KLV: „Man war nicht mehr das Kind, was man vorher gewesen war“

Um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten unterstützen die eher regimekritischen Eltern 1941 auch Annes Wunsch, an der Kinderlandverschickung ihrer Schule teilnehmen zu können. Das junge Mädchen kann sich für dieses Projekt aber nur begeistern, weil ihre beste Freundin ebenfalls mitfahren möchte. Als diese im letzten Moment abspringen muss, da sie die Erlaubnis ihrer Eltern nicht bekommt, will auch Anne einen Rückzieher machen. Ihr Vater besteht jedoch auf der Teilnahme und so muss Anne ihre Familie wieder einmal ungewollt verlassen. Die Trennung von zu Hause fällt ihr sehr schwer.

Am 2. Mai fährt sie zusammen mit den anderen Mädchen aus insgesamt drei verschiedenen Klassen ihrer Schule vom Essener Hauptbahnhof mit der Bahn nach Rostok bei Prag. Hier werden sie in einem in japanischem Stil erbauten Hotel untergebracht, wo sich Anne das Zimmer 10b mit sechs weiteren Mädchen teilt.

 

Der Tagesablauf für die Schülerinnen ist im Lager straff organisiert. Morgens findet Unterricht statt, am Nachmittag wird die Zeit unter anderem mit Sport und Theater gefüllt. Besonders langweilig empfindet Anne die sonntäglichen Morgenfeiern und die Fahnenappelle. Ihr, die zuvor doch so begeistert war, fällt es in der neuen, ungewohnt Lagerumgebung plötzlich schwer, solche Inhalte ernst zu nehmen. So wird im Lager das, was eigentlich als Strafe gedacht ist, nämlich der Ausschluss vom gemeinsamen Appell, schnell zu einer ungewollten Belohnung, die auch bei den anderen Kindern zusehends höher im Kurs steht.

Es dauert drei Monate, bis die Mädchen - und auch das nur bei Vorlage einer elterlichen Genehmigung - die Möglichkeit erhalten, den deutschen Gottesdienst in Prag zu besuchen. Anne nutzt diese Gelegenheit dem Lager zu entkommen, zumal sie auch zuvor schon immer gerne in die Kirche gegangen ist.