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Jugend! Deutschland 1918-1945
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1935-1937

1935.

Mein Gruppenbuch

gewidmet:
meinen Freunden und Kameraden.

 

In Ihm sei's begonnen
der Monde und Sonnen
am blauen Gezelten
des Himmels bewegt!
Du, Vater, Du rate!
Lenke Du und wende!
Herr, Dir in die Hände
sei Anfang und Ende,
sei alles gelegt!

Am 31. Dezember 1934 stapften wir in die Nacht hinaus über die vom tagelangen Regen aufgeweichten Straßen und Wege der schwarzen Heide auf Raesfeld zu. ½ Stunde vor Raesfeld hatten wir ja seit einigen Monaten unser Landheim aufgebaut, das uns auf der „Büdericher Insel" so lieb geworden war. Als katholische Jugend und erst recht als Sturmschar durften wir aber nicht geschlossen marschieren nicht singen uns überhaupt nicht öffendlich betätigen und keine Kluft anziehen. An all diese Verbote hielten wir uns und taten etwas anderes. Wir gingen zu Dreien und zu Vieren.

Um Mitternacht, der Jahreswende standen wir um das Feuer, das uns in der nassen Kälte trocknete und wärmte, und wir sangen unserer Lieder gar manche.

Buben auf Wache, beim Feuerzauberschein
unterm Himmelsdache ist die Wache fein
laßt uns zu den Sternen, reiten in die Ferne,
auf auf Buben zur Wache, zur Wache.

 

Flamme und Glut ist uns leuchtendes Symbol und Ausdruck unseres Lebens, Ziel unseres Strebens. Leuchtend in jugendlicher Schönheit, frische und Reinheit wärmend in Liebe und brüderlichen Sinn der Gemeinschaft in Bund, Kirche und Volk hingegeben, aufwärtsstrebend wie die Flamme so sei unser Blick und Handeln, allzeit bewegt wie die Flamme, so sei in uns gesunde Unruhe Lebendigkeit und Schaffenskraft. Neue Taten und neue freudige Hingabe. Wir fühlen was uns die Flamme und das Feuer bedeutet.

Ein Bild unserer Sehnsucht.

Am 1. Januar waren wir in der Frühmesse in Raesfeld.

Dann gehörte der Wald uns.

Hans, denkst Du noch an den Spaß am Bach.

Ihr andern, wißt Ihr noch vom 4 stündigen Rückmarsch mit schwerem Affen auf schlüpfrigem Wege. Wie schmeckten da doch die halbverfrorenen weißen Rüben so gut. Zu Hause waren wir erledigt. Aber es war knorke.

Als ich Donnerstag von der Arbeit heim kam, war das obige Schreiben für mich angekommen. Am Abend sprachen wir in der Gruppe darüber. Wir wußten was los war.

 

[1935]

Wir waren am 2. Weihnachtstag 1934 in unserer grauen Kluft mit einem Lieferwagen nach Straelen zu der Primizfeier des früheren Sturmscharführers von Straelen, gefahren.

Das war es denn auch, was uns als Schuld angeschrieben worden war, als ich am Samstag Vormittag zum Krimminalbüro kam. Ich mußte einiges erzählen und beantworten. Wer war mitgefahren? Wer hatte Kluft an? Was wir in Straelen getan hätten? usw. 2 Wochen später waren an einem Tage alle Teilnehmer vorgeladen. Jede ¼ Stunde war ein anderer zur Stelle zur Vernehmung. Auf weiteres sollten wir uns gefaßt machen. Als abends der letzte vernommen wurde, wußte der Beamte schon die Geschichte bald auswendig. 19 Mann waren vernommen. Am 2. März hörten wir dann weiteres über den Fall.

Aus unserer Kirchenzeitung

[1935]

Im Dienste unseres Königs schaffen wir mit unsern Brüdern im Verein und bauen so
„Junge Kirche".

Der 13. Januar 1935 wurde ein Entscheidungstag für unser Saarvolk und somit auch für unsere jungen Brüder an der Saar. Nebenstehender Artikel wurde vor der Wahl veröffendlicht in unserer Wochenzeitung „Junge Front".

Im Saarland hatte die katholische Jugend vor der Abstimmung volle Freiheit in ihrer Betätigung, was wird geschehen wenn sie ganz zum Reich zurückkehren?

