Notverordnung

In modernen Verfassungsstaaten sind seit der Französischen Revolution grundsätzlich gesetzgebende und ausführende Gewalt getrennt. Doch gibt es in vielen Verfassungen für akute Krisen oder dringende Entscheidungen in Notsituationen das Instrument der Notverordnung, mit dem die Exekutive unter bestimmten Bedingungen Maßnahmen ohne die eigentlich erforderlichen, von den Volksvertretern zu schaffenden gesetzlichen Grundlagen dekretieren kann.

In den krisenhaften Jahren nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, der Anfangsphase der Weimarer Republik, wurden Notverordnungen bis etwa 1923/24 häufig zur Sicherung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und zur Überwindung der Inflation genutzt. Als dann sechs Jahre später die junge Demokratie infolge der Weltwirtschaftskrise und der Radikalisierung der Parteien wieder ins Strudeln geriet, wurde es immer schwieriger, im Reichstag beschlussfähige Mehrheiten zu bilden. Schließlich wurde ab März 1930 vorwiegend mittels Notverordnungen regiert, verfügt von dem hochbetagten Reichspräsidenten von Hindenburg, der auch die Reichskanzler ohne Mitwirkung des Parlaments berief. Durch diese politische Praxis wurde das Verfassungssystem der parlamentarischen Demokratie zunehmend untergraben und ein autoritäres Präsidialregime errichtet.

Die folgenreichste und bekannteste Notverordnung ist die sogenannte Reichstagsbrandverordnung, die der erst vier Wochen zuvor zum Reichskanzler ernannte Adolf Hitler am 28.2.1933, nur einen Tag nach dem - bis heute nicht endgültig aufgeklärten – Brand des Reichstagsgebäudes in Berlin durch Reichspräsident von Hindenburg verfügen ließ. Hitler nutzte damit kurz vor den anstehenden Reichstagswahlen die Gelegenheit, um fast alle in der Weimarer Verfassung garantierten politischen Grundrechte auszusetzen. Umgehend ging eine Welle der Zeitungsverbote und der Verhaftungen los, zuvörderst von kommunistischen, aber auch von sozialdemokratischen Parteimitgliedern und Reichstagsabgeordneten.

In der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist keine Möglichkeit zum Erlass von Notverordnungen vorgesehen.