Sonntag, den 28.9.1941
Sonntag ist’s. Seit vorgestern ist der Winter eingezogen. Es ist verflucht kalt. Nachts friert es, daß es kracht. Der Dorfteich trägt eine Eisschicht. Heute Morgen fing es schon an zu schneien. Fort von hier ....!!
Gestern abend 18.00 zog ich mit Maxe Drobig zum 4. Male nach vorne zu den Vorposten. Wir zitterten beinahe schon vor der Nachtkälte.
Unterzeug, Drillichanzug, Tuchanzug, Mantel, 4 Bund Stroh, zugedeckt mit noch einem Mantel, Decke, Zeltbahn. Da soll’s uns kalt werden?
Als wir eine Leitungsstörung durch leichtes Überpinkeln behoben und so die Verbindung herstellt war, legten wir uns zur Ruhe.
12.30! Bum! Bum! Bum! 3 Einschläge! Es klingelt! Die Vermittlung! „Roos! Wo ist die 9?“ „Weiß ich nicht!“ Schluß! Rumgedreht. Es klingelt. „Roos! Ruf du doch auch mal zur 9. durch!!“ „L.m.A.!!“ Ich wecke durch, wie zum jüngsten Gericht. Es meldet sich keiner. Die Vermittlung scheisst sich in die Hose; denn der Oberleutnant... Es klingelt. Lohmann: „Roos? Ja, wo sind die Schüsse hingegangen?“ „Etwa 1000 m halbrechts in –„ „9.! 9.! Melden!!“ „Mensch! wenn der nichts merkt, daß wir an einer Leitung hängen. Lohmann: „Roos! Ihr hängt doch nicht an einer Strippe?!“ „Nein, Herr Obltm!“ „Na, dann schlaf’ gut!“ Das tun wir dann auch. Sehr gut sogar!
Es klingelt. Ich wache auf, guck aus dem Loch heraus – Mensch! Es ist schon hell, die Kmp. ist schon weg. Wir liegen alleine noch im Loch. Raus und ab nach Bucharowa!
Es ist Sonntag. Schneewetter! Die ersten Flocken fallen...
Im Bau pennt alles noch. Nur Uffz. Heinemeyer macht sich zähneklappernd fertig. Er fährt zum Rgt. Quartiermacher? Vorkommando?? Tolle Gerüchte laufen um! Etwas später: Todt, Tietz! Fertig machen! Also doch: es geht weg!! Am morgen machen wir Sacheninstandsetzen und packen. Nachmittag dienstfrei.
2.00 kommt „Abi“ zurück. Weiß aber auch nichts. Vielleicht 23 km zurück! Aber was dann? Angriff?
Abwarten....!
Mittwoch, den 1. Oktober 1941
Montag Morgen. Das Wetter hatte sich geändert. Es regnete. 9.00 fuhren wir Funker auf den Krädern los nach Sokolja-Sloboda. Von dort aus übernahmen wir die Sicherung des Trosses bis zu unserem Zielort. Der Marsch war übel 23 km durch Wald und tiefen Matsch. Eine Quälerei! Gegen 17.00 kamen wir an. Nur wenig zu essen, da die Feldküche dageblieben war. Pennen...
Dienstag morgen 5.00 Quartierwechsel, aus dem Schulsaal in eine von den Pionieren fabelhaft eingerichtete Scheune. 10.00 kam der Rest an und legte sich gleich flach. Am Vormittag
noch kleinere Beschäftigungen, wie Holztragen, Wasserholen, Kartoffelschälen. 14.00-16.00 Wache.
Mein Karabiner ist fort!!
Heute morgen also hat es sich herausgestellt: Angriff! Gegen 11.00 werden wir in die Bereitstellung in die Nähe von Buchalowa rücken. Und morgen früh wird es dann los gehen. Ich drücke mir die Hände und wünsche mir alles Gute! Heil und Sieg!!
