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Irma Loch

geborene Grickschat
geb. in Essen 1922

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Landjahr
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Landjahrlager Plöttke bei Schneidemühl (1937)

Landjahr: „Die haben wohl geglaubt, sie müssten uns erstmal sehr disziplinieren“

Nachdem Irma das achte Schuljahr in der Stoppenberger Volksschule beendet und noch keine Lehrstelle gefunden hat, fährt sie für neun Monate ins Landjahr nach Plöttke bei Schneidemühl, das direkt am sogenannten „Polnischen Korridor" liegt. Sie hat sich zusammen mit einigen aus der Klasse freiwillig gemeldet, um die Zeit bis zum Beginn der Lehre zu überbrücken. Das Landjahrlager ist in einem ehemaligen Lazarett aus dem Ersten Weltkrieg untergebracht und sehr primitiv ausgestattet. Es gibt zwei Schlafräume für die 60 Mädchen, die alle aus dem Raum Essen stammen.

Der Lageralltag ist entsprechend der ideologischen Zielsetzung des Landjahrs streng reglementiert. Der Tag beginnt mit einem Flaggenappell mit Lied, und anschließend wird jedes Mädchen zu seinem Tagesdienst eingeteilt, der in der Regel aus Haus- und Gartenarbeiten oder Ernteeinsätzen besteht. Die Mädchen müssen selbst kochen, den Garten bewirtschaften und putzen. Nur selten können sie Freizeitangebote wahrnehmen. Allerdings wird ihnen die Möglichkeit gegeben, den Gottesdienst in Schneidemühl zu besuchen. An sonstige Veranstaltungen hat Irma Loch kaum Erinnerungen.

 

Am deutlichsten wird die ideologische Beeinflussung während der abendlichen Gruppenstunden. Doch auch die übrige Zeit ist von der NS-Ideologie durchdrungen. Dazu zählt nicht zuletzt die Disziplinierung der Mädchen, weshalb sie von den Führerinnen häufig in einer sehr „schikanösen" Form behandelt werden und in übertriebener Weise dazu angehalten werden, alles immer ganz „akkurat" zu machen.

 

Im Rahmen des Landjahres unternimmt Irma auch zwei Großfahrten, so genannte „Ostlandfahrten", die von vielen Landjahrlagern durchgeführt werden, um den Jugendlichen die Folgen des „Versailler Schandfriedens" vor Augen zu führen und ihnen die Notwendigkeit des Erwerbs von „neuem Lebensraum im Osten" zu vermitteln. Auf diesen Fahrten hat jeden Tag ein anderes Mädchen die Aufgabe, einen Bericht über das Erlebte zu verfassen. Später schreiben alle Mädchen die Texte ab - Berichte, über die Irma Loch heute entsetzt ist, wird darin doch „ganz schwer vom Leder, gegen die Polen, gegen diese bösen Polen" gezogen.

 

Privatsphäre gibt es im Landjahr kaum. „Also man konnte so gut wie nie allein sein." Damit kann Irma aber gut umgehen. Sie habe „eher vielleicht ein bisschen Heimweh" gehabt. Mit ihren Eltern steht sie in den neun Monaten des Landjahres nur in Briefkontakt.

Nach der Rückkehr nach Essen Ende 1937 bilden etwa 15 der Mädchen in Stoppenberg eine eigene BDM-Gruppe fernab der anderen örtlichen Gruppen. „Wir haben uns dann einmal in der Woche getroffen, gesungen, geklönt, erzählt, das war fast ein privates Grüppchen da", erinnert sich Irma Loch. „Das lief alles irgendwie so in freundschaftlichen, in lockeren freundschaftlichen Bahnen." Im Rahmen dieser Gruppe lernt sie auch eine ihrer dann besten Freundinnen kennen, die aus katholischem Umfeld kommt und mit der sie bis zu deren Tod eng befreundet bleibt.