 

Grenzland-Jugend hält treue Wacht.

Unsere „Junge Front" Wochenzeitung junger Deutscher hat uns einen Kalender beschert.

Daß dieser Kalender in unsern Heimen und auf unserer Bude hängen muß ist klar. Der Kalender möchte aber auch „Wachen" daß die Jungen und Jungmänner eigenwillig leben. In helle Augen will er sehen und den Ruf unserer Seele stärken. Oft wollen wir in ihm blättern. Er mahnt uns.

Haltet allem Wacht: dem Feuer, der Fahne
aller edlen Gesinnung.

 

Ganz besonders sollen uns diese Monatsblätter durch das Jahr begleiten.

An unsern Heimabend im Januar hörten wir ganz spannendes aus der „Technik in der Natur" (Artikel aus der Jungen Front). Ein andermal sprachen wir über die Wahrhaftigkeit dazu gebrauchten wir einen Artikel von Guardini.

Ist es verwunderlich. daß wir auch schon auf die Großfahrt zu sprechen kommen und dann noch im Winter? Ich meine nicht. Wohin es geht weiß noch keiner. Ob wir in der Ost oder Nordsee baden oder ob wir im

Süden im Gebirge herumkraxeln werden, ob wir im

Osten des Reiches Staub schlacken, oder im Westen einsame, große Friedhöfe unserer gefallenen Väter und Brüder sehen werden. Wir wissen es noch nicht. Wir wissen nur daß es sauber werden soll und daß man ein solches Erlebnis nie mehr vergißt. Manche werden in diesem Sommer ihre erste Großfahrt machen. Wohin?

Im Norden ....

 

und im Süd
im Ost und West
das gleiche Lied,
in die Ferne
zu den Sternen
uns es ewig zieht.

In den Osten zu der Seenplatte ...

oder zum Westen zu den Gräbern der vielen unbekannten?

wohin wird im kommenden Sommer unsere Großfahrt gehen?

Das war „prima Sache" als wir am 20 Januar nach Oberhausen zur Schwimmhalle gefahren sind. Ja, im Sommer haben alle schon geschwommen, aber so mitten im Winter wenn es dazu noch schneit. In der Schwimmhalle merkte man natürlich nichts vom Winter und so haben wir wohl eine Stunde geschwommen und geplanscht das es eine Freude war. Nachher waren wir uns einige: „da fahren wir noch öfters hin".

 

Heute 20.1.35. lief auch bei uns der Film „Der verlorene Sohn". Ein großer Teil unserer Schar kam zur Aufführung dieses Filmes. Er war einfach großartig. Der schönste Film den ich gesehen habe. So richtig aus unserer Geisteshaltung heraus, natürlich, echt und religiös. Hätten wir doch mehr solche feiner Filme.

Neben unsern Fahrtenbücher oder unseren Schriften von Weinreich, Fiedler, Plus, Eschelbach, Achermann usf. lesen wir vor allem die „Junge Front"

 

und die „Wacht" woraus dieses Blatt ist.

Wenn doch in unsern Reihen mehr der Leute wären, die wie dieser „kleine Mann" ihr „Tagebuch" schreiben würden, oder wenigstens sonst etwas eignes sich schaffen würden. Kameraden, hier hört das Reden auf. Es gilt nur die Tat!

St. Sebastian

Ja, so eine Sache wie das obige Bild ist schon dem einfachen Schlittschuhlaufen auf dem „Schwarzen Wasser" vorzuziehen. Trotzdem freuten wir uns riesig als es Mitte Februar noch so kalt wurde, daß wir Sonntags zum Eislaufen fahren konnten. Wenn wir auch keine Künstler sind, dafür ist ja zu selten Gelegenheit zum Eislaufen hier, so wollen wir doch wenn eben Eis da ist, auf unsern „Merkur" üben.

An einem Sonntag abend Mitte Februar feierten wir unsern
„Elternabend"

(Es sollte das leider der letzte sein, denn, es mag schon voraus gesagt sein, wurde in Wesel auch diese Veranstaltungen verboten.) Manche Stunde hatten wir an unsern zwei Bühnenspielen geprobt, die uns aber auch sehr gut gefielen.
„Der Trommelbube"
und „Das Dorfgericht".