Freitag, den 3.10.1941
Nach 20 km Marsch bezogen wir Mittwoch Abend die erste Bereitstellung in einem Kusselgelände, links von unserer alten Stellung. Dort blieben wir bis 0.00. Die Feldflasche voll und bei einer Unmenge von Zigaretten zitterten wir uns im Loch warm.
2. Bereitstellung. Ein toller Anmarsch! Das Gerät auf dem Rücken über Feld durch tiefe Gräben und Sumpf bis nahe an die feindl. Stellung ran. In einem Sandloch am Abhang penne ich bis 5.15. 5.30 Angriff! Wir sind auf Betrieb. Der Stab geht schon vor. Dadurch verlieren wir den Anschluß, rennen kreuz und quer durchs Gelände, stoßen aufs linke Nachbarbtl., geraten mit einem Trupp der 9. in heftiges Arifeuer, und sind dann ohne daß wir es wissen auf einmal in den vordersten Linien der 12. Von da aus finden wir nach einem Umweg über die 9. zum Stab zurück. Wir buddeln uns
ein. Unser Angriff ist im feindl. Feuer stecken geblieben. Um 11.00 versuchen wir es noch einmal. Scheiße! Wieder das gleiche: Heftiges M-G. und Gewehrfeuer aus den Baumkronen des vorgelagerten Wäldchens hindern den Einbruch.
Ich mache den ganzen Nachmittag Betrieb, laufe mal für Lohmann. Die Ari schießt fortlaufend. Wir bekommen Pak und Gewehrfeuer, immer gut gezielt aus den Baumkronen.
18.00 kommen die Küchen ran. Essen. Keine Post! Trotz Dienst am Gerät habe ich eine noch annehmbare Nacht. 4.00 Kaffee- und Verpflegungsempfang. Dann ruhig. 11.00 werden wir wieder vorgehen. Vorläufig schießen unsere Ari aber auch die Russen wir toll. Links und rechts bellen M.G.’s. Einzelne Gewehrschüsse peitschen durch die Luft!
14.00 gehen wir vor. Der Russe läuft. Wir kommen über den Tankgraben, ins Dorf. Tolle Bunker hat der Russe sich gebuddelt. Wir sehen nun erst, wie gut wir alle einzusehen waren.
18.00 kommen wir zu einem Grabensystem. Der Russe hat sich in dem Dorf vor uns wieder festgesetzt. Wir ziehen in den Graben ein. Wir schlafen in einem überdachten Stück auf Stroh. Es ist verflucht kalt.
01.00 kommen endlich die heiss-
ersehnten Feldküchen. Eine tadellose Linsensuppe.
Samstag, der 4.10.1941
Heute bleiben wir noch. Es kommt Post. 13 Päckchen, 1 Zeitung, 2 Briefe alles von Mutter! Das ist eine Freude. Langweiliger Tag im Graben. Der Russe schießt in regelmäßigem Abstand mit Ari und Granatwerfer.
Sonntag, der 5.10.41
Noch ein Tag im Graben. Bei einer Saukälte. 10.00 Panzer von vorn!! Eine Aufregung! Sie kommen auf uns zu, biegen dann aber nach rechts zu den 17.vorn ab. 80 Ausfälle haben die. 2 Paks gehn zu Deufel. 2 Panzer verlieren die Russen.
13.00 Stukas kommen. Ein tolles Schauspiel. Sie funken den Russen in die Bereitstellung. Über 40 Panzer liegen später herum.
Noch langweiligerer Tag!
Montag, den 6.10.1941
Und noch ein Tag im Graben.
10.00 dürfen wir in das Dorf vor uns zum Waschen. Tappen, Wolfgang, Kurths und ich hauen ab. Es ist verflucht kalt. Es
Ich arbeite bis 10.00 an einem Unterstand für die Geräte.
Dann zum Waschen in das Dorf vor uns. Zuerst ein Frühstück: Brot,
mit Honig und Milch. Dann auf zum „Organisieren“. Wir finden zufällig 8 gerupfte und ausgenommene Hühner. Lassen sie uns braten. Pro Mann 2 Stück –
Am Abend kommen die Decken. Diese Nacht gut geschlafen, trotz „Betrieb“.
