Neudeutschland (1931-1941) - „Katholische Jugend bleibt treu!“

Seit Gisbert das Gymnasium besucht, ist er Mitglied im katholischen Schülerbund Neudeutschland (ND). Er ist ein begeisterter NDler, und als es im Laufe der dreißiger Jahre zu massiven Einschränkungen für katholische Jugendgruppen kommt, kämpft er daher mit allen Mitteln für deren Erhalt: „1935 brach eine massive Kampagne gegen die katholische Jugend los. Ich stellte also ein paar hundert Aufkleber her mit dem Text KATHOLISCHE JUGEND! BLEIB TREU!, lief durch Steele und klebte sie an alle möglichen Schaufenster und Laternenpfähle in Augenhöhe. Niemand erwischte mich. Mein ND-Führer erfuhr nachträglich davon und erbleichte." Die Spielräume für die katholische Jugendarbeit werden aber immer enger. „Der Bund ND wurde 1937 gebietsweise verboten. Die Burg Raesfeld wurde von der Geheimen Staatspolizei geschlossen. Wir NDer in Steele und Essen arbeiteten trotz allem weiter. Nachdem ich bis 1935 an vier ND-Lagern teilgenommen hatte, unternahm ich von 1935 bis 1938 sechs Radfahrten, jedes Mal mit einem oder mehreren Bundesbrüdern, ein paar Mal mehrere Wochen lang."

Als der Leiter der Gruppe, Hans Effing, 1938 zum RAD eingezogen wird, übergibt er die Leitung an Gisbert, der schon seit 1937 Leiter eines Fähnleins ist. Zunächst finden die Treffen noch im Heim statt. „Als uns das genommen wurde, versammelte ich die Jungen in meinen Räumen zu Haus. Nach Opas Tod durfte ich zwei Zimmer mit separatem Eingang übernehmen und hatte so ein Reich für mich und meine Freunde. Da hörten wir zum Beispiel begeistert Ernst Wiecherts ‚Der Dichter und die Jugend' vorlesen, einen Text, der den Autor ins Konzentrationslager gebracht hatte und den Karl Heinz [Gisberts Bruder] mit der Schreibmaschine vervielfältigte."

Die Verbote und Einschränkungen innerhalb der katholischen Jugendarbeit führen auch zu Kooperationen mit anderen katholischen Jugendgruppen, wie es sie zuvor nicht gegeben hat: „Mit den St.-Georgs-Pfadfindern in Steele, einer Gruppe von katholischen Volksschülern, Lehrlingen, Arbeitern und Handwerkern, hatten die Gymnasiasten des ND mindestens seit 1935 eine enge Beziehung, die sich in gemeinsamen Veranstaltungen äußerte. Wir probten zusammen Laienspiele und führten sie auf. In den Jahren, in denen ich die ND-Gruppe leitete, wurde diese Zusammenarbeit wieder gepflegt, ohne dass die Eigenständigkeit beider Gruppen aufgegeben wurde."

1939 wird der ND endgültig verboten. Trotzdem setzt Gisbert Kranz die Arbeit bis 1941 illegal fort. „Wenn ich in den Ferien ein paar Tage zu Hause war, versammelte ich die Obergruppe, die jetzt vor dem Abitur stand, in meinem Zimmer. Aus dem ND-Liederbuch ‚Jung-Volker" sangen wir unsere alten Texte. Jede Zusammenkunft stand unter einem bestimmten Thema, zum Beispiel ‚Buddha'. Dem Referat folgte ein Rundgespräch."

Bis zum Verbot der katholischen Verbände erscheinen eine ganze Reihe von katholischen Jugendzeitschriften, die Gisbert Kranz mit brennendem Interesse liest, darunter insbesondere die ‚Junge Front', die von Johannes Maaßen veröffentlicht wird. Hier wird unter anderem nach der Machtübernahme unter der Überschrift ‚Schreie, Wahrheit!' ein Leitartikel veröffentlicht, den Gisbert als „einen unerhört scharfen Frontalangriff gegen den Nationalsozialismus" in Erinnerung hat: „Jedem Leser, der noch schwankte, musste bei Lektüre dieses Blattes klar werden, dass er nicht Christ und Nationalsozialist zugleich sein könne."

Doch nicht nur den Nationalsozialismus prangert die Zeitschrift an, sie wendet sich auch gegen „Verknöchertes innerhalb der Kirche" und setzt sich für eine Kirchenreform ein - Themen, mit denen die Zeitschrift hohe Auflagen erzielt. 1935 wird der Titel der Zeitschrift verboten, woraufhin sie von Redakteur Maaßen kurzerhand in ‚Michael' umbenannt wird,, „den Namen des Erzengels, der gegen die Dämonen kämpfte und siegte". Die Auflagenzahlen schnellen nun noch einmal in die Höhe: „Michael hatte schließlich eine Auflage von 330.000. Und das fast ohne Anzeigengeschäft, ohne Zuschüsse!"

Gern liest Gisbert auch „Die Wacht" und „Scheideweg". Großen Eindruck machen auf ihn auch die Texte von Georg Thurmair, den Dichter der katholischen Jugendbewegung, der nun jedoch fast nur noch unter wechselnden Pseudonymen veröffentlichen kann.