Unsere Eltern und viele kleine Brüder und Schwestern waren erschienen, und Groß und Klein freute sich über das was gezeigt wurde.

 

Selbstverständlich mußte aber auch manch ernstes und erklärendes Wort gesagt werden, und nicht zuletzt auch Worte des Dankes und der Anerkennung.

Wir stehen ja all so ganz in diesem Leben und Schaffen der katholischen Jugend, ob es die Sturmschar DJK. oder Jungschar ist, ob Jungenschaft oder Jungmannschaft, daß wir neben den Freuden auch die großen Sorgen die uns drücken den Eltern ans Herz legen möchten, die die neue Zeit, unsere Jetztzeit, zum Teil mit so vielen Vorurteilen gegenüberstehen, oder aber in ihr nichts anderes finden als wie vor 50 Jahren auch.

Wie oft hören wir doch: „Daß war früher ja auch nicht" was braucht es jetzt so zu sein und unbedingt so gemacht werden wie der Katholische Jungmännerverband es für richtig ansieht".

Wir kommen aber auch hierin weiter und mehr und mehr stehen unsere Eltern zu uns, und zeigen Verstehen für unser Tun.

7.3.1935.
Abends 8 Uhr kamen die Gruppen zum „Scharaben" zusammen. Heim in der Jugendburg

Spruch: von Rilke
Lied: Wir lieben die Stürme ...
Schriftlesung: Römer 14. 5.-12.

Dann gabs vieles zu erzählen und zu berichten und zu überlegen:

Über allem aber stand:

„Ostern 1935 Romfahrt der Sturmschar."

Ja, wir überlegten und es wuchsen große Schwierigkeiten herauf so daß wir fast einstimmig sagen

 

konnten: da können wir nicht mit. Wir sind dann aber doch an die Arbeit gegangen und haben vorbereitet, technisch und geistig und finanziell. Wer mitfahren würde, stand noch nicht fest. Am Samstag abend vor Palmsonntag soll es los gehen. 1 Omnibus mit 30 Mann aus dem Gau Niederrhein. Am Weißen Sonntag würden wir zurückkehren. Also 14 Tage frei und ca 100,- Reichsmark sind für jeden Teilnehmer notwendig. Woher nehmen? Wir schrieben einigen finanziell gutstehenden Herren von unserer großen Pilgerfahrt nach Rom und fanden bei fast allen Verständnis für unsere Bitte und was wir uns nie geträumt hatten fast 200,- M bekamen wir zusammen. Wir konnten mit 6 Mann die große Osterfahrt vorbereiten.

Da konnten wir wohl vor Freude einen Luftsprung machen.

17.3.35.
Schon seit dem frühen Morgen stromen wir am Rhein entlang über Kies und Steine, über Krippenköpfe und durch sumpfiges Zwischengelände und Weidengebüsch. Unsere Schuhe kleben schon voll Lehm.

Am Ufer ist es aber auch interessant. Was man da nicht alles finden kann. Bald hat einer holländische „Klotschen" gefunden. Ein anderer eine Schiffsfahne.

Als wir eine große Flasche fanden wurde diese in einer guten Entfernung aufgestellt. Steine waren dann genug da. Plötzlich war der Weg versperrt, durch hohes Wasser war die Rinne zwischen altem und neuen Rhein voll Wasser gelaufen. Zum Brückenbau waren nicht genug Steine und kein Holz da. Also wieder ¼ Stunde zurück. Gegen Mittag ließen wir uns von Bislich nach Xanten übersetzen mit dem Motorboot. Ja, Kameraden, das glaube ich auch, daß das eine feine Sache wäre wenn unserer Gruppe das Boot gehören würde. Dazu noch ein großes Segel. Dann würden wir öfters die Wasser des Rheines oder auch andere Flüsse kreuzen.

[am 24.3.1935 gekauft 750,- RM.]