Dienstag, den 7.10.1941
Alarm: 5.00. Fertigmachen! Nach 1 Std. Abmarsch ins vor uns liegende Dorf. Wir machen Betrieb auf dem Kmp. Gef. Std. der 10. Honig in rauhen Mengen! 12.00 rücken wir in die Bereitstellung. Granatwerfer-, Schrappnell- und Aribeschuss.
Angriffsbeginn 14.00. Sofort erhalten wir gut gezieltes Schrappnellfeuer, später M-G.feuer aus dem Zieldorf. Schüsse pfiffen uns nur so um die Ohren. Wir nehmen das Dorf und gehen im Osten davon Stellung ein. Eine trotz Massen von Stroh, sehr kalte Nacht.
Mittwoch, der 8.10.1941
07.00 Antreten. Stukas unterstützen uns. Gegen 11.00 erreichen wir nach anstrengendem Marsch mit dem Gerät, ohne feindlichen Widerstand die Straße Roslawl-Briansk. 14.00 weiter nach N-O. Am Abend erreichen wir die Desna. In einem Dorf beziehen wir Quartier, Honig, und Post: 2 P. von T. Uta, zwei von Mutter!
Donnerstag, den 9.10.1941
Marsch! Richtung Brjanks. 40 km machen uns nach den Anstrengungen der letzten Tage vollkommen fertig. In einem Dorf vor einer der Vorstädte Brjansks machen wir Quartier. Ich mache noch mit Elisan eine tolle Tour auf dem Krad zum I-Ho. Es gab Post.
Freitag, den 10.10.1941
Vom Quartier aus ein 15 km Marsch mit freigemachtem Gerät in die Bereitstellung. Es liegt hoch Schnee und schneit noch immer fort. Wir kämmen eine Vorstadt von Brjansk durch. Siedlungsviertel, verwahrlost, Elend. Später wird es besser. Wir beziehen in einem Privathaus Quartier. Gegen 4.00 Granatwerfer-[?] und Gewehrfeuer! Alarm! Wird niedergekämpft. Aber die ganze Nacht beschießt uns der Granatwerfer regelmäßig 3 Schüsse pro ½ Std.
Sonnabend, den 11.10.1941
Ein 35 km Marsch. Die letzten 15 km nehmen wir mit einer parallel marschierenden Gruppe Funkverbindung auf. Das strengt verdammt an. Quartier mit den Meldern zusammen in einer Schule.
Sonntag, den 12.10.1941
Ruhetag im Quartier. Angenehmer Dienst. Post!
Montag, den 13.10.1941
Wir marschieren nun 6.00 ab. 10.00 machen wir in einem Dorf halt. 3 Std. Rast, bis der Befehl zum Weitermarsch kommt. 15.45 ab. Sehr schlechte Wegstrecke. Die Wagen bleiben stecken, immer Schiebekommando, dabei regnet es und ist verflucht kalt. Gegen 10.00 trudeln wir vollkommen groggy im Quartier ein. Es war ein Versammlungsraum.
Dienstag, den 14.10.1941
Ruhetag! Sacheninstandsetzen, Körperpflege. Neue Tuchhose! Es schneit stark!
Mittwoch, den 15.10.1941
Abmarsch 05.00. Die Straßen sind glatt. Die Pferde müssen geführt werden. Wir kommen in ein größeres Dorf. Scharen von Gefangenen. Wir schlafen in einem Verteilerladen, zwischen Theken. Durch die zerbrochenen Fenster zieht es wie toll. Draußen Tauwetter und Regen. Guter Tee mit Rum!
Donnerstag, den 16.10.1941
Marsch über schlechteste Matschwege. Andauerndes Schiebekommando. 16.00 beziehen wir Quartier im Schulraum eines kleinen Dorfes.
