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Tagebuch Helmut Stuckert (September 1944 - Dezember 1945)

Vorbemerkung: Nach seiner Rückkehr aus der KLV im September 1944 führte Helmut Stuckert bis zum Wiederbeginn des Schulunterrichts am 3. Dezember 1945 weiterhin Tagebuch über seine Erlebnisse in Köln und in Hamburg. Leider haben sich weder Original noch Reproduktionen bzw. Kopien dieser interessanten Aufzeichnungen erhalten. Im Jahr 1999 wurden im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln jedoch die im Folgenden einsehbaren textidentische Transkripte angefertigt.

 

 

 

1944

Ab jetzt nur noch Wochen- bzw. Monatsberichte. Nur besondere Tage extra!

Alle Jungen der Jahrgänge 26 bis 30 müssen am Westwall schanzen. In Köln laufen andauernd HJ-Streifen herum, die diejenigen abschnappen, die vom Westwall laufen gegangen sind. - Wir schlafen jetzt in Berg. Gladbach. Jeden Morgen und Abend müssen wir mit der Bahn von und nach Köln fahren. - Das Wetter ist dem Herbst entsprechend.

 

29.9.44

Morgens fahre ich mit dem Rad nach Bayenthal. Plötzlich kommt Voralarm und kurz darauf ist auch schon Großalarm. Die Flak belfert in die Luft. Ich fahre so schnell wie möglich in den nächsten LSR. Währenddessen ereignet sich folgendes: Der Amerikaner wirft den ganzen Ring rauf, vom Barbarossaplatz bis zum Opernhaus einen Bombenteppich. Eine Bombe fegt genau vor unser Haus. Der vordere Kokskeller wird verschüttet.

[In Tagebuch eingeklebter Zeitungsartikel:]

„Mustergültige Haltung der Kölner bei dem nordamerikanischen Angriff am Mittwoch!

Das Reichspropagandaamt Köln-Aachen teilt mit: Die Hansestadt Köln war in den Vormittagsstunden des Mittwochs, 27. September, das Ziel eines schweren nordamerikanischen Terrorangriffes. Die Bomben fielen hauptsächlich in dichtbebaute Wohnviertel. Die Zahl der Gefallenen beträgt bis Donnerstag 174. Außer Wohnhäusern wurden Krankenanstalten, Kirchen, ein Altersheim und andere öffentliche Gebäude getroffen.

Die Kölner Bevölkerung bewies auch bei diesem neuen schweren Terrorangriff, wie sooft schon in den Jahren des feindlichen Luftterrors, eine in gegenseitiger Hilfsbereitschaft wetteifernde mustergültige Haltung."

[Hierzu notierte Helmut Stuckert unter der aus der Zeitung ausgeschnittenen Todesanzeige in sein Tagebuch:]

Mein Freund und Lagerkamerad Franz-Josef Roettgen fand beim Angriff am 27. September den Tod durch Erstickung!

 

[Oktober 1944]

Wir haben jetzt eine neue Wohnung bekommen. Aachener Str. 407 in Braunsfeld. Sehr schöne Wohnung mit Badezimmer.

 

14.10.44 - Bergisch-Gladbach

5.30 Uhr. Ich werde durch Bombeneinschläge geweckt. Suche meine Sachen und gehe in den Keller. Dann folgt eine Bombe der anderen. Es ist noch nicht einmal Alarm gegeben worden. Der Drahtfunk hatte noch Musik. Die Überraschung ist den Schweinehunden tadellos gelungen. Wir versuchen, morgens nach Köln zu kommen, was uns durch 2 folgende schwere Angriffe unmöglich gemacht wird. Wir kommen dann endlich gegen 14.30 Uhr mit einem Lastwagen bis Mülheim und mit einem anderen bis zur Uni. Unser Haus auf der Aachener Str. und auf dem Habsburgerring steht noch.-

In Deutz, Kalk und Mülheim sieht es ganz toll aus. Die Mülheimer Brücke liegt mit einem Teil im Wasser. Auch in Köln selbst haben die Schweine wieder ordentlich gehaust. Meistens immer Bombenteppiche geworfen.

Wir haben unsere Betten schon in der neuen Wohnung. Durch den heutigen Angriff haben wir kein Wasser, Gas und Licht. Die Alarme dauern an. Man hat keine Ruhe mehr.

 

15.10.44

Wir kommen von Braunsfeld zu Fuß nach Köln, um noch was aus der Wohnung am Habsburgerring zu holen, als wir nur noch ein brennendes Haus vorfinden. Wir sind sehr niedergeschlagen, denn wir haben nun außer den Betten und einigen anderen Sachen gar nichts mehr. Nun sind wir zum zweiten Mal total ausgebrannt. Ein Glück, daß wir die Wohnung in der Aachener Str. noch haben.

