Homosexualität

Zuneigung, Begehren und Liebe zwischen Personen gleichen Geschlechts gab es zu allen Zeiten und in allen Kulturen, wurden und werden aber – wenn auch nicht überall - oft verpönt, diskriminiert, tabuisiert. Homosexuelle wurden zu psychisch Kranken oder Verbrechern erklärt und auch strafrechtlich verfolgt. Den Ansätzen zur Liberalisierung und Tolerierung in der Weimarer Zeit mit einer lebendigen Homosexuellenszene in Berlin und anderen Großstädten sowie Bestrebungen, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen, setzten die Nationalsozialisten ein brutales Ende.

Schon kurz nach der Machtübernahme im Januar 1933 begannen die Repressionen. Die einschlägigen Lokale wurden geschlossen, Organisationen, Bücher und Zeitschriften verboten und die ersten homosexuellen Männer in Konzentrationslagern (KZ) inhaftiert.

Denn in der nationalsozialistischen Ideologie waren Homosexuelle „Gemeinschaftsfremde“, „Entartete“ und „Staatsfeinde“, die dem deutschen Volke schadeten, weil sie die öffentliche Moral zerrütteten und sich der Fortpflanzung verweigerten. - Ungeachtet der Tatsache, dass sich davon auch viele unter den führenden NSDAP-Kadern fanden. Am bekanntesten ist der SA-Führer Ernst Röhm, der am 1.7.1934 auf Befehl Hitlers ermordet wurde.

Im Oktober 1934 richtete Heinrich Himmler im Geheimen Staatspolizeiamt Berlin ein „Sonderdezernat Homosexualität“ ein, um die Erfassung von solchermaßen Verdächtigen in „Rosa Listen“ zu organisieren. Dann ging es an die Gesetzgebung: Am 26.6.1935 wurde die »kriminalpolitisch indizierte Kastration« eingeführt (später, 1942 die Zwangskastration), zwei Tage darauf der seit 1872 geltende §175 des deutschen Strafgesetzbuchs erheblich verschärft. Die Höchststrafe wurde von 6 Monaten auf fünf Jahre, ja im Falle der „schweren Unzucht mit Männern“ nach dem neu eigeführten §175a auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren angehoben. Auch wurde nicht nur der vollzogene homosexuelle Akt, sondern schon allein die Absicht bestraft. Ab Oktober 1936 befasste sich die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung“ mit eben diesen beiden „Volksseuchen“. Weitere Verschärfungen sollten noch folgen. Die lesbische Liebe unter Frauen wurde allerdings nicht strafrechtlich verfolgt.

Die Zahl der Verurteilungen von Männern nach §175 vervielfachte sich von 957 im Jahr 1933 bis auf 9536 in 1938, um dann 1940, nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, auffällig zurückzufallen auf 4200. Nach Verbüßung ihrer Haftstrafen oder sogar ohne irgendeinen Prozess wurden viele in Konzentrationslager gebracht, wo sie gebrandmarkt mit einem rosa Stoffwinkel auf der untersten Stufe der Häftlingshierarchie schlimmste Misshandlungen und Demütigungen, teils auch medizinische Experimente erdulden mussten. Wie viele insgesamt in KZs kamen, lässt sich nicht genau beziffern, Schätzungen gehen von 10.000 bis 15.000 Menschen aus, von denen mehr als Hälfte ermordet wurde.

Der einschlägige §175 in nationalsozialistischer Fassung blieb weit über das Kriegsende hinaus unangetastet in Kraft: in der DDR wurde er 1957, in der Bundesrepublik erstmals 1969 reformiert und 1994 endgültig abgeschafft.