Freitags, den 17.10.1941
„Ruhetag“! = Waffen-, Stiefel-, Gesundheitsapell. Fahrzeugreinigen. Die Verpflegung wird knapp.
Sonnabend, den 18.10.1941
Noch ein „Ruhe“tag! Gerätereinigen, Wache, V-Troß kommt ohne Brot und ohne Post. Alles ist geknickt.
Am Abend das Teater mit dem steckengebliebenen L.K.W. 19.00 Abmarsch zum Bergen. 10 km. Ich breche ein ins Wasser. Mit dem herausgezogenen L.K.W. eine tolle Tour ohne Licht zum Quartier. Ankunft 24.00.
Sonntag, den 19.10.1941
Abmarsch 7.00. Schlamm, Schlamm! Immer Schiebekommando. Toller Waldweg. 16.00 Ankunft in einem großen Dorf. Tadelloses Quartier in einem Siedlungshaus der Glasfabrik. Einmal gründlich gewaschen.
Montag, den 20.10.1941
„Ruhe“tag! Fahrzeugreinigen, Stiefelappell, dann Ruhe.
Dienstag, am 21.10.1941
Marsch zurück! 12 km. Ganz schlechter Weg, Tornisterfahrzeug bleibt stecken. Gegen Mittag im Ort. Quartier: Schule! Honig! Zu 6 Mann hauen wir los zum holen. Major, Krach, Gelorull Antreten. Alle 10 Tage! Peng! Später auf 3 Tage heruntergesetzt.
Diesen Tag werde ich nie vergessen. Jetzt hasse ich alles Preußische!!!
Mittwoch, am 22.10.1941
Erster Marschtag mit Straftornister bei der 11. Besser als mit der Staffel. Tornister schön leicht. Kommen als erste im Quartier an. Beziehen eine Steinschule. Ich schlafe bei den Meldern, habe dadurch endlich einmal Ruhe. Des Nachts pinkle ich mir 2 x in die Hose, so erkältet sind in diesem Sauwetter die Organe.
Donnerstag, am 23.10.1941
Früh schon Aufbruch. Mit der 9. Diesmal Schiebekommando. Fortwährendes Steckenbleiben: Bis 13.00 4 km!!
Kein Essen! Kein Brot mehr! Von Mittag an mit dem Stab weiter. Genau das-
selbe. Erst um 23 haben wir die 14 km geschafft und kommen müde und nass-verfroren im Quartier an. Privatquartier in einem reichen Dorf. Kein Essen. Wir lassen uns Pellkartoffel machen. Dazu etwas Milch! 1.00 endlich Schlaf.
Freitag, den 24.10.1941
Marsch mit Tornister und Schiebekommando über schlechteste Wege. 13.00 komme ich müde im Quartier an. Wieder kein Essen. Stattdessen Funktrupp 2 ab zum Meldekopf I-Ho. Noch einmal 6 km mit dem I. Wir bekommen ein Haus und machen einen mauen Betrieb.
Der Staat wird mit Erfolg um 1 Tagesportion Verpflegung beschissen.
Samstag, den 25.10.1941
Mit dem I.-Ho weiter. 8 km bis zum nächsten Dorf. Dort verpflegt. I.-Ho zieht weiter. Wir bleiben in einem Haus. Alles spricht fast hier deutsch. Die Leute sind freundlich. Wir essen „Kulebäuschen“. 15.00 kommen die unseren an. Quartiermachen. Wir kommen zu 3 Mann in ein Bauernhaus. Wieder den Staat um 1 Tagesportion beschissen.
Sonntag, den 26.10.1941
Abmarsch 07.00. Nur 12 km. Schlechter Weg. Bei der Ankunft: Gerät frei!
9. (Kein Essen) Erst die Russen)
Ab zur 12. Der Chef 12. schickt uns jedoch sofort wieder zurück. Entfernung zu gering.
Der Stab wohnt in einem Krankenhaus.