In den nächsten Tagen werden wir, während wir in der Aachener Str. schlafen, sehr oft durch Bombeneinschläge geweckt. Eines morgens sind wir, durch eine Bombe geweckt, noch im Flur, als eine Luftmine runterorgelt! Sie ist in nächster Nähe gefallen.

Wir müssen nun schon halbangezogen schlafen, weil keine Sirene geht und man gar nicht schnell genug unten ist.

Am 18.10. morgens findet ein schwerer Terrorangriff auf die Stadt Bonn statt, wobei 16 Krankenhäuser (!!!) den Bomben zum Opfer fallen (schrieb die Presse!). Noch immer kein Licht, Gas und Wasser. Jeden Tag Alarm. Nachts sind die Alarme seltener.

 

Gegen Ende Oktober, wir haben seit dem 22.10. wieder Licht, folgt ein Bombardement dem anderen, hauptsächlich tagsüber.

 

28.10.44

Wieder ein wahnsinniger Terrorangriff auf Köln. Wir haben wieder einige Scheiben kaputt.

 

29.10.44

Eine Pressenotiz vom 29.10.44:

„Wieder Terrorangriff auf Köln
Wiederum Krankenhäuser und Kirchen vernichtet
Schwere Schäden in Wohnvierteln

KN Köln, 29. Okt. Das Reichspropagandaamt Köln-Aachen teilt amtlich mit: Am Samstag, dem 28. Oktober war die Gauhauptstadt in den Nachmittags- und in den Abendstunden wiederum Ziel schwerer anglo-amerikanischer Terrorangriffe. Eine große Anzahl von Luftminen, Spreng- und Brandbomben wurden auf das Stadtgebiet Kölns beiderseits des Rheines und die nähere Umgebung abgeworfen. Schwere Schäden und große Brände in Wohnvierteln kennzeichneten auch diesmal den reinen Terrorcharakter des Angriffs. Eine Reihe von Krankenhäusern, Kirchen und öffentlichen Gebäuden sind dem brutalen Vernichtungswillen anglo-amerikanischer Gangster wiederum zum Opfer gefallen. Bisher wurden über 200 Tote festgestellt, deren Zahl sich noch erheblich erhöhen wird. Haß und Empörung der Kölner Bevölkerung gegen diese jeder Menschlichkeit hohnsprechende mörderische Kriegsführung sind nicht mehr zu übertreffen.“

 

30.10.44

Kurz nach 21.00 Uhr kommt Großalarm für uns. Wir hören dann auch bald vom Keller aus die engl.-amerikanischen Maschinen.

DANN SETZT KURZ VOR 22 UHR EIN GANZ FURCHTBARES UND EIN VOLLKOMMEN UNBESCHREIBLICHES BOMBARDEMENT AUF UNS UND UNSERE UMGEBUNG EIN.

VIERZIG MINUTEN PRASSELN DIE SCHWEREN SPRENG- UND BRANDBOMBEN AUF UNSERE STRAßEN UND HÄUSER!!!

Niemand von uns und unseren Hausbewohnern hätte noch an eine Rettung gedacht.

Wir haben uns alle in die Ecken usw. geduckt. Der Boden des Luftschutzkellers und die Säule hoben sich und zitterten ganz furchtbar. Die Wand zum Gang des Kellers wurde eingedrückt. Vor Staub und Dreck konnten wir nichts mehr sehen. Das Licht ging gleich zu Anfang weg. Die Kehle war vollständig mit Staub besetzt, trotz der vorgehaltenen nassen Tücher. Um 22.40 Uhr hört das Bombardement endlich auf. Wir können es noch gar nicht fassen, daß wir noch unter den Lebenden weilen. Nach einer viertel Stunde wagen wir den Aufstieg zur Straße.

Unser Haus steht noch, wie durch ein Wunder. Als wir vor die Haustüre (letztere lag einige Meter neben dem Eingang) treten, kennen wir nichts mehr wieder. Die ganze Straße ist mit Dreck und Mörtel übersät. Alle Häuserblöcke, die bisher noch mehr oder weniger demoliert standen, stehen ohne Ausnahme in hellen Flammen. Unser Nebenhaus Nr. 409 ist durch einen Volltreffer zerstört und brennt. Unser Nebenhaus Nr. 405 liegt ebenfalls durch Volltreffer am Boden. Die Bombe hat auch einen Teil unseres Hauses mitgerissen. In Nr. 403 hat eine auf die Straße gefallene Bombe den Keller eingedrückt. Dort sind mehrer Tote.

Der Souterrain unseres Hauses ist noch einigermaßen in Stand. Auf Parterre brennt eine Wohnung aus. Vor unserem Haus liegt eine umgestürzte Straßenbahn in hellen Flammen. Die Aachener Straße ist ein Feuermeer. Ein Bombentrichter liegt am anderen. Jeden Meter liegt eine teilweise abgebrannte Brandbombe.

