Familie Larsch: „Frau Larsch, machen Sie das doch besser nicht, mit den Kindern“

Zwischen den Familien Larsch und Grickschat besteht über viele Jahre hinweg eine sehr gute Verbindung. Vater Grickschat kennt Rudolf Larsch aus seiner Zeit als Bergarbeiter und kommt durch ihn in Kontakt zur KPD. Irma besucht gemeinsam mit Hans, dem ältesten Sohn der Larschs, die Freie Schule. Sie hat vor allem dessen Mutter Käthe, die 1935 von der Gestapo verhaftet und ermordet wird, in positiver Erinnerung. „Die Frau Larsch war eine sehr kinderliebe Frau, ich hab später niemanden kennengelernt, der so sehr auf Kinder eingegangen ist." Sie habe immer „ganz tolle Geschichten" erzählt. Irma und ihr Bruder Robert spielen in ihrer Kindheit häufig und gern mit den Larsch-Kindern.

Deren Familie lebt - wie viele Familien in Stoppenberg - in sehr bescheidenen finanziellen Verhältnissen. Aber die Solidarität in der Nachbarschaft ist groß. So erinnert sich Irma Loch daran, dass bei ihr im Haus eine Frau gewohnt habe, die den Larsch-Kindern, deren Vater sich seit November 1933 ja in Gestapo-Haft befindet, immer mal wieder „etwas zugesteckt" habe. Und auch Familie Loch, die Familie ihres späteren Mannes, habe die Larschens finanziell unterstützt. Das habe damals wie eine Art „selbstorganisierte Rote Hilfe" funktioniert.

 

Als die Gestapo Rudolf Larsch 1933 wegen seiner KPD-Tätigkeiten verhaftet, wird darüber auch in Familie Grickschat gesprochen. Dabei habe insbesondere ihre Mutter, so erinnert sich Irma Loch, der Entscheidung von Käthe Larsch, auch nach der Verhaftung ihres Mannes weiterhin die illegale KPD zu unterstützen, äußerst kritisch gesehen: „Frau Larsch, machen Sie das doch besser nicht, mit den Kindern." Warum die nicht vorsichtiger gewesen sei, ist ihr bis heute nicht klar geworden, sie vermutet aber, dass „sie sich der Sache so verpflichtet gefühlt hat". Gezwungen habe sie aber wohl niemand dazu.

 

Die Verhaftung von Rudolf Larsch löst auch bei den befreundeten Familien Unruhe aus, da man befürchtet, selbst ins Visier der Gestapo zu geraten, wenn man sich zu intensiv mit der Familie eines Verhafteten einlässt. Das betrifft auch die Kinder. So erinnert sich Irma Loch, wie eine Nachbarin, deren Mann zuvor auch in der KPD aktiv gewesen sei, einmal eine Bemerkung zu ihrer Mutter gemacht habe, „so dass meine Mutter auf einmal Angst bekam, dass der Hans mittags bei uns vorbeikam."

 

Die Nachricht von Käthe Larschs Tod erreicht Irma 1935 während ihrer Zeit in Bad Saarow. Ihre Mutter teilt ihr in einem Brief das Geschehene mit. „Ich weiß noch, dass ich tagelang geheult hab." Ihre Tante kann ihre starke Trauer gar nicht verstehen, das sei „doch eine fremde Frau". Aber noch heute geht Irma Loch der gewaltsame Tod der so beliebten Nachbarin sehr nahe.

 

Als Irma aus Bad Saarow nach Essen zurückkehrt, versucht sie, die Larsch-Kinder sonntags zu besuchen und zieht hierfür ihre BDM-Uniform an, um so einen besonders „guten Eindruck" zu machen. Ohne Erfolg, denn ihr wird der Zugang verweigert. Da Hans Larsch Irma und ihre Mutter bei ihrem Besuchsversuch jedoch beobachtet hat, kommt er einige Tage später bei den Grickschats vorbei. Anschließend gelingt es den Kindern, untereinander einen lockeren Kontakt aufrecht zu erhalten.

 

Irma hat keinen guten Eindruck von den Verhältnissen, unter denen die Larsch-Kinder im Waisenhaus leben müssen. Die Schwestern - und hier insbesondere Wera - hätten sehr unter der Oberin zu leiden gehabt. „Die Mädchen wurden so richtig wie Gefangene behandelt." Deshalb sei es ihrer Freundin Wera später auch zeitlebens scher gefallen, diese Erlebnisse zu verarbeiten. „Das war ein Trauma." Die Jungen dagegen seien „ein bisschen besser weggekommen".

 

Als Rudolf Larsch 1939 kurzzeitig aus der Haft entlassen wird, mietet er sich ein möbliertes Zimmer in der Nachbarschaft der Grickschats. „Er hatte dann natürlich Kontakt zu den Kindern." Kurze Zeit später wird er jedoch erneut verhaftet und diesmal im KZ Sachsenhausen interniert. Die meisten der Briefe, die er von dort an seine Kinder schreiben darf, richtet er jedoch nicht an die Adresse des Waisenhauses, sondern an Familie Grickschat, die sie an der Oberin vorbei weiterleiten.