Montag, den 27.10.1941
Abmarsch 7.00. Richtung Bjelew. 14.30 Ort erreicht. Quartier mit 12 Mann in Privathaus.
Dienstag, den 28.10.1941
Wir bleiben 7 Tage hier! Verpflegungskommando fährt vor zum Lager nimmt Post mit. Ruhiger Dienst. Nachmittags Leitungsbau, 2 x Wache.
Mittwoch, den 28.10.1941
½ 7.00 Wecken. Einrichten der Quartiere – Gerätereinigen.
Ab 13.00 Wache, stehender Posten.
In der Nacht nur Kummer mit [?]
Donnerstag, den 29.10.
Noch immer Wache bis 13.00. In der „freien Zeit“ Beziehen des Wachlokals und kehren.
Von der Wache muss ich sofort, natürlich erst nach einem anständigen Essen, zur Vermittlung auf die Ortskommandantur. Zur Einrichtung des Raumes erst mal einen Stuhl und Lampe requiriert. Ich sehe das erst nette und anständig gekleidete
Mädel. Muss aber weiter!
Von 18.00-0.00 hat Gange Dienst. Dann ich bis 6.00. Kein Anruf.
2 Briefe, an Mutter und Vater, mit je 6 Seiten. Bis Mittag dann am Tagebuch geschrieben.
Freitag, den 30.10.1941
Ein „freier“ Tag. Morgens 6.00 Wecken. Von 8-12.00 Wasser geholt mit einem Gefangenen. Da war dann auch die Sache mit dem Gewehr, wo der Oberleutnant an meinem Platz in unserem Quartier ein Gewehr fand, das jeder Beschreibung spottete, so verdreckt. Und das Tollste: Es war nicht meines, bestimmt nicht! Nachmittags war um 16.00 noch Apell in Mantel und Hose. Klappte!
Am Abend dann noch mit Tappen auf dem Quartier gequasselt.
Sonntag, den 2.11.1941
Fahrzeugreinigen!! Mein lieber Mann! Zum Verrücktwerden!! Ab 13.00 Wache.
Es steht nun fest, dass wir am 7. abhauen werden. Man redet immer von Tula. Na, mir soll’s recht sein! Ich habe in jedem Fall die Nase voll.
Donnerstag, den 6.11.1941
Wieder auf Wache! Man bemüht sich mit Erfolg die Freizeit ganz flach fallen zu lassen.
Morgen geht’s weiter; Ziel: Tula, die Stadt mit dem romantischen Wagen.
Donnerstag, den 20.11.1941
14 Tage! Eine neue Station auf unserem Kreuzweg durch Russland: Tula! Davor 10 Tage Marsch! Ein ruhiger Tag in Odojew an der Upa. Bis Odojew Marsch im Matsch! 2 Tage. In schwierigem Gelände bergauf, bergab. Pferdeführen Schubkommandos. Morgens glatt gefroren taute Mittags die Sonne die Wege zu Sümpfen auf. Es war schööön!!
Odojew! Russischer Winter! Hoher Schnee! Der Marsch geht weiter! Täglich sinken die Temperaturen. 8°-, 10°-, und endlich 25°-.
Die Kälte schneidet. Die Füsse erstarren, die Hände, die Nase scheint einfrieren zu wollen. Wir marschieren nicht mehr geschlossen. Alles drückt sich in den Windschatten der Fahrzeuge. Dazu keine Winterbekleidung. Ich habe ein paar anständige Schafsfellhandschuhe. Meine Badehose benutze ich als Kopfschützer. Nicht schön aber warm. Die Strassen sind Eisbahnen. Wir rutschen, die Pferde
schlittern, die Wagen gleiten aus. Dann Gewaltmärsche. 25, 30 km. Am Abend schmerzen die Waden, die Oberschenkel. Der Schnee dringt durch die Stiefel. Immer nasse, kalte Füsse. Unser Marsch beginnt morgens 6.00 mit dem Hellwerden. Oft sind wir am Abend, in der Nacht noch auf Trab. Dann marschieren wir allerdings nicht mehr. Dann bewegen wir uns vorwärts, indem wir fallen. Wir stolpern durch die ausgefahrenen Spuren, rutschen auf dem Glatteis, bleiben im Schnee stecken.