Die Hausbewohner verbringen die Nacht im Keller. Ich lösche dann mit einem Herrn und einem Mädel aus unserem Haus noch 3 neuaufkommende Brände. Tante Paula`s Lehnstuhl hat auch Feuer gefangen und brennt. Wir werfen ihn auf die Straße.

In unserer Wohnung sieht es furchtbar aus. Keine Zwischenwand steht mehr. Die zwei letzten Räume liegen auf dem Nebenhaus, sie sind durch den Volltreffer abgerissen worden. Die Betten sind Kleinholz geworden. Die Matratzen kann ich noch retten. Einige Nahrungsmittel sind ebenfalls noch vorhanden, wenn auch total verdreckt.

Von unserem Balkon aus sehen wir, daß nur 5-6 Meter entfernt ein Doppeltrichter sich am Haus befindet. Der ganze Garten ist umgepflügt. Wir können auch sehen, daß Lindenthal und Ehrenfeld vollständig brennen. Das Krankenhaus und das Kloster in unserer Nähe stehen auch nicht mehr.

Wasser fehlt, wir müssen es weit her holen, um 'was Kaffee zu kochen.

Ich schlafe im Keller einige Stunden auf den geretteten Matratzen. Ich bin todmüde und habe ordentlich Kopfschmerzen. Bei Tagesanbruch gehen wir noch einmal in die Wohnung über die verschütteten Treppen. Sie sind aus Stein und haben gehalten. Wir packen unsere Koffer bis oben hin voll, um dann unser einstmals so schönes Köln vielleicht für immer, oder doch für lange Zeit zu verlassen!

Herzlicher Abschied von den Hausbewohnern.-

Mit dem Lastwagen nach Mülheim. Dann mit dem Zug bis Opladen. Dort kommt Großalarm und wir müssen mit unserem vielen Gepäck in den Keller. Die Engländer unternahmen wieder einen schweren Angriff auf Köln und Leverkusen.

Gegen 21.40 Uhr fährt unser Zug nach Hannover ab. Dort landen wir glücklich morgens um 8.05 Uhr!! Wir erhalten dann bald Anschluß nach HAMBURG, wo wir um 13.10 Uhr eintreffen. Wir haben teilweise sitzen können. Der Zug war ziemlich überfüllt.

Wir sind sehr froh, daß Tante Ernas Haus noch steht. Wir werden sehr nett aufgenommen und können uns nun endlich mal ruhig setzen. Auch können wir uns nun von dem Dreck, der an uns haftet, befreien.

Meine Briefmarkensammlung habe ich gerettet, ebenfalls meine Fahrradbereifung, während ich mein Fahrrad in Köln lassen mußte. Meine gute Reiseschreibmaschine steht noch in Berg. Gladbach.-

Wie wir später erfahren haben, steht von Junkersdorf bis zum Opernhaus [am Rudolfplatz] kein ganzes Haus mehr. Der Friedhof Melaten ist von Bomben umgegraben worden! Die beiden Rheinbrücken (Hohenzollernbr. und Hängebr.) stehen noch, während die Mülheimer Brücke schon seit dem 14.10. zerstört ist.

Mit diesem furchtbaren, schrecklichen und auch größten Erlebnis schließe ich Köln ab. Hoffentlich nicht zu lange.

 

[November 1944]

In Hamburg stehen im Verhältnis zu Köln doch noch sehr viele schöne Häuser. Es sind natürlich auch sehr viele Trümmer da.

Wir haben hauptsächlich tagsüber Alarm. Nachts nur selten. Bei Großalarm gehen wir in einen Röhrenbunker, der direkt in unserer Nähe ist.

 

8.11.44

Es wird bekanntgegeben, daß "V 2" nach London schießt. Wir sind sehr enttäuscht, daß es nicht die versprochene Fliegervernichtungswaffe ist!!

 

10.11.44

Wir haben uns entschlossen, den schweren Gang nach Köln zu machen. Hoffentlich lohnt es sich.

Ab 17 Uhr fahren wir von Altona aus in Richtung Hannover. Nach schrecklicher Fahrt mit einigen Malen Umsteigen gelangen wir dann endlich nach Köln. Wir machen uns dann auf nach Berg.-Gladbach, wo wir sehr freundlich von F. aufgenommen wurden. Leider ist jedoch bei ihnen kein Platz mehr und wir finden unser Nachtlager dann bei anderen Leuten, Tante Paula und Mammi zusammen, während ich wieder woanders schlafe. Ein Leben! Aber besser, als im Bunker schlafen!

 

12. Nov. - 27. Nov. 1944

Wir fahren nun fast jeden Morgen mit Lastwagen usw. nach Köln. Wir schleppen noch Sachen aus unserer Wohnung nach Berg.-Gladbach, und müssen dabei noch mit den schweren Koffern von Braunsfeld bis zur Hängebrücke zu Fuß gehen. Durch Alarme werden wir oft gestört. Einfach saumäßiges Wetter. Dauernd Regen. Ich komme jedesmal mit nassen Füßen nach B.-Gladbach.

