Thyssen AG

Der Name Thyssen war einer der ganz großen unter den Unternehmerdynastien der deutschen Eisen- und Stahlindustrie.

Die Wurzeln des Konzerns reichen zurück bis ins 19. Jahrhundert, in den Aachener Raum, von wo aus die Thyssens innerhalb von zwei Generationen zur bedeutendsten katholischen Unternehmerfamilie im Deutschen Reich aufstiegen. In Eschweiler hatte 1834 Friedrich Thyssen (1804 - 1877) nach einer Banklehre die Geschäftsführung für das 1822 gegründete erste Stahldrahtwalzwerk im Rheinland, die „Draht-Fabrik-Compagnie" übernommen, beteiligte sich an weiteren Unternehmen und machte sich 1859 mit einer Privatbank selbständig.

Die erfolgreiche Verknüpfung von technischer und kaufmännischer Begabung zeigte sich auch bei seinem älteren Sohn August (1842-1926), der sie an der Polytechnischen Schule in Karlsruhe und an der Handelshochschule Antwerpen sowie durch Mitarbeit in der väterlichen Bank weiterentwickelte. Nachdem er sich schon 1867 mit seinem belgischen Schwager gewinnbringend an einer Unternehmensgründung in Duisburg beteiligt hatte, gründete August 1871 in Styrum bei Mülheim an der Ruhr das Bandeisenwalzwerk Thyssen & Co. Mitinhaber war erst sein Vater, nach dessen Tod sein jüngerer Bruder Joseph (1844 - 1915).

Aus der 1872 geschlossenen Ehe mit Hedwig Pelzer (1854 - 1940), der Tochter eines Mülheimer Unternehmers, gingen die vier Kinder Fritz (1873 - 1951), August (1874 - 1943), Heinrich (1875 - 1947) und Hedwig (1878 - 1960) hervor. Mit Kapital von seinem Vater und Hedwigs Mitgift als finanziellem Rückhalt weitete August Thyssen seine unternehmerischen Aktivitäten in den folgenden Jahren zunächst im Ruhrgebiet aus. An mehreren Standorten betrieb und erweiterte er als Kern des wachsenden Konzerns das Steinkohlenbergwerk „Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ (GDK) in Hamborn bei Duisburg mit eigenem Hafen am Rhein, ein Stahl- und Walzwerk, zwei Kokereien, ein Stahlwerk sowie eins zur Stahlverarbeitung und baute ein Wasser- und Gasfernversorgungsnetz auf. Bald internationalisierte sich die Thyssen-Gruppe, meist mit Beteiligungen an Erzgruben, bis hin nach Nordafrika, Russland und Indien und baute ab 1905 ein eigenes Handels- und Schifffahrtsnetz auf.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war die GDK eine der größten und modernsten Hütten Europas, musste dann auf Rüstungsproduktion umstellen und wurde 1919 geteilt in die Gewerkschaft Friedrich Thyssen und die August-Thyssen-Hütte. 1926 beschloss August Thyssen, den Großteil seines Konzerns mit anderen deutschen Eisen-, Stahl- und Bergwerksgesellschaften zur Vereinigte Stahlwerke AG (VSt oder auch VESTAG) zu fusionieren. Deren erster Aufsichtsratsvorsitzender wurde sein Sohn Fritz Thyssen, doch die Leitung wurde dem Stahlmanager Albert Vögler übertragen, der die VSt in den nächsten Jahren zum zeitweise größten Stahlkonzern Europas und zum zweitgrößten weltweit machen sollte.

Fritz Thyssen wurde 1923 schlagartig bekannt, als er im Ruhrkampf mit anderen Zechenbesitzern wegen passiven Widerstands gegen die französisch-belgische Besatzung verhaftet wurde. Eigentlich Anhänger der monarchistischen DNVP, unterstützte er die NSDAP, vor allem finanziell. Er war es auch, der im exklusiven Düsseldorfer Industrie-Club, wo sich Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und öffentlichem Leben zum Gedankenaustausch trafen, anregte, nach einem sozialdemokratischen Wirtschaftsfachmann auch einmal den aufstrebenden Politiker Adolf Hitler zum 26. Januar 1932 als Referenten einzuladen.

Zwar trat Fritz Thyssen nach der Machtergreifung 1933 in die NSDAP ein und übernahm hohe Funktionen, u.a. als Reichstagsabgeordneter, geriet aber allmählich immer weiter in Distanz zu ihr. Schließlich protestierte er 1939 als einziger deutscher Großindustrieller offen per Telegramm und Brief bei Göring und Adolf Hitler gegen den Kriegsbeginn mit dem Angriff auf Polen und brachte sich umgehend mit seiner Familie über die Schweiz in vermeintliche Sicherheit nach Frankreich. Dort überredete ihn ein amerikanischer Journalist zu dem Buchprojekt „I paid Hitler“. Wie geplant auf seine Besitzungen in Argentinien auszuwandern, gelang Thyssen nicht mehr. Er wurde von der Vichy-Regierung als einer der Ersten nach Deutschland ausgeliefert und mit seiner Frau bis Kriegsende als „Sonderhäftling“, u.a. in den KZs Sachsenhausen und Buchenwald festgehalten.