Der 14. Ein Ruhetag! Ein wirklicher! Waschen. Flicken. Neue gebrauchte Stiefel. Wisst ihr schon: Morgen vielleicht noch mal Ruhe! Na, Gottseidank!!
Wir, das heisst mein Trupp, haben Funk zum Regiment.
17.45
Funkspruch: „- Btl. marschbereit zum sofortigen Abmarsch!! – Peng! Das ist die Bombe! Die hat eingeschlagen! Ernst August ist platt, nervös. Der Alte rennt. Alles läuft umher!
2. Spruch:
- Wann Btl. abmarschbereit? –
3. Spruch:
- Kommandeur zum Rgt. voraus. Btl. in Marsch setzen zum Rgt.-Gefechtsstand –
19.30
Btl. marschiert!
10 km zum Rgt. Eine tolle Kälte!
Vor dem Dorf (natürlich, warum auch im Dorf?!) Rast. Wohin nun? Tula? Alexin? Einsatz??
Wir frieren! 30 min. 1 Std.! –
Ja, wir werden eingesetzt!! Sollen 12 ablösen.
8 km sollen es sein! Sollen!!
Marsch in der Nacht!
Keiner kennt den Weg!
Rollbahn!
Fahl beleuchtet der Mond den Schnee. Dunkel und drohend recken sich die russischen Wälder zum Himmel!
Magische Wälder!
Endloses dahintappen durch den Schnee!
Stur hinter dem Wagen!
Fluchen!!
Bin ich müde!
Ich döse im Gehen, die Augen fallen mir zu. Verdammte Scheisse! Schon wieder im Schnee! Weiter! Weiter!!
Was 8 km!?
10 km!
15 km!!
Sind wir nun bald da?!!
[...! ....!] Ein Dorf!!!
Wir halten! 4.00
Was nun!
Müde und verfroren!!
Die Augen fallen mir zu. Die Knie sacken ein – dann fahre ich wieder auf, laufe an den Wagen vorbei.
Die 12er marschieren vorbei.
Solange müssen wir warten.
Kurz vor 6.00: Fertigmachen!! Abmarsch ohne Tross!
10 km durch Wald.
Ein Dorf!
Quartier!
Feuer!
Hinlegen und pennen!!
Am 15. Morgens 6.00. Alarm!!!
Der Russe im Dorf!
Funktrupp zur 11.!
Bunker, dann Haus!
Über die Strassen flitzen die Kugeln.
Gegen Mittag wieder Ruhe, der Russe ist aus dem Dorf.
18.00: Roos zurück zum Btl. Z.B.V. bei der Staffel! –
Nachtwache!!
16.11. Morgens 6.00
Alarm!!!
Russe im Dorf!
Im Kmp.Gef.Std. der 12. sitzt der Russe. Die Kugel pfeifen wieder.
Störungen bei der 11. 2 x hin.
Granatwerfer krachen, um uns.
Gegen mittag wieder Ruhe.
Regt.-Leitung gestört.
Lachlmeyer und ich ziehen los. Wir lassen uns Zeit. Essen unterwegs Bratkartoffel. Leitung i. O. Zurück! Ich ziehe auf die Vermittlung!
Gottseidank aus der engen, qualmigen Funkerbude raus!!
Am 17.
5.00! Wecken!
Na, diesmal kann uns aber keener überraschen. Denkste!!
6.00. Die Überraschung.
- Leises Donnern -
Anschwellendes Zischen – Pfeifen
- Kopf runter!!!
- Rrr- bumm, wumm ....
- 10 x!!
Volle Deckung!!
Verdammte Scheisse!!
Wat war dat??
Leises Donnern – Zischen – Wumm!!