Eines Tages wir bekommen keinen Wagen mehr nach Berg.-Gladbach. Wir tippeln bis zum Mülheimer Bahnhof und bekommen auch dort keinen Zug mehr nach B.-Gladbach. Uns bleibt nichts anderes übrig in der Dunkelheit, als im Bunker in Mülheim zu schlafen! Nicht gerade das weichste Ruhelager, eine solche Holzbank! Jedenfalls morgens um 6 Uhr bekamen wir einen Zug und fallen in Berg.-Gladbach todmüde in "unsere" Betten.

Von meinem Fahrrad konnte ich noch den Dynamo retten, während mir das Hinterrad mit Freilauf, Satteltasche, Lampe und Gepäckträger gestohlen wurden. Letztere Sachen hat sich nachweisbar ein Mann aus unserem Haus angeeignet. Der "Herr Luftschutzwart", dessen Familie auch anderen Leuten des Hauses ca. 50 Gläser eingemachte Marmelade in 14 Tagen weggegessen hat, obwohl ihm nur einige Gläser vom Eigentümer bewilligt wurden! So was lebt und Schiller mußte sterben!

 

26.11.44 - Bergisch-Gladbach

Der widerliche Regen hat endlich mal aufgehört. Die Sonne scheint. Dabei dürfen die Flieger ja eigentlich nicht fehlen. Es dauert auch nicht lange: Großalarm! Gegen 15 Uhr hören wir dann plötzlich Bordwaffenfeuer in unserer Nähe. Wir begeben uns schnellstens in den Keller. Nach einiger Zeit nochmaliger Beschuß und leichte Bomben fallen. Wir sehen dann abends, daß die Tommies die Fabrik Berger beschossen und bombardiert und gut getroffen haben. Eine ganze Halle ist von leichten Bomben zerstört. Der Bahnhof wurde ebenfalls von Jabos (Jagdbomber) beschossen.

Am folgenden Tag geht es dann wieder ab nach Hamburg in der altgewohnten, langweiligen Reise. Nach 34 Stunden treffen wir am 28.Nov. wieder in HAMBURG ein.-

 

[Dezember 1944]

Ich habe nun in Hamburg wieder alle nötigen Foto-Dunkelkammersachen bekommen. Aber mit aller Mühe und Not. Ich bin glücklich, daß ich nun wieder kopieren kann.

In der Stadt gibt es nichts für Weihnachten zu kaufen. Ich laufe überall rum, kann aber nichts Gescheites kriegen.

 

31.12.44

Gegen 13 Uhr hatten wir Alarm, es fand ein Angriff auf Hamburg statt. Es fielen Bomben auf das Hafengebiet, Altona und H.-Harburg. Wir haben glücklicherweise keine Schäden, in unserer Nähe sind keine Bomben gefallen!

P R O S I T   N E U J A H R   1 9 4 5

Was wird uns dieses Jahr noch bringen ?

1945

[Januar 1945]

NEUE DEUTSCHE SAMMELAKTION IN SPINNSTOFFEN: "VOLKSOPFER"

Die Lebensmittelkarten müssen jetzt 1 Woche länger halten, anstatt 4 jetzt 5 Wochen. Jetzt nur noch 5 Pfd. Kartoffeln pro Person und Woche! 1/8 Liter Milch pro Person und Tag! Alles wird knapper!

An 2 Wochentagen gibt es von 7 - 19.00 Uhr kein Gas. Einen Tag von 7 - 17.00 Uhr kein Licht! Die Straßenbahnen fahren nur noch alle halbe Stunde. Eil- und D-Züge fahren schon lange nicht mehr.

MILITÄRISCH: 16 JÄHRIGER RITTERKREUZTRÄGER

Er schoß mit 10 Panzerfäusten 9 feindliche Panzer ab. An der Ostfront.

1.1.45

Alarm. Wir müssen in den Bunker. Wir haben in Raum 13 schon ein bestimmtes Plätzchen, wo wir immer hingehen. Für Hamburg keine Gefahr. Es hat ordentlich gefroren. Wir haben jetzt dauernd Alarm und müssen in den kalten Bunker.

Am 13.1. erhalte ich eine Einberufung zu einem Ausbildungslager. Wir werden durch Unteroffiziere der Wehrmacht für den VOLKSSTURM ausgebildet. Jetzt werde ich langsam Soldat!

Wir haben seit 15.1. wieder öfters Alarme, wobei auch Bomben fallen! Einige in unserer Nähe. Wir haben nur eine Scheibe kaputt.

Am 21.1. müssen wir um 15 Uhr "Hbg.21 Finkenau 30" sein.

