Katholische Jugend in Essen 1933-1945

Wie allerorts, waren die Jahre zwischen 1933 und 1938 auch in Essen von zahlreichen - nicht selten handgreiflichen - Konflikten zwischen katholischen Jugendgruppen und Verbänden der Hitlerjugend geprägt. Besonders konfliktreich waren dabei die Jahre 1934/35, wobei der großangelegten „Frühjahrsoffensive" der HJ im März und April 1935 ein besonderer Stellenwert zukam.

Zunächst glaubten oder hofften viele katholische Jugendliche und deren geistliche Führer, das gewohnte Gruppenleben unter dem Schutz des Reichskonkordats wenn auch mit Einschränkungen, so doch weitgehend unbehelligt fortführen zu können. Das erwies sich aber auch in Essen schnell als Trugschluss. Allerdings scheint es, als wenn hier aufgrund der besonders aktiven und mutigen Rolle, die der KJMV-Bezirkspräses Gottfried Salz spielte, die katholischen Jugendverbände ein besonders großes Beharrungsvermögen an den Tag gelegt und die HJ-Verantwortlichen dadurch stark provoziert hätten.

Das musste jedoch nicht gleichzeitig heißen, dass ein solcher Konfrontationskurs auch im Einklang mit den Interessen der kirchlichen Obrigkeit stand, die sich in diesem Punkt einerseits eher konfliktscheu zeigte, andererseits aber auch die Chance sah, die wegen ihres Selbstbewusstseins und ihrer Eigenständigkeit nicht unbedingt geliebten Jugendverbände wieder stärker in den kirchlichen Raum und damit unter die Autorität der Pfarrgeistlichkeit zurückzuholen. Dieser Prozess lässt sich am Beispiel Essens exemplarisch nachzeichnen.

Mit dem Heim der Salesianer gab es in Essen-Borbeck eine Einrichtung, die eine gewisse Sonderstellung einnahm, da hier losgelöst von der Bindung an eine Pfarrei ein „Jugendreich" ganz eigener Art entstehen und wachsen konnte, das für die sich dort treffenden Jugendlichen in mehrfacher Hinsicht einen wichtigen Anlaufpunkt darstellte. Hier fanden sie in einer Art „Offener Tür" Betreuung, konnten spielen und fanden, wenn sie festes Mitglied des „Don Bosco-Zirkels" wurden, vielfältige Möglichkeiten vor, in einer Kombination aus bündisch-jugendbewegten und religiösem Leben ihren Interessen nachzugehen. In diesem Zirkel waren mit dem Bund Neudeutschland, den Sturmscharen und der Deutschen Jugendkraft zudem verschiedene Jugendverbände unter einem Dach vereinigt - ein zumindest für die damalige Zeit recht ungewöhnliche Konstellation. Daher wird die Arbeit der „Padders" in Borbeck hier ausführlich vorgestellt.

Auch die „Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg" (DPSG) war in Essen besonders gut organisiert und mit eigenen Stämmen in zahlreichen Pfarren vertreten. Sie zeigten sich auch unter den Bedingungen des NS-Regimes zunächst als durchaus lebensfähig. Aber auch die DPSG in essen musste sich schließlich dem immensen Druck beugen, der auf ihre Gruppen und auf jedes einzelne ihrer Mitglieder ausgeübt wurde.

Insgesamt bleibt für Essen mit Johannes Wielgoß festzuhalten, dass die Geschichte der katholischen Jugend unter dem Nationalsozialismus keine Geschichte war, an der sich ein politisch motivierter Wille einer jungen Generation zum Widerstand gegen einen Unrechtsstaat ablesen ließe. Hierzu blieb die katholische Jugend - hierin von der Amtskirche angeleitet - als Ganzes zu sehr dem innerkirchlichen Bereich zugewandt „und erkannte erst in den bitteren Erfahrungen eines Zweiten Weltkrieges deutlicher ihre Weltverantwortung."[1]

Fußnoten

[1] Johannes Wielgoß: Katholische Jugend in Essen und ihre Jugendseelsorger unter dem Nationalsozialismus; in: Baldur Hermans (Hg.): Zeugnis des Glaubens. Dienst an der Welt. Festschrift für Franz Kardinal Hengsbach zur Vollendung des 80. Lebensjahres, Mülheim 1990, S. 451-489, hier S. 495