Noch mal!
Runter an die Wand!
das war ziemlich nahe!
Ein Do-Gerät?!
Kommt noch was?
Warten –
Nein, aus!!
Wir gehen vor das Haus.
200 m vor uns im Grund die Einschläge!
Bei der 10. brennt’s!
Das Revier in Flammen!
Ja, es war ein Werfer, ähnlich unserem Do-Gerät.
30 cm tiefe Einschläge.
10 Schuss in einer Folge.
Beim Einschlag verspritzen sie brennendes Oel. Splitterwirkung verhältnismässig gering.
Reichweite 200/40
Am 18.
6.00.
2 x krachen die 10 Schütze der „Atzkomachiena“ oder „Maria Iwaniowa“ wie die Russen dies komische Instrument nennen wieder ins Dorf.
Btl.Gef.Std. brennt.
Kommandeurwohnung leicht lädiert.
Damit waren dann aber auch die Überraschungsmittel der Russen erschöpft.
Es blieb ruhig.
Nur ein paar Leitungsstörungen scheuchten uns auf.
Lesen. Essen. 2 Hämmel geschlachtet. Pilze, viel Kartoffel.
Post kam.
Heute nachmittag erhielten wir mal wieder starken Granatwerferbeschuss.
Nur wenige Meter vor unserem Wigwam krachten die Biester ein. Wir mussten mal wieder eine Mücke machen.
Ein paar Splitter sausten gegen die Wände, leider aber auch durch die Fenster.
Ja, und morgen soll’s für ein paar Tage zurückgehen. In Ruhe! Begeistert ist trotz allem keiner davon –
Mittwoch, am 10.12.1941
Wir kamen in Ruhe. Die Quartiere waren Scheisse. Nach 3 Tagen ging’s wieder nach vorn zur Ablösung der 12. in Stupino. Wir übernahmen das Leitungsnetz. 2 ruhige Tage in Stupino auf der Vermittlung. Dann ziehen wir weiter, 4 km bis vor Lukino. 1 Tag mache ich Zwischenvermittlung und komme dann nach vorn. Angriff! Der ganze Tag. Ergebnis: Machino ist in unserer Hand.
Der 30.12. unser schwarzer Tag!
Angriff der Russen mit Panzerunter-
stützung. Das ganze Btl. re[nnt?] aus.
aus Malachino. Ausrüstung, M-G’s, Paks alles blieb zurück. Am anderen Tag gehen wir wieder in Durowna zur Ruhe über.
Die Quartiere sind diesmal besser.
Dienst: keiner!
Der 4.12.41.
12.00 Alarm! Für 16.00 marschbereit.
16.00 stehen wir. Bis 18.00. Es herrscht eine grauenhafte Kälte. -34°!!
18.00 geht’s los. Nach vorne. Angriff!
24.00 kommen wir in der Stellung, die etwa 4 km vor Popowka liegt an. In einem Bunker wärmt sich der ganze Stab.
02.00 Die Kmp. gehen vor. Wir zu 4 Mann bauen Leitung nach vorn, kommen aber garnicht mit. Wir gehen also zurück zur Vermittlung. Die haut gerade ab nach vorn. Gut, wärmen wir uns also etwas. Als dann das II. ankommt hauen wir ab. Auf dem Weg nach vorn, überholt uns eine Kmp. des II, die geöffnet vorgeht. Wir hinterdrein!
Silvester 1941
Am letzten Abend des Jahres!
Was hat mir nun das Jahr 1941 gebracht?