21.1. - 27.1.45 1. Lehrgang BANNAUSBILDUNGSLAGER !

Am 21.1. werden wir eingekleidet und eingewiesen. Wir lernen in den nächsten Tagen die wichtigsten Infanteriewaffen kennen: Gewehr 98 K und 98/40, die MP-40 und das MG-42 ferner die Pistole 08 und Pistole 38, dann noch die Stielhandgranate 24 und die Eihandgranate 39 und die als Stiel- und als Eihandgranate verwendbare Handgranate 43 ! Dann zum Schluß noch die Panzerfaust 30 (m). Schießlehre usw. Wir werden von 4 Unteroffizieren ausgebildet. Der Lehrgang umfaßt 117 Mann. Uns werden fast jeden Tag Reden über die Kriegsfreiwilligkeit gehalten. Ich habe mich nicht gemeldet, will noch was warten.

Am 26.1. haben wir Scharfschießen mit dem Karabiner. Ich habe einen 98 K. Jeder hat 3 Schuß. Bedingung ist 24 Ringe, oder keiner unter 7. Ich habe ein gutes Schießergebnis. 30 Ringe. 1. Schuß: 12, 2. Schuß: 11, 3. Schuß: 7. Das beste Ergebnis des Lagers ist 34 Ringe. Anschließend schießen die Unteroffiziere mit dem MG-42 auf 25 m auf eine kleine Scheibe. Mit dem Karabiner schossen wir auf 100 m Entfernung auf Kopfscheibe.

Am 27.1. um 11 Uhr Entlassung aus dem Lager. Im großen und ganzen war es Mist!

 

[Februar 1945]

Wir erhalten die traurige Nachricht, daß Pappi`s neue Wohnung in Wiesbaden total ausgebrannt ist.

Am Sonntag, 11.2. muß ich um 8.30 Uhr nach Wandsbek in eine Kaserne zum meinem ersten VOLKSSTURMDIENST. Wir lernen nichts Neues. Um 13.00 Uhr haben wir frei. Abends um 21.00 Uhr muß ich mich am Hauptbahnhof im Wartesaal 3. Klasse melden. Wir müssen Flüchtlinge betreuen. Die ganze Nacht durch müssen wir ordentlich schleppen. Morgens um 8 Uhr wieder frei. Den folgenden halben Tag geschlafen!

18.2.45: 2. Volkssturmdienst

25.2.45: 3. Volkssturmdienst. Oft Alarm.

 

[März 1945]

DIE LEBENSMITTELKARTEN WEITER GEKÜRZT !

Pro Person sind uns 1000 g Brot, 125 g Fett und 250 g Nährmittel abgezogen worden. Trotzdem 5 Wochen damit auskommen! Starker Sturm! Viele Häuserruinen fallen zusammen. Es ist dadurch allerhand Unglück passiert.

STRAßEN- UND HOCHBAHNEINSCHRÄNKUNG !

In der Zeit von 10 - 14 Uhr fährt keine Bahn durch die Stadt! Alle nur bis zum Rand der Innenstadt!

ES DÜRFEN KEINE ELEKTRISCHEN HEIZGERÄTE UND DERGLEICHEN BENUTZT WERDEN !

Wir kommen mit den Lebensmittelrationen sehr schlecht aus !

4.3.45: 4. Volkssturmdienst ( im Regen ). Vor kurzem wurde das Gewehr 43 K, das sogen. Sturmgewehr für den Volkssturm eingeführt. Das Gewehr 43 K ist eine voll automatische Schnellfeuerwaffe. Das Magazin faßt 10 Schuß. Die Munition ist dieselbe des Karabiners. Kaliber 7,9 mm.

7.3.45: K Ö L N   G E F A L L E N

Am 7. März 1945 wurden die Trümmer des einstigen Kölns von den engl.-amerikanische Truppen erobert ! Sämtliche Rheinbrücken zerstört! Das gesamte linksrh. Gebiet in Händen der Alliierten ! Bei Andernach den Rhein überschritten! Wir können damit rechnen, daß jeden Abend um 20 Uhr Vollalarm ist und wir in den Bunker müssen. Diese Woche zwei Angriffe auf Hamburg. Wir haben G.s.Dank nichts abgekriegt. Wir kommen mit dem Brot kaum noch aus. Mit den Lebensmitteln ist alles ganz schwer Kappes!

11.3.45: 5.Volkssturmdienst (Heldengedenktag)

Wir haben gerade dienstfrei, da kommt Voralarm, kurz darauf auch Fliegeralarm. Wir gehen nun zu Fuß in Richtung nach Hause. Wir landen dann noch in Wandsbek in einem Bunker. Und dann folgt ein toller TERRORANGRIFF AUF HAMBURG. Der Tommy wirft wieder allerhand über uns ab. Es brennt in vielen Stadtteilen. Neben dem Bunker, in den wir immer gehen, ist ein Bombentrichter. Nicht weit von uns ist ein ganzer Bombenteppich runtergegangen. Wir haben keine Scheiben kaputt. Nachmittags noch etwas löschen geholfen. Wir haben kein Wasser.