24.3.1935
Heute bin ich zum erstenmal mit meinem B.M.W.-Maschinchen 200 cc unterwegs. Den Affen gepackt noch einen Kameraden auf den Sozius und dann gings nach Landheim Fuestrup hinter Münster, zum Treffen der Romfahrer des Gaues Münsterland. Ich darf allerdings höchstens 50 km Stundengeschwindigkeit fahren. Fürs erste genügt das wie ich festgestellt habe. Auf halber Strecke haben wir uns mal verschnauft und Hände und Kniee warm gerieben. Dann gings wieder ran. Pumpen Spätzündung, etwas Gas, ein Tritt auf dem Kickstarter und wir können starten. Wir wechseln uns auch in der Steuerung. Auf dem Sozius ist die Luft, die einem ins Gesicht schlägt noch eisiger, oder man muß sich schon ducken, hinter dem Rücken des Vordermanns. Ich werde das richtige Geräusch der Maschine bald kennen und werde sie lieb gewinne wenn wir unsere Fahrten durchs Land machen. Und wenn sie gut eingefahren ist, will ich auch versuchen, von ihr zu erzählen.

 

Ein Märchen aus 1935

Der Monat April steht ganz im Zeichen der Romfahrt.

Am letzten Sonntag im März (31.3.) war die Autoschaft des Gaues Niederrhein nochmal in Weeze zusammengekommen. Hier wurden die letzten Vorbereitungen getroffen und Anweisungen gegeben. In 2 Wochen rollen wir los!

 

13.4.1935 (Samstag abend 9 Uhr)
An der Jugendburg Esplanade haben wir 6 Romfahrer uns schwerbepackt eingefunden. Manche Eltern und Geschwister sind mitgekommen. Da kommt auch schon unser Omnibus mit den 8 Emmericher-Freunde. Schnell noch einen Gruß und ein Händeschütteln und der Wagen rollt ab. Wir singen. In Geldern steigen wieder Kameraden ein. Nachts um 12 ½ Uhr kommt in Köln der letzte Mann hinzu. Wir finden Artur vor dem Dom stehend und wartend.

Wir 31 aus der Autoschaft Gau Niederrhein sind beisammen. Mit frohem Herzen fahren wir in die Nacht hinaus, immer dem Süden zu. Wir wissen daß diese große Fahrt auch allerhand Überwindung und Anstrengung erfordert deshalb wollen wir eine große Kameradschaft pflegen.

Sonntag, 14.4.1935. Gegen 5 Uhr sind wir kurz vor Ludwigshafen und finden eine schöne Gelegenheit uns an einem Fluß zu erfrischen.
Komando: Alles aussteigen zur Morgenwäsche.
In Ludwigshafen gehen wir zur hl. Messe. Im Kolping-Haus treffen wir die ersten Autos aus anderen Gauen. Über Freiburg gehts nach Lörrach zur Grenze. Unsere Pässe sind in Ordnung, wir sind stolz auf den ersten Stempel. Bald werden wir in Basel von Kameraden aus der Schweiz freudig empfangen. Sie zeigen uns unser Quartier. Besser wie das Quartier aber war das Essen in einem Pfarrhaus hier in Basel. Wir singen noch manches Lied den freundlichen Schwestern und Brüdern zum Dank. Dann sind wir aber auch bald auf unsern Strohsack eingeschlafen, denn in der vergangenen Nacht hatten wir im Auto kaum ein Auge zugemacht.

Montag 15.4.35. Heute sollst in die Alpen gehen. Wir waren schon früh heraus. Da unsere Chauffeure sich verpennten mußten wir über eine Stunde weit zum Heim, wo wir frühstücken sollten, marschieren. Mit einer Stunde Verspätung gings dann in die ersehnten Berge. Der Motor muß sich manches mal mächtig ins Zeuch lagen, um voran zu kommen. Wenn ich nun schön schildern könnte wie die Eindrücke waren und die Erlebnisse bei so einer Fahrt durch die Alpen, würde ich das gerne tun. Davon versehe ich aber nicht viel. Wohl waren wir alle der Meinung, schönere Bilder nicht gesehen zu haben. Himmelhohe, zum großen Teil noch mit Schnee bedeckte Berge, unten schon grüne Wiesen und dazwischen blaue Seen, und dazu

 

auch das Volk und die Häuser in Dörfern und Städten, sauber und nett.

