Reformpädagogik

Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1933 gab es – nicht nur in Deutschland - eine starke Bewegung mit verschiedensten theoretischen und praktischen Ansätzen für eine Erneuerung von Erziehung und Schulbildung. Sie wollten stärker vom Kind ausgehend seine besonderen Talente, Selbsttätigkeit und Kreativität fördern und sind bis heute aktuell.

In dieser Richtung hatte es schon einige Vordenker gegeben wie etwa Comenius (1592 -1670), der eine „Erziehung vom Kinde aus“ forderte, Rousseau (1712-1787) oder Pestalozzi (1746-1827). Nun, in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels und der Suche nach Freiheit und Naturnähe in Reaktion auf die Veränderungen durch Industrialisierung und Verstädterung, entstand neben oder mit der Jugendbewegung eine breite, wenn auch in sich disparate reformpädagogische Bewegung. In vielen ganz unterschiedlichen Milieus von Arbeiterbewegung oder sozial engagierten Liberalen bis zu völkischen, teils rassistisch-antisemitischen Gruppierungen wurden neue Ideen und Formen entwickelt.

Zu nennen wären z.B. die Einheitsschule, die von Hermann Lietz begründete Landerziehungsheimbewegung, das Konzept der Arbeitsschule von Georg Kerschensteiner, die Waldorfschulen des Anthroposophen Rudolf Steiner, die Pädagogik von Maria Montessori oder Célestin Freinet und nicht zuletzt die Kinderrepubliken.

Einig waren sich die Reformpädagogen in der Kritik an traditionellen erwachsenenzentrierten Erziehungsmethoden und der überkommenen Pauk- und Drillschule. Stattdessen wurden Kindheit und Jugend als besondere Lebensphase aufgewertet. Hohe Bedeutung bekamen das Individuum und seine persönlichen Fähigkeiten und Neigungen, größere Lebensnähe und Praxisbezug im Unterricht, die musisch-künstlerische Erziehung und körperliche Bewegung, selbständige Aufgabenlösung und gemeinschaftliches Arbeiten.

Als die Nationalsozialisten 1933 in Deutschland an die Macht kamen, wurde die Mehrheit der Reformpädagogen, allen voran kommunistisch oder sozialdemokratisch denkende, mundtot gemacht oder in die Emigration getrieben, andere, gerade jüdische, in Konzentrationslagern umgebracht. Einige wenige passten sich dem neuen System an.