12.3. - 14.3.1945: 2.Lehrgang BANNAUSBILDUNGSLAGER

9.00 Uhr Finkenau 30. Am ersten Tag nur Einweisung und Einkleidung. Am zweiten Tag Unterricht über MG, MP, Karabiner 98 K und Pistole 38. Scharfschießen. Ich schieße schlecht. Andere Scheiben, 23 Ringe. Wir werden angehalten, wir sollen uns kriegsfreiwillig melden. Die Jungen werden teilweise sogar beleidigt. Alle werden einzeln vorgenommen. Wir sollen uns zur Waffen-SS melden. Ich melde mich nicht. Mittwochabend werden wir entlassen. Wir waren hauptsächlich wegen der Kriegsfreiwilligkeit da.

Am 16.3. muß ich zur Stammrolle betr. Wehrpaß und RAD.

18.3.45: 6. Volkssturmdienst (wurde aber nichts draus durch den Alarm.)

Ich bekomme am 20.3. eine Aufforderung zur Musterung! [15 Jahre und 11 Monate alt] Am Montag, den 26.3. 7.00 Uhr früh. Ich bin schwer gespannt, was es da noch wieder gibt.

Am Dienstag 20.3. ist wieder ein Angriff auf Hamburg. Kein Wasser ! Bei uns ist noch alles in Ordnung. Keine Scheiben kaputt.

Am 22.3. gegen 4.30 Uhr morgens abermals ein Terrorangriff. Uns hat`s nicht getroffen, war viel weiter weg.

26.3.45: I. MUSTERUNG !

Ich fahre ziemlich früh mit dem Zug nach Rahlstedt. Um 7.00 Uhr muß ich dort sein. Voruntersuchung: Gewicht 55 kg. Größe 1.66 m, Augenprüfung, Seh- und Hörkraftprüfung. Zähne. Hauptuntersuchung: (im Adamskostüm) Ich bin 1 Jahr zurückgestellt von Wehrmacht und RAD. Ich bin ordentlich froh. Kann ich wenigstens noch 1 Jahr zur Schule gehen. Es sind nur sehr wenige "KV" [kriegsverwendungsfähig].

30.3.45: Karfreitag - Mein 16. Geburtstag.

Um die Mittagsstunden findet wieder ein Terrorangriff auf Hamburg statt. Es fallen viele Bomben. Besonders im Petroleumhafen. Dort brennt`s ganz fürchterlich. Auch im anderen Hafen. Im Schauspielhaus sehen wir Goethe`s FAUST I. Teil. Ich bin wirklich begeistert. Mir hat es sehr gut gefallen. Gott sei Dank ohne Alarm. Als wir nach Hause kommen, essen wir meinen Geburtstagskuchen. Alarm. Es fallen einige Bomben. Wir haben jetzt einige schwere Angriffe auf uns. Jeden Tag haben wir Alarm, oft sogar 2 mal. Das geht schon seit Nov. so. Man gewöhnt sich so langsam dran.

 

[April 1945]

DIE ERNÄHRUNGSLAGE HAMBURGS ist einfach katastrophal ! Es gibt nicht mehr die üblichen Lebensmittelkarten, sondern jetzt Punktkarten, wonach die Lebensmittel aufgerufen werden, die vorhanden sind!! Wenn nichts mehr da ist, müssen wir Gras essen ! Das gesamte Weißbrot wird uns abgezogen. Wir dürfen pro Tag und Kopf nur 3 Schnitten Brot essen!!! Alles andere wird aber auch knapper. Ich werde kaum noch satt. Schlimm genug. Die neuen Lebensmittelkarten sind bereits raus ! Es soll sofort alles im voraus für 2 Perioden (9 Wochen) gekauft werden, damit die Lager leer werden. Die Leute kaufen wie rasend. In kürzester Zeit sind alle Läden leer.

MILITÄRISCHES: Hannover und Celle in allierter Hand. Die Panzerspitze nur noch 90 km vor Hamburg.

Am 4. April sehe ich mit Mammi im Schauspielhaus den UFA Farbfilm "Kolberg". Er ist als Film sehr schön, jedoch ganz schwer Tendenz!

In der Nacht zum 5.4.45 werde ich um 3 Uhr aus dem Bett geholt. Alarmbefehl vom Volkssturm. In der Finkenau einige organisatorische Sachen, ein paar blöde Reden und der Probealarm ist vorbei. Ich kann wenigstens ab 5.30 Uhr noch schlafen. Wir liegen auch in höchster Bereitschaft!

8.4.45: 7. Volkssturmdienst

9.4.45: Beginn der Sonderausbildung als Panzerjagdkommando!

