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Klaus Schlimm

geb. in Magdeburg 1929

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Kinderlandverschickung (KLV)
Kinderlandverschickung in Essen

Kinderlandverschickung nach Tschechien - „Das waren diese Kriegsabschiede, da war ich irgendwie sensibel.“

Als die Luftangriffe auf Essen zunehmen, wird auch die im September 1940 eingeführte KLV forciert. Auch der Klassenlehrer von Klaus wirbt euphorisch dafür und fährt selbst mit. Klaus Schlimm charakterisiert seinen früheren Lehrer nachträglich als einen im „Bund Neudeutschland" sozialisierten Katholiken, der sich sehr den bündischen Idealen verschrieben habe und in der KLV nun auch nach genau diesen Idealen leben möchte.

Doch zunächst geht nur ein Teil der Klasse des Burggymnasiums freiwillig in die KLV, aber den Jungen, die mitkommen, gefällt die Fahrt ausgesprochen gut. Klaus zählt zu jenen, die nicht teilnehmen, weil seine Eltern dagegen sind und es in Werden auch noch vergleichsweise ruhig ist.

Im Frühjahr 1943 heißt es aber schließlich auch für Klaus und seinen Bruder Henning: Kofferpacken für die KLV. Alle, die zu diesem Zeitpunkt der Klasse angehören und  sich noch in Essen aufhalten, fahren mit. „Ich habe furchtbar geweint", erinnert sich Klaus Schlimm an den Abschied auf dem Bahnsteig. „Das waren diese Kriegsabschiede, da war ich irgendwie sensibel." Als dann aber im Abteil fröhlich gesungen wird, beruhigt er sich wieder und denkt: „Ach, hat doch was".

 

Das Ziel ist Bad Podiebrad in Tschechien, wo ihm auf Anhieb die landestypische Architektur gefällt. „Wir waren in dem Lager ‚Weißes Kreuz', einer beschlagnahmten Pension." Dort sind ausschließlich Schüler aus dem Burggymnasium und deren Lehrer untergebracht, doch im gleichen Ort - nicht ohne Grund als „Hauptstadt der KLV" bezeichnet - befinden sich noch zahlreiche andere Schulklassen. „Zum Teil sind es Tausende, wenn nicht zehntausende Kinder." Die sind zeitweise derart zahlreich, dass sie die einheimische Bevölkerung im Straßenbild weit in den Hintergrund drängen.

„Eine merkwürdige Unbefangenheit haben wir da gehabt", wundert sich Klaus Schlimm im Nachhinein. So unternimmt er in der Umgebung von Bad Podiebrad mit einem Freund kilometerlange Wanderungen und erkundet die Landschaft und die dortigen Dörfer, während etwa zu der Zeit in Prag das Attentat auf den deutschen SS-Führer Reinhard Heydrich und daraufhin von deutscher Seite Racheakte wie das Massaker in dem Dorf Lidice verübt werden. Die Jungen sehen aber keine Gefahren, wandern völlig unbeschwert und treffen auch immer wieder Einheimische, die weiter kein großes Interesse an ihnen zeigen.

 

Die Unterkunft und auch das Essen sind „sehr gut"; das Hotel wird von Tschechen geführt und es wird natürlich tschechisch gekocht, also mit vielen Knödeln und sehr fettig. „Die Schule war in einem sehr modernen Schulgebäude, aus dem man die Tschechen 'rausgeschmissen hatte. Die hatten also ein ganz modernes Schulgebäude, so was gab's in Deutschland nicht." Wohin die einheimischen Schüler ausweichen mussten, weiß Klaus Schlimm bis heute nicht, in seiner Zeit jedenfalls wurden in dem Gebäude ausschließlich deutsche Schüler unterrichtet. Er hat den Unterricht in der KLV als durchaus geregelt in Erinnerung, auch wenn Nebenfächer wie Religion und Biologie nicht mehr unterrichtet werden.

 

Die Stimmung in Bad Podiebrad ist zwar nicht allgemein schlecht, aber die Jungen empfinden die KLV - vor allem als sich zeigt, dass sie nicht wie versprochen nach drei Monaten beendet wird - aber zunehmend als Zwangsmaßname. Stattdessen wird ihr Aufenthalt in der Fremde und somit weit entfernt vom Elternhaus immer wieder verlängert.

 

zuletzt bearbeitet am: 10.08.2018