„Sudetenkrise“ und Münchener Abkommen
Um das Sudetenland im Norden der Tschechoslowakei schürte Adolf Hitler 1938 einen internationalen Konflikt, die Sudetenkrise, und erreichte mit Kriegsdrohungen dessen Abtretung an das Deutsche Reich. Ein halbes Jahr später ließ er auch die „Resttschechei“ besetzen.
Die Sudeten sind ein Gebirgszug, der sich über etwa 310 km von Schlesien nach Böhmen, vom Riesengebirge bis zu den Karpaten erstreckt. Zwischen 1918 und 1938 verstand man unter Sudetenland die Grenzregionen des Vielvölkerstaates Tschechoslowakei zu Deutschem Reich und Österreich. Diese Gebiete von Böhmen, Mähren und Tschechisch-Schlesien waren u.a. von etwa 3,5 Millionen Menschen mit deutscher Muttersprache, Nationalität oder Abstammung bewohnt, den sogenannten Sudetendeutschen.
Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 steuerte Adolf Hitler, wie schon seit Monaten geplant, als nächstes Ziel seiner aggressiven Expansionspolitik auf die Zerschlagung der Tschechoslowakei zu. Er griff Forderungen nach mehr Selbstbestimmung bei den Sudetendeutschen auf und drängte Konrad Henlein, den Führer der von der NSDAP finanzierten „Sudetendeutschen Partei“, zu immer höheren, unannehmbareren Forderungen an die tschechische Regierung bis hin zum Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich. Auch hier trommelte die NS-Propaganda lautstark dafür, die benachteiligten „Volksdeutschen“ im Sudetenland „heim ins Reich“ zu holen, tatsächlich ging es aber mittelfristig um Kriegsvorbereitungen zur Eroberung von „Lebensraum im Osten“.
Diese Pläne wurden gewissermaßen durchkreuzt oder verzögert durch die Appeasement-Politik (Beschwichtigungspolitik) des britischen Premierministers Neville Chamberlain, der mit Verhandlungen und weitestgehenden Zugeständnissen einen Krieg um jeden Preis verhindern wollte. So kam es am 30.9.1938 zur Unterzeichnung des Münchner Abkommens durch Großbritannien, Italien, Frankreich und Deutschland, - also ohne die Tschechoslowakei. Darin wurden alle Forderungen Hitlers erfüllt, sodass dieser schon am nächsten Tag das Sudetenland besetzen lassen konnte und damit seine Gebietsansprüche für endgültig befriedigt erklärte.
Während die meisten Deutschstämmigen den Einmarsch der Wehrmachtstruppen im Sudetenland jubelnd begrüßten, verließen etwa 400.000 der 690.000 tschechischen Einwohner ihre Heimatorte. Alsbald wurde ein ‚Reichsgau Sudetenland‘ eingerichtet mit Konrad Henlein als Reichskommissar, Parteien und Verbände verboten, die Presse gleichgeschaltet und die gesamte Bevölkerung in NS-Organisationen erfasst. Etwa 20.000 Exilanten, meist Sozialdemokraten und Kommunisten, konnten nicht rechtzeitig weiterfliehen und wurden verhaftet. Durch die neue Grenzziehung wurden viele wichtige Verkehrsadern abgeschnitten und die Tschechoslowakei zum Deutschen Reich hin schutzlos, da all ihre Verteidigungsanlagen und Bunker nunmehr auf deutscher Seite lagen.
Doch ungeachtet seiner Friedensbeteuerungen setzte Hitler schon Mitte März 1939 die „Zerschlagung der Resttschechei“ in die Tat um. Die Slowakei wurde zu einem Vasallenstaat von NS-Deutschland. Im restlichen Staatsgebiet der Tschechoslowakei wurde nach Einmarsch der Wehrmacht ein „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ proklamiert und dem Deutschen Reich einverleibt. Doch statt der angekündigten Selbstverwaltung erlebte die Bevölkerung eine deutsche Unterdrückungsherrschaft, die immer brutaler wurde. Die Besatzer verfolgten einerseits den Plan, diesen Raum mit deutschen Siedlern total zu „germanisieren“ und die tschechische Nation auszulöschen, andererseits war die deutsche Rüstung im Verlauf des Krieges immer stärker angewiesen auf die Ausbeutung der dort hochentwickelten Industrie und ihrer Arbeitskräfte.