In Luzern kauften wir uns die ersten Ausländischen Briefmarken die ersten Kartengrüße gingen heim. Im Übrigen aber wollen wir nicht viel schreiben. Man kann später doch alles viel besser selbst erzählen. Immer wieder trafen wir andere Omnibusse mit Kameraden die alle das gleiche Ziel hatten. Wenn wir einen überholen konnten brach alles in ein Freudengeheul aus. Überholte uns mal ein Auto so winkten wir ab, als wenn uns nichts daran läge, so schnell weiter zu kommen. Bald gings durch die „Hohle Gasse" bei Küßnacht mit der „Tellskapelle". Auf der Axenstraße fuhren wir nach Erstfeld. Wir froh waren wir, daß der Sonderzug noch nicht weg war, denn wir kamen mit 1 Stunde Verspätung an. Auch die Autos wurden verladen. Wir fuhren durch den 15 km langen St. Gotthard-Tunnel. Es war gegen 2 Uhr als wir in Airolo ankamen. Hier gabs schon halb italienische Kost. Bei dem fast 2 stündigen

Aufenthalt stapften einige in die Berge und machten Bekanntschaft mit dem hohen Schnee. Ich war leider nicht dabei. Wir fuhren an diesem Abend bis zum Dunkelwerden. Unterwegs hatten wir eingekauft: einige Kilo Pane und burro uno kilo marmelatte, due kilo formaggio. Nachdem in einem Restaurant unsere Butterbrote geschmiert und dazu „kaffe mit late" getrunken hatten, bauten wir außerhalb des Dorfes, es war in der Gegend um Bellinzono, unser Zelt auf. Mit 20 Mann lagen wir im Zelt, die übrigen schliefen im Auto.

Dienstag 16.4.35. Gegen 5 Uhr Morgenwäsche im kühlen Bach. In der nahen Kirche beteten wir das kirchl. Morgengebet. Heute gings ins Italienische Land. Chiasso, Grenzstation. Hier ging es nicht mehr ganz so schnell, wie an der schweizerischen Grenze, aber wir brauchten unsere Affen nicht auszupacken. Um 12 Uhr erreichten wir Mailand. Hier interessierte vor allem der Mailänder Dom, und der außerordentlich starke Verkehr dieser Großstadt. Doch es galt sich nicht lange Besinnen. Zum wiederholten male kauften wir uns einige kilo arancio (Apfelsinen) zum Futtern im Auto. Gegen Abend erreichten wir Genua. Vom Meer war nicht mehr viel zu sehen. Nach den üblichen Einkäufen, die immer mit viel kauderwelsch und Spaß vorgenommen wurden, rollten wir wieder über die Straßen, in die anbrechende Nacht hinaus. Wir wollten an diesem Abend noch bis Pisa. Die Straße ließ das aber nicht zu. Immer gings steil bergauf und bergab. Kurve auf Kurve folgte, die Chaffeure bekamen den Drehwurm. Von einem Gang gings in den andern. Immer wechselnd, aufwärts und

 

abwärts. Mit ca 15 km Tempo, oder noch weniger, gings weiter. Es wurde 10 Uhr und 11 und 12 Uhr, aber wir waren noch längs nicht da. Im Auto duselten wir so dahin, zwischen Schlafen und Wachen. Gegen 1 Uhr machten wir an einem Haus halt. Es brannte noch Licht. Die Chaffeure gingen sich zu stärken. Und dann begann die Geschichte von der „Räuberhöhle" wovon wir noch lange erzählt und gelacht haben. Als unsere beiden Wagenführer im „Restaurant" verschwunden waren und nicht wieder kamen, ging ich mal nach. Indem ich die Autotüre öffnete kam mir ein kalter Luftzug entgegen, der sofort mehrere Schläfer weckte, die dann auch alle gleichzeitig einen leeren Magen spürten, denn wir warteten immer noch auf das Abendessen in Pisa. Pisa war aber noch weit. Nach und nach fanden sich alle in dem „Laden für alles" ein. Vor der Theke standen zwei Tische. Die langten aber für uns nicht und so standen und saßen die einen da und die andern dort, auf Fässern Mehlsäcken und Kisten. Dann wurde gefuttert was der Laden hatte. Brot und Brötchen Käse und Sardinen, Milch und Wasser. Es war ein ganz komisches Bild. Dazu noch das Kauderwelsch mit den beiden Inhabern dieses Saftladens der nebenbei auch eine Mühle zu sein schien. Nach dem Schmaus kam die große Rechnung „quaranta cinque" (45) Lire für alle zusammen.

