Jüdische Jugend in Köln - Überblick

Im Jahr 1933 hatte Köln 16.000 jüdische Einwohner, die damit einen Anteil von zwei Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmachten. Seit den 1880er Jahren wanderten viele Juden aus osteuropäischen Ländern unter dem Druck von Verfolgungen in den Westen aus. Die jüdische Bevölkerungszahl stieg vor allem dadurch zwischen 1885 und 1925 von etwa 5300 Im Jahr 1925 hatte etwa ein Drittel der jüdischen Einwohner Kölns einen osteuropäischen Hintergrund. Der Großteil der bereits länger ansässigen jüdischen Bevölkerung war zu dieser Zeit assimiliert, lebte also an das christliche Umfeld angepasst. Die Zuwanderer aus Osteuropa führten häufig ein orthodoxeres Leben. Teils passten sie sich in Köln ebenfalls an, teils behielten sie ihre Lebensweise und ihre Religiosität. Meist gehörten sie den ärmeren Schichten an. Vor allem jedoch war in Köln eine breite jüdische Mittelschicht entstanden.

Jüdische Persönlichkeiten wie Bernhard Falk, Louis Hagen, Bruno Kisch, Georg Bayer, Friedl Münzer oder Alfred Tietz spielten in Köln eine Rolle in Politik, Wirtschaft, Presse, Kultur oder Wissenschaft. Jüdische Unternehmen waren fest im Wirtschaftsleben der Stadt verankert, so z. B. die Privatbank Oppenheim, das Bankhaus Levy, die Kaufhäuser Tietz und Bluhm oder die Metzgereifilialen der Familie Katz-Rosenthal.[1]

Etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden im Zuge der allgemeinen Jugendbewegung auch jüdische Jugendorganisationen. Der 1906 in Köln gegründete „Gabriel-Riesser-Verein“ war die erste über einen längeren Zeitraum bestehende jüdische Jugendorganisation Kölns. Er betonte seine politische Neutralität und liberale religiöse Haltung und wandte sich gegen den Zionismus.[2] 1914 wurde eine Kölner Ortsgruppe des „Jüdischen Wanderbundes Blau-Weiß“ gegründet. Laut Satzung zwar in religiöser und politischer Hinsicht neutral, war die Grundhaltung des „Blau-Weiß“ zionistisch.[3] Auch gab es in Köln eine Ortsgruppe der deutsch-jüdisch eingestellten „Kameraden“, die in Köln bereits kurz nach ihrer Gründung 1920 großen Zulauf hatte und die größte Gruppe im Rhein-Ruhr-Gau bildete.[4] Daneben existierten Gruppen der orthodoxen Bünde „Esra“ und „Zeire Misrachi“. Die Mehrheit bildeten jedoch, vor allem nach 1933, zionistisch eingestellte Gruppen wie die „Werkleute“,der „Jung-Jüdische Wanderbund“ (später „Brith Haolim“), der „Bachad“ (entstanden aus „Esra“ und „Zeire Misrachi“), der „Hashomer Hazair“, der „Wanderbund Kadimah“ sowie der 1933 aus „Brith Haolim“ und „Kadimah“ entstandene „Habonim“.

Seit 1929 gab es in Köln am Mauritiussteinweg ein jüdisches Jugendheim, das zum wichtigen Treffpunkt der Kölner jüdischen Jugendorganisationen wurde. Jeder Gruppe wurde hier ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Daneben standen allen Gruppen ein Vortragssaal, ein Lesesaal und ein Spielzimmer zur Nutzung offen.[5]

Unter dem zunehmenden Druck im Nationalsozialismus wurde die Ausrichtung vieler jüdischer Jugendorganisationen zionistisch, da die Auswanderung für die Jugendlichen zur einzigen wirklichen Zukunftsperspektive wurde. Der „Hechaluz“, eine internationale zionistische Organisation, bereitete die Jugendlichen, die „Chaluzim“ (= Pioniere), durch eine landwirtschaftliche oder handwerkliche Ausbildung auf die Auswanderung nach Palästina vor. In Köln hatte der „Hechaluz“ im Jahr 1934 300 Mitglieder.[6] 1936 wurden die nicht-zionistischen Jugendbünde verboten. Zum Jahreswechsel 1938/39 wurden bis auf den „Hechaluz“ auch die zionistischen Jugendorganisationen verboten. Der „Hechaluz“ durfte seine Arbeit fortsetzen, da er – ganz im Sinne der nationalsozialistischen Politik – die Auswanderung der Juden förderte.[7] Andererseits gab es auch noch in nationalsozialistischer Zeit deutsch-patriotisch eingestellte Gruppen: Der „Bund deutsch-jüdischer Jugend“ war nach 1933 die einzige größere nicht-zionistische Jugendorganisation Deutschlands. Im Sommer 1934 bildete sich auch eine Kölner Ortsgruppe des „Bundes deutsch-jüdischer Jugend“.[8]