Ich wurde am Sonntag dazu bestimmt: Lehrgang bis auf unbestimmte Zeit. Es wird jetzt eine feste Kompanie aufgestellt. Ca. 250 Jungen. 6 Züge. Ich war zuerst im 3. Zug, jetzt bin ich als Feldscher im Zugtrupp. Unser Kompanieführer ist ein Luftwaffen-Leutnant. Ferner haben wir 1 Oberfeldwebel, 2 Feldwebel, 4 Unteroffiziere, 2 Obergefreite und einen Gefreiten als Ausbilder usw. Wir sind wieder im Bannausbildungslager Finkenau.

Am 13.4. gehen wir ins Gelände. Wir lernen tarnen, sprungweise vorarbeiten, Schützenreihe und -kette. Scharfschießen im Gelände. Ich erziele bei 3 Schüssen 2 glatte Kopfschüsse. (auf 100 m)

Am Abend des 13.4. Terrorangriff auf Hamburg. Die Bomben fallen ohne jeglichen Alarm. Wir flitzen im Unterzeug in den Keller. Bombe auf Bombe rauscht in unsere Nähe. Unsere Scheiben sind fast alle kaputt.

Am 14.4. habe ich Urlaub, um nach Dibbersen zu fahren. Wir schaffen es jedoch nicht. Wir rechnen jede Stunde mit Panzeralarm!! Ständige Gelände- und Waffenausbildung an allen Infanteriewaffen. Der Tommy rückt immer näher. Die Artillerie schießt bereits bis Harburg.

19.4.45: V E R E I D I G U N G. Anschließend Soldausgabe und Ausgang.

Am 22.4. Edith während meines Ausgangs getroffen.

Am 25.4. zieht der 1. Zug, in dem ich bin, nach Billstedt. Prima Verpflegung in Massen. Gemütlich ist das Leben dort. Wir rücken jedoch schon am 27.4. wieder ab. Kurzer Urlaub. Abrücken der gesamten Kompanie zur Lettow-Vorbeck-Kaserne. Da ist es auch ganz prima. Am 29.4. weiter nach Jenfeld in Segelfliegerlager. Dort mittags weiter nach Kirchsteinbek. Wir liegen in einer Scheune.

 

[Mai 1945]

1.5.45: H I T L E R   IST   TOT !

Es werden von verschiedenen Seiten 3 verschiedene Todesursachen angegeben:
1. Er fiel im Kampf um Berlin = Deutsche Presse
2. Er starb an Gehirnblutung = Himmler
3. Selbstmord = Fritsche in der Gefangenschaft.
Die Hauptsache ist jedenfalls, daß er nicht mehr existiert, denn sonst hätte er auch Hamburg noch geopfert, um seinen Kopf noch länger zu erhalten. DÖNITZ übernimmt die Regierung. Wir werden nachts wegen Hitler`s Tod aus dem Bett geholt. Ansprache usw.

H A M B U R G   O F F E N E   S T A D T !!

Wir sind heilfroh, daß Hamburg nicht auch noch verteidigt wird. Vom Volkssturm werden wir entlassen.

Am 1. Mai rücken wir wieder ab nach Jenfeld. Dort sollen wir vorerst liegenbleiben. Die Verpflegung ist gut. Jeder hat jetzt einen Karabiner und eine (!) Handgranate.

3.5.45: Für Hamburg Ausgehverbot !

4.5.45: Einzug der britischen Truppen in Hamburg. 6 Mann Einquartierung. Sie benehmen sich ganz gut. Ausgehverbot!

5.5.45: Wir haben wieder Ausgang von 9 - 18 Uhr.

7.5.45: Kapitulation aller deutschen Streitkräfte.

8.5.45: Unterschrift der Kapitulations-Bedingungen durch das OKW. HIMMLER IST VERSCHWUNDEN. Wir können es noch gar nicht fassen, daß jetzt alles vorbei ist. FRIEDEN IN EUROPA! Aber...

G R O S S E   P R O B L E M E ,   A N D E R E   P R O B L E M E   BESCHÄFTIGEN DIE MENSCHEN WEITER

Die Tommies belegen jedes größere Hotel mit Beschlag. Auf dem Hotel Atlantic wehen die englische, die amerikanische und russische Flagge. Am Ufer der Alster steht ein Lastwagen dichtgedrängt neben dem anderen. Überall verschwinden die letzten Nazi-Zeichen.

Mit Wolfgang und Otto haben wir aus der Schwanenbucht [Außenalster] ein leckes Paddelboot rausgefischt. Wir machen es wieder einigermaßen "seeklar" und können dann ganz schön damit paddeln, obwohl es noch immer kräftig Wasser zieht.