Mittwoch 17.4.35. Als wir die „Räuberhöhle" verließen, war inzwischen Mitternacht längst vorrüber. Die Chaffeure wechselten im fahren und weiter gings nach Pisa. Beim Morgengrauen erblickten wir den „schiefen Turm" von Pisa. Einige andere Omnibusse standen schon auf dem Marktplatz. In manchen schliefen noch die Kameraden. In Pisa wollten

wir das bestellte Essen in Empfang nehmen. Der Makkar[?] war aber nicht mehr zu gebrauchen. Er hatte schon seit vorgestern gewartet auf uns. Wir verpflegten uns in einem Kaffeehaus. Nach kurzer Besichtigung von Pisa, starteten wir zur letzten Tagesfahrt. Manche Stunden fuhren wir an der Küste des Mittelländischen-Meeres entlang. Wir haben viel gesungen. Einmal spritzten Wogen uns zum Fenster herein. An einer anderen schönen Stelle liefen wir auf einem Felsenriff weit ins Meer hinaus und lauschten und schauten die Brandung.
Gegen Spätnachmittag, wir waren nach unserer Schätzung noch 40 km vor Rom, steht ein Sturmschärler Posten auf der Straße. Er zeigt uns den Weg zum Lager.
Im Abenddämmern treffen nach und nach die Omnibusse ein und im nu ersteht hier in der römischen Kampagna, 26 km vor den Toren Roms, unsere Zeltstadt. Bald sah man nur noch die Wache ums Lager streichen, denn wir waren alle viel müde. Viele waren seit Samstag unterwegs.

Donnerstag 18.4.1935. Um 5 ½ Uhr tönt ein lauter Gongschlag vom „Feldherrnhügel". Und dann beginnen die gemeinsam verlebten Tage unserer Pilgerfahrt, die so schön und groß und reich waren, daß man sie nie mehr vergißt.

So haben wir Ostern in Rom gefeiert. Vieles geht aus den Bildern (dazu das Foto-Album über die Romfahrt 1935) und den Ausschnitten aus der Zeitung ersehen, vieles steht aber auch nicht drin. Das Erleben der großen Gemeinschaft im Lager. Die Hitze am Tage und die kalten Abende und Nächte in denen wir von Rom zurückkehrten, bis zum Gutshof mit den Autos fuhren und dann weiter zu Lager wanderten ca 20 Minuten weit. Die Abende am Feuer vor den Zelten, und all die kleinen Erlebnisse die jeder hatte, hier und da, die man nur erzählen kann.

Es war am Dienstag den 23.4.35. Nach der Hochzeitsfeier waren wir im Gutshof aufmarschiert zum Schlußappell. Es war ein Aufruf, ein Bereitmachen, ein Abschied.

Es war schon Nacht als wir im Lager ankamen. Sofort wurden die Zelte abgebrochen, die Tornister gepackt, Verpflegung aus der Lagerküche besorgt, dann gings zurück. In der Nacht fuhren wir durch Assisi nach Florenz. Der Aufenthalt war aber nur kurz, denn es trieb uns weiter, da uns gesagt worden war, wenn wir bis Sonntag abend zu Hause sein wollten müßten wir gut durchfahren. Wir kamen an diesem Tag bis Padua. In einem Jesuiten-Kolleg aßen und übernachteten wir. Die vergangene Nacht hatten wir im fahrenden Auto zugebracht, jetzt schliefen wir auf dem Boden eines kleinen Saales. Wir schliefen besser als wir vorher dachten.

Donnerstag 25.4.35. Zunächst gings nach Venedig der Stadt im Wasser, dann über Padua zurück der Grenze zu. Gegessen wurde meistens im Auto. Am Abend

waren wir kurz vor der schweizer Grenze. In einem kleinen italienischem Dorf wurde halt gemacht. Nach langem Hin und Her bekamen wir noch wenig[..] für unsere beiden Fahrer Quartiere. Wir schliefen teils im Auto teils in einem Pferdestall und teils auf dem nahen Berg.

