Lebensreformbewegung

Ab Ende des19. Jahrhunderts kamen in Reaktion auf die tiefgreifenden Veränderungen der allgemeinen Lebensbedingungen durch Industrialisierung und Verstädterung vielfältige Bewegungen auf, die Zivilisationsschäden fürchteten und grassierendem Materialismus, Fortschritts- und Technikgläubigkeit sehr kritisch gegenüberstanden. In unterschiedlichsten Bereichen suchten sie unter dem Leitmotiv „Zurück zur Natur“ nach neuen, bewussteren und gesünderen Formen der Lebensgestaltung.

Die einen fanden sie in Vegetarismus, Reformkleidung oder Freikörperkultur, andere beispielsweise in Naturheilkunde, Bodenreform, Gartenstadtbewegung, neuen Kunstformen und der Reformpädagogik. Ihre Anhänger stammten vorwiegend aus dem Bildungsbürgertum oder Kleinbürgertum und waren nur teilweise in Vereinen, aber nicht zentral organisiert und hatten auch keine gemeinsame Theorie.

In engem Zusammenhang mit der Lebensreformbewegung ist auch die Anfang des 20. Jahrhunderts erstarkende, sich aus dem „Wandervogel“ entwickelnde Jugendbewegung zu sehen, strebte sie doch auch hinaus „aus grauer Städte Mauern“ (so eine Zeile aus einem sehr beliebten Fahrtenlied) in die freie Natur. So wurden ungebundenes Wandern und ausgedehnte Fahrten fern aller Autoritäten und zivilisatorischen Zwänge, einfaches Lagerleben mit viel Gesang alter Volkslieder und starkem Gemeinschaftserlebnis zu einer neuen jugendlichen Lebensform.