KLV im Krieg - „Dort haben wir eine unwahrscheinlich schöne Zeit verbracht“

Im Jahr 1941 nimmt Sigrid Bogdan noch einmal an einer Kinderlandverschickung der Dreilindenschule teil, die in die Tschechoslowakei führt. Diese Verschickung hat jedoch nicht mehr viel mit jenen der Vorkriegszeit gemein, denn nun wird sie mit den anderen Mädchen in einem Lager mit Lagerleitung und Lagermädelführerin untergebracht.

Was ihre Eltern als Evakuierung betrachten, ist für Sigrid ein Aufbruch zu neuen Erlebnissen und kommt ihrem Fernweh entgegen: „Egal, wo es hinging, ich habe mich gemeldet." Die Kinder werden in einem Sporthotel bei Altschmecks (heute: StarýSmokovec) in der Hohen Tatra untergebracht. „Dort haben wir eine unwahrscheinlich schöne Zeit verbracht." Viel Schulunterricht findet nicht statt, politische Schulung - so Sigrid Niggemann rückblickend - überhaupt nicht, so dass die Mädchen aus Essen viel Zeit zum Spielen, Singen und Tanzen haben. Als Schnee liegt, rutschen sie auf Lederhosen den Berg hinunter.

Obwohl diese Verschickung ursprünglich lediglich einige Wochen dauern soll, werden daraus schließlich neun Monate. Wegen der vielen kriegsbedingten Soldatentransporte, so lautet zumindest die offizielle Begründung, wird die Rückreise nach Essen immer wieder verschoben. Dies schlägt bei vielen auf die Stimmung, nicht aber bei Sigrid, die sich im Gegenteil immer wieder über die Verlängerungen freut. „Das Gute daran war ja, dass ich kein Heimweh kriegte. Manche haben sich ja die Augen ausgeheult, aber für mich war alles neu und interessant."

Gemeinsam mit einem benachbarten Jungenlager veranstalten die Mädchen Theaterauftritte und organisieren andere Unternehmungen. Für Ausflüge zur Lomnitzer Spitze oder einen Aufstieg zum Felker See werden sogar erfahrene Bergsteiger zu ihrer Begleitung engagiert.

Die KLV-Zeit erscheint Sigrid eher wie ein langer und für sie erholsamer Hotelurlaub. Getrübt wird der Aufenthalt im „Protektorat Böhmen und Mähren" in ihren Augen allerdings durch die „katastrophale Verpflegung". Als die tschechischen Besitzer der Lagergebäude von der Lagerleitung dann weggeschickt werden, habe sich das Essen deutlich verbessert, erinnert sich Sigrid Niggemann. Dass die Tschechen in ihrem besetzten Land damals von deutscher Seite enteignet und von ihrem eigenen Besitz vertrieben werden, fällt den Schülerinnen damals offenbar gar nicht auf. Sie stehen ja - das wird ihnen j immer wieder vermittelt - auf Seiten der Sieger.