Freitag 26.4.35. Es ging schon merklich höher in die Berge. An der italienisch-schweizerischen Grenze ging alles gut von statten. Manchesmal mußten wir jetzt aussteigen, so gings in die Alpen hinein. Hier lag noch hoher Schnee was für uns ja eine große Freude war. Wir passierten den Julier-Paß. Eng, hoher Schnee an beiden Seiten. Nach 1-2 Stunden gings wieder abwärts. Aber vorsichtig. Wir sahen hier wohl die schönsten Landschaftsbilder die nicht zu beschreiben sind. Abends landeten wir im Gesellenhaus in Rorschach am Bodensee. Morgen werden wir wieder auf deutschen Boden kommen. Wir aßen seit langem mal wieder Kartoffeln (Bratkartoffeln) denn in Italien gabs diese nicht.

Samstag den 27.4.35. Heute erlebten wir verschiedene „rein fälle". Erst waren wir am Rheinfall bei Schaffhausen dann kam der zweite „reinfall" an der Grenze. Bei den deutschen Zollbeamten war es nicht so selbstverständlich mit dem „Weiterfahren" wie wir das bei den Schweizern und Italienern erlebt hatten. Beiliegende Abschrift mach davon erzählen. So erging es auch allen andern Omnibussen, gleich welchen Grenze sie passierten.

Durch diese unvorhergesehene Verzögerung an der Grenze waren wir erst am Samstag abend in Freiburg. Nach kurzer Rast und einer Stärkung im Lehrlingsheim gings weiter durch die Nacht.

Sonntag 28.4.1935. Um 7 Uhr waren wir im Dom zu Mainz zur heiligen Messe. Obwohl bei der Fahrt die Gespräche sich jetzt nur um den Vorfall an der deutschen Grenze drehten, waren die Gemüter nur noch heiterer. In Köln trafen wir die ersten Omnibusse von anderen Gauen, denen an anderen Grenzstationen das Gleiche geschehen war. Hier in Köln verließ uns der erste Kamerad aus unserer Autoschaft. Nach einigen Abschiedsworten entließen wir ihn mit den besten Wünschen. „Ich schnüre mein Bündel" konnte er singen, denn wir hatten ja keinen Tornister mehr. Zunächst luden wir noch einige in Wanken und Geldern ab, dann waren wir 6 Weselaner auch zu Haus.

Die Romfahrt aber ist und bleibt uns das große Erlebnis: Die größte Pilgerfahrt und das letzte große Reichstreffen der Sturmschar.

Auf dieses Schreiben nach Erzingen habe ich noch keine Antwort erhalten.

Ob unsere Ausrüstung noch dort im Rathaus liegt?

dies aus der National-Zeitung

Marien-Monat.

Maria breit den Mantel aus
Mach Schirm und Schild für uns daraus.

Zwei Scharabende hatten wir in diesem Monat, denn es galt den Lichtbildabend der Domfahrt für unsere Eltern, vorzubereiten.

Am 26.5. wallfahrteten die Diözesen Münster und Paderborn zur Madonna von Altenberg. Unser Bezirk Rees unter Leitung von Kpl. Bosch aus Isselburg war mit 3 Autobusse daran beteiligt. Nach einer Gemeinschaftsmesse in der Krypta unserer Pfarrkirche, gings los. Ich fuhr mit meiner Maschine mit. Im Dom zu Altenberg fanden sich tausende ein und das Singen und Beten nahm kein Ende.

Meerstern ich dich grüße
o Maria hilf.

An einem Sonntag morgen waren wir im Landheim tätig. Es galt dort manches zu säubern, anzustreichen, und zu schrubben. Dies wurde vormittags erledigt. Nachmittags gings in die umliegenden Wälder auf Erkundigung. Durch Dickicht über Hecken, Zäune und Gräben. Wo es ganz einsam ist liegen wir in der Sonne und singen.

Am Heim stehen 11 Fahrräder in Schnurgerader Linie aufgestellt. Abends heißt es: Kameraden aufgesessen!

An einem Heimabend ließt und hört die I. Jungenschaftsgruppe über den „Deutsch-Ritterorden" Marienburg!
Wann werden wir mal zum Ostland fahren?