Das jüdische Schulwesen war in Köln mit drei jüdischen Schulen recht gut ausgebaut. Es gab die städtische Israelitische Volksschule in der Lützowstraße, in religiöser Hinsicht eher liberal eingestellt, sowie in der St.-Apernstraße die orthodoxe Volksschule Moriah und das orthodoxe Realreformgymnasium Jawne. Anfang 1933 besuchte etwa die Hälfte der 2000 jüdischen Schulkinder Kölns eine dieser drei Schulen. Durch die seit 1933 zunehmende Ausgrenzung an den allgemeinen Schulen stieg die Schülerzahl an den jüdischen Schulen. Besonders die Jawne hatte als einzige höhere jüdische Schule im Rheinland ein großes Einzugsgebiet. Im November 1938 wurden alle jüdischen Schüler gezwungen, die allgemeinen Schulen zu verlassen. Im Juni 1942 wurde die Beschulung jüdischer Kinder gänzlich verboten. Der reguläre Unterricht an den Kölner jüdischen Schulen wurde aber wohl bereits im Jahr 1941 eingestellt.[9]

Spätestens das Novemberpogrom 1938 veranlasste auch die Juden, die bisher noch auf eine Zukunft in Deutschland gehofft hatten, sich um eine Auswanderung zu bemühen. Jüdische Jugendvereine und Schulen versuchten, die Jugendlichen bei der Verwirklichung ihrer Auswanderungspläne zu unterstützen. In den jüdischen Schulen Kölns und im jüdischen Jugendheim gab es Sprachkurse. 1936 wurde die „Vorlehre“ und 1937 die „Jüdische Handwerkerschule“ eingerichtet, um den Jugendlichen nach ihrer Schulentlassung die Möglichkeit zu geben, ein Handwerk zu erlernen, das ihnen bei einer möglichen Emigration von Nutzen sein sollte.[10]

Seit Mai 1941 wurde die jüdische Bevölkerung Kölns gezwungen, ihre Wohnungen aufzugeben und in sogenannte „Judenhäuser“ in der Kölner Innenstadt zu ziehen, wo sie auf engstem Raum zusammenleben mussten. Das Lager Müngersdorf – die Kasematten des ehemaligen Festungsgefängnisses Fort V und nahe gelegene Baracken – diente als Sammellager. Hier wurde die jüdische Bevölkerung aus Köln und aus dem Kölner Umland vor der Deportation in die Lager Osteuropas zwangseingewiesen. Die Deportationszüge fuhren am Bahnhof Deutz-Tief ab. Der erste Transport fuhr am 21./22. Oktober 1941 mit tausend Menschen ins Ghetto Lodz (Litzmannstadt) in Polen.[11]

Fußnoten

[1] Vgl. Becker-Jákli, Barbara, „Ich habe Köln doch so geliebt“. Lebensgeschichten jüdischer Kölnerinnen und Kölner, Köln 1993, S. 324-327, Matzerath, Horst, Köln in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 (Geschichte der Stadt Köln, Bd. 12), Köln 2009, S. 369ff, Ausstellungskatalog Historisches Archiv der Stadt Köln – NS-Dokumentationszentrum, Jüdisches Schicksal in Köln 1918-1945, Köln 1988, S. 19f.

[2] Vgl. zu den ersten Jahren des „Gabriel-Riesser-Vereins“ Döpp, Suska, Jüdische Jugendbewegung in Köln 1906-1938 (Anpassung – Selbstbehauptung – Widerstand, Bd. 11), Münster 1997, S. 67-77.

[3] Vgl. zu den Anfängen des „Blau-Weiß“ in Köln ebd., S. 88-93.

[4] Vgl. ebd., S. 120.

[5] Vgl. ebd., S. 139ff.

[6] Vgl. ebd., S. 174.

[7] Vgl. ebd., S. 159f.

[8] Vgl. ebd., S. 172.

[9] Vgl. Trapp, Joachim, Kölner Schulen in der NS-Zeit, Köln u.a. 1994, S. 73-78.

[10] Vgl. Becker-Jákli 1993, S. 344.

[11] Vgl. Matzerath 2009, S. 408-412.

zuletzt bearbeitet am: 17.04.2018