Als Student, als ein sich verliebt glaubender, trat ich ins neue Jahr ein. Zankte mich gleich einmal mit Vater, warum? Ja, ich muss sagen, ich weiss es heute nicht mehr. Hals über Kopf sauste ich ab nach Hannover, warum, um erstens zu „meiner“ Lolo zu kommen. 2. um meine Vorprüfung möglichst schnell zu Ende zu führen. Mit No. 1 hatte ich nun Pech. Lolo, der Engel, hatte sich leider schon eine „andere Feldpostnummer“ angeschafft. Ich kam mir vor wie ein Werther. Allerdings verübte ich keinen Selbstmord, sondern arbeitete nun versessen, Nächte hindurch. Man wunderte sich über mich. Dann kam plötzlich die Reaktion: ich sah ein, das es mir in 2 Semester nicht glücken könnte, was andere in 3-5 machen und ausserdem war es gewiss, dass ich in den nächsten Wochen mit meiner Einberufung zu rechnen hatte. So fuhr ich Anfang Februar ab nach Hause, nicht ohne vorher noch eine Abschiedsvorstellung bei Charlotte gemacht zu haben. Jener Abend, er war so tragikomisch, ich werde ihn nie vergessen.
Ich kam nach Hause. Es war, wie es immer zu Hause ist, und wie es nur zu Hause ist.
Ich bekam von Vater einen Gestellungsbefehl zum Kanal. Ich verschob die Abreise zu ihm, da ich mit meiner Einberufung erst Ende März rechnete. Ich verpasste die letzte Gelegenheit.
Am 15. wurde ich eingezogen! Schöne Tage in Braunschweig, in Bergen, Garbatka, Witulin und Janow – dann kam Russland. –
Russland, ein grosses Erlebnis.
Anstrengungen, Strapazen, Mühen, Bekanntschaft mit fremdem Land mit fremden Mensch – und Bekanntschaft mit dem Tod. Die Märsche, die Strapazen, es war für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich sie aushielt, ich hätte es für eine grosse Schande gehalten, schlapp zu machen. Und im Kampf. Selten habe ich Angst gehabt und wenn, dann hatte ich keine Mühe, drüber hinweg zu kommen. Und eines kann ich heute sagen, nämlich, dass ich in diesem Jahre gesehen habe, dass ich etwas leisten kann, wenn ich will und, dass ich Ehre im Leib habe, und ich habe gemerkt, dass mir nichts widerlicher ist, als vor anderen Leuten stramm zu stehn und Männchen zu machen. Das hat mir die meiste Mühe gemacht. Ich will nicht herrschen, ich will nicht dienen, aber frei, will ich sein!!! Das heisst mir allein gehorchen und mich allein beherrschen!
Ich habe aber auch niemals im Leben Mutter, Vater und Bruder lieber gehabt, als in diesem Jahr. Was Mutter und Vater bedeuten, habe ich erst jetzt richtig erkannt und das tut mir leid. Mein Bruder, ja ihn habe ich immer gern gehabt, ja, wenn ich nachdenke, sogar immer heimlich angehimmelt. Warum? Ich weiss es nicht. Als Lolo mich nach diesem Grund fragte, habe ich gesagt: „Ich glaube, dass Günther die 2. und verbesserte Auflage von mir ist, und er scheint mir immer wie ein Idol von mir.
Und was ist mit „meinem“ Gott? Ich habe alles hinter mir gelassen. An den „katholischen“ Gott kann ich nicht glauben. Ich habe aber auch all das, was ich früher mir zusammengedacht habe, über Bord geschmissen. Dieser Gott war für den Kampf zu kompliziert. Ich glaube an Gott, nicht an den jüdischen, nicht an den christlichen, an Gott! Gott hat mich in die Welt gestellt, damit ich meine Pflicht tue. Das will ich! Ich glaube an ein Jenseits, ohne mir Gedanken zu machen, wie es aussieht. Und ich bin fest überzeugt, dass ich mit dieser Facon selig werde!!
Und wenn ich so auf das alte Jahr zurücksehe, dann weiss ich, dass es ein sehr hartes Jahr war, aber dass es auch das Gute hatte, dass ich mich und die Dinge um mich
einmal richtig sah und richtig beurteilen konnte.
In das kommende Jahr trete ich mit dem Bewusstsein, dass es noch härter sein wird als das letzte, aber ich will durchhalten!!!
1942.