Der Wahrheit willen muß ich einiges dazu sagen. Die Arbeitskollegen und -innen haben es schriftl. der Polizei beigebracht, daß Ernst nie derartige Äußerungen gemacht hat. Ein Lehrling will es aber gehört haben, daraufhin hat Ernst O. ohne Urteil 6 Wochen sitzen müssen. Nebenstehendes Kirchenblatt wurde wegen des angestrichenen Artikels beschlagnahmt.

Faßt jeden Sonntag sind wir draußen. Zu Fuß, per Rad, mit dem Paddelboot und mit der Maschine.

Gelobt sei
was hart macht.

Das war vor 1 Jahr.
Ein stilles Gedenken für ihn der auch getreu war bis zum Tode.
Im Geiste sehen wir unsere Banner auf Halbmast wehen.

Aus ganz kleinen Anfängen ist unsere Fußwallfahrt entstanden. 1928 gingen zum 1. mal ca. 20 Jungen und Jungmänner mit Kaplan Daldrup zu Fuß nach Kevelaer. Bald darauf tatens die Mädels und Jungfrauen auch und 1933 rief unser Pfarrer Jansen dann die ganze Pfarre zur Fußwallfahrt auf. Die Beteiligung war über erwarten groß, ca 600 pilgerten um 1 Uhr mit zur Gottesmutter von Kevelaer.

 

Wir Jungen und Jungmänner waren uns nachher wohl einig, daß es schönere für uns ist, wenn wir allein lospilgern. Sie wäre auch wertvoller und erbauender für den Einzelnen von uns. Unser Pastor aber möcht die ganze Pfarre zusammen haben.
Dafür dürfen wir aber in Zukunft in den Pausen etwas freier loslegen und unsere alten Lieder singen, im gleichen Schritt und Tritt.

Am 15.7. feiern wir den Namenstag von Heinrich, dem deutschen Kaiser. Unser Bauer Lagemann in Erle, in dessen Wald wir unser Landheim stehen haben, heißt auch Heinrich, mit Edgar war ich am Sonntag bei ihm und haben ihm das Fuldaer-Bekenntnis mit Bild geschenkt. Er hat sich sehr darüber gefreut.

Es war ein herrliches Wetter in der ersten Hälfte des Monats August und sowas will ausgenutzt sein.
Nach Feierabend trafen wir uns öfters zum Schwimmen in der Lippe.

An einem unserer Heimabende sprechen wir besonders über den 4. Satz unseres Gesetzes wir halten fern von uns was schädlich ist und wir stählen und üben unsern Körper.

5 Kerle waren eine Woche auf Großfahrt zum Rhein und in die Eifel. Eine Woche Urlaub. Da kann einem das Herz schneller schlagen. Gutes Wetter dazu und Kameraden aus der Gruppe. Sache.

Kann man das erzählen was uns nun so durchs Land treibt? Von der Liebe zum Land und zu dem Volk das man überall trifft, von der Fahrtensehnsucht?

Im Norden und im Süd im Ost und West das
gleiche Lied. In die Ferne zu den Sternen
uns es ewig zieht.

So wollen wir singen und durchs Land und die Welt fahren, wandern und auch mal rasen. Land u. Leute kennen und lieben lernen und in der herrlichen Natur Augen und Ohren offen halten.

Pferde!

Heraus mit dem Fohlen aus dem Stall auf die Koppel daß sie die Beine gebrauchen lernen. Man soll sie bis zu den Frösten auf der Weide lassen. Man soll ihnen Wettertrotz anerziehen. Weich sei die Zügelfaust, mit wechselndem Anziehen und Nachgeben. Wenn wir sie abends in die [.?.] reiten, brennen ihre Haare schweißgetränkt an unsern nackten Beinen. Mit zögernden Hufen tasten sie sich über den zertretenen Grund des Einstiegs. Dann aber

 

schieben sie sich in die Flut wie Schiffe. Sie sind unsere besten Freunde.

[Unser Präses Kpl. J. Föcking schrieb aus dem Urlaub in Traunstein, das Landheim in Raesfeld muß abgebrochen werden.]

[Dann kam der Krieg!

Der Krieg ist das größte Verbrechen das eine Regierung dem Volke zufügen kann.

Der 2. Weltkrieg dauerte
v. 1.9.1939
-   9.5.1945]