen tätig gewesen sei, besitzt einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit.