Osteinsatz der HJ

BDM und HJ schickten nach der Eroberung und Zerstückelung Polens ihre jugendlichen Mitglieder oft klassenweise in die „eingegliederten Ostgebiete“, ohne dass diese die tatsächlichen Hintergründe ihres Einsatzes durchschauten.

Nachdem deutsche Truppen am 1.9.1939 mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hatten, sowjetische zweieinhalb Wochen später von Osten her einmarschiert waren und die polnischen schon am 5.10.1939 hatten kapitulieren müssen, hatten Deutsches Reich und Sowjetunion das Land gemäß dem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt aufgeteilt und sogleich mit rücksichtslosen Zwangsumsiedlungen begonnen. Der Osten Polens wurde der Weißrussischen und der Ukrainischen Sowjetrepublik eingegliedert, die dort lebende polnische Minderheit deportiert. Zentralpolen wurde zum „Nebenland“ des Deutschen Reiches erklärt und dort ein brutales Generalgouvernement errichtet.

Das westliche Polen, Wartheland und Danzig-Westpreußen, wurde dagegen dem Deutschen Reich direkt als „eingegliederte Ostgebiete“ einverleibt. Dort lebten knapp zehn Millionen Einwohner, davon 87% Polen, 6,5 % Deutsche und 6,4 % Juden. Umgehend wurde eine skrupellose „Lebensraum-Politik“ in die Tat umgesetzt mit dem Ziel, dass diese Territorien innerhalb von zehn Jahren nur von Deutschen besiedelt wären. Dafür wurden zehntausende Angehörige der polnischen Oberschicht – Intellektuelle, Politiker und Geistliche - ermordet und ihre Landsleute sukzessive ins Generalgouvernement abgeschoben. Hunderttausende wurden deportiert, später zur Zwangsarbeit ins „Altreich“ verbracht, alle als „Untermenschen“ entrechtet.

An ihrer Stelle wurden mehr oder eher weniger freiwillig sogenannte „Volksdeutsche“ angesiedelt, - eine ganz zentrale Vokabel in der nationalsozialistischen Ideologie, die nur allzu oft zur Rechtfertigung der aggressiven NS-Außen- und Kriegspolitik benutzt wurde. Damit wurden Personen bezeichnet, die zwar dem deutschen Sprach- und Kulturkreis entstammten, aber im Ausland lebten und nicht die deutsche, österreichische oder Schweizer Staatsangehörigkeit hatten. Solche „Volksdeutschen“ kamen aus dem Generalgouvernement, dem nun sowjetischen Ostpolen, aus den baltischen Ländern, aus Galizien, dem rumänischen Bessarabien und der Bukowina.

Die deutschen HJ-Jungen und BDM-Mädel, auch die RAD-Arbeitsmänner und -Arbeitsmaiden waren mit Reden und Liedern über das „Ostland“ aufgewachsen und ideologisch vorbereitet auf die Aufgaben, die ihnen die NS-Führung nun zudachte: Sie wurden beim Osteinsatz instrumentalisiert für die „Germanisierung“ und Volkstumspolitik in den besetzten Ostgebieten. Beispielsweise wirkten Arbeitsmaiden bei der Vertreibung polnischer Einheimischer und der Übernahme ihrer Höfe durch Volksdeutsche mit. Oder fünfzehn-, sechzehnjährige BDM-Mädchen sollten meist völlig uninformierten, aus fernen Regionen entwurzelten, teils wenig Deutsch verstehende Erwachsenen mit mündlichen Kurzberichten die aktuelle politische Lage (aus nationalsozialistischer Sicht) erklären und sie durch Geschichten und das Vorsingen von Volksliedern zu Trägern des deutschen „Volkstums“ machen, - zu dem jene manchmal seit Generationen kaum mehr Verbindung hatten.