Die Tommies haben sämtliche Segelboote beschlagnahmt. In der Stadt sieht man die Tommies nur so rumschwirren. Wo man hinsieht, sind Tommies. Die Tommies haben eine Vorliebe für Uhren, Photoapparate, Schmuck und Operngläser. Alles, was sie an derartigen Sachen finden, nehmen sie mit. Im Fußgängerverkehr sind sie sehr anständig.

Die LEBENSMITTELLAGE wird immer schwieriger! Es besteht eine Lebensmittelknappheit in der ganzen Welt. Unsere jetzigen Rationen, wo man schon nicht mehr mit auskommt, sollen noch um ein Drittel (!) gekürzt werden. Ich werde schon seit einiger Zeit bei keiner Mahlzeit mehr satt. Man freut sich immer wieder, wenn es was zu essen gibt.

Seitdem die Engländer da sind, sind eine Unmasse von Konzentrationslägern gefunden worden und die noch lebenden Häftlinge befreit. Tausende starben in den KZ-Lägern. Uns will man nun mitschuldig machen, wir hätten das alles gewußt usw. usw. Man muß ja was haben, um uns dann, wenn wir bald verhungern, sagen zu können: "Das seid Ihr selbst Schuld, Ihr habt ja die Nazi-Regierung solange geduldet."

Von den ehemaligen führenden Nazi-Leuten sind, soweit sie nicht Selbstmord begangen haben, alle gefangengenommen worden. Goebbels hat sich und seine Familie vergiftet, Himmler nach seiner Gefangennahme und so viele andere. Göring lebt in Gefangenschaft. Hitlers Leiche fand man ca. 2 Wochen nach Goebbels genau neben ihm! Daß man ihn nicht gleich fand, mit Goebbels zusammen, ist unbegreiflich. Man hat ihn nur an seinen Zähnen erkannt!!!

Der Krieg gegen Japan geht weiter.

 

[Juni 1945]

Ich arbeite viel an meinen Briefmarken. Ich klebe sie alle wieder ein, da ich sie ja alle in Einsteckbüchern hatte, damit Mammi sie retten konnte, während ich beim Volkssturm war. Viel Arbeit. Wir haben schon lange Ausgang von 5.00 - 22.15 Uhr. Der Postverkehr nach Norddeutschland funktioniert wieder.

Die Ernährungslage in Hamburg ist wirklich nicht rosig, wir bekommen noch weniger als vorher. Gemüse gibt es auch sehr wenig. Ich werde nur noch selten so richtig satt. Wir bekommen ja auch von allem zu knapp. Als Beispiel mal unsere jetzigen Rationen: Für mich, als Jugendlicher:

Pro Monat:

Butter 500 g
Fleisch 1200 g
Margarine 325 g
Marmelade 400 g
Brot ca. 9000 g
Zucker 400 g
Nährmittel 300 g
Kunsthonig 125 g
Einheitsseife 1 Stück
Mager-Milch 1/4 l pro Tag
Eier, evtl.(!) 1
Kaffee-Ersatz 125 g (zu Ostern mehr)
Käse 62,5 g

Erwachsene bekommen nur die Hälfte Butter. Brot und Margarine auch bedeutend weniger und keinen Honig. Gemüse gibt`s alle 14 Tage mal ein kleinwenig. Obst auch sehr wenig! Sehr, sehr selten bekommen die Erwachsenen mal Bohnenkaffee oder echten Tee und wir Bonbons. Da wir nun mit nichts mehr auskommen, fahre ich mit Mammi nach Morfleth zu den Gemüsebauern und kaufen uns dort Gemüse, hauptsächlich Kohl. Das dritte Mal fahre ich alleine raus, denn Mammi kann es nicht schaffen, es ist immerhin eine Tour von morgens 6 Uhr bis mittags 2 - 3 Uhr. Wir haben jetzt einen festen Bauern, wo ich immer hingehe. Dort bekommen wir immer allerhand. Letztens haben wir auch ein Liter gute Vollmilch bekommen.

Ich habe mich auch wieder an meine Fotoarbeiten gesetzt und tüchtig kopiert.

 

[Juli 1945]

Am 6.7. habe ich meinen Stenographie- und Schreibmaschinenkursus begonnen. Jeden Dienstag- und Freitagabend. Es macht Spaß.

Ab 12.7. gehe ich zu einer Privatschule, um nicht ein ganzes Jahr zu verlieren. Jeden Morgen Unterricht. Wir sind zu 7 Jungens.

Der Postverkehr im britisch besetzten Teil Deutschlands ist wieder im Gange. Es sind auch schon neue Marken da. Meine Briefmarken habe ich bald wieder alle drin (im Album).

Am 17., 18. und 19.7. ist für Hamburg eine Ausgehbeschränkung ab 19.30 Uhr. Das ist deshalb, weil es im Hafengebiet zwischen unseren Matrosen und italienischen Arbeitern zu einer Schlägerei gekommen ist, wobei die Italiener so ziemlich zusammengehauen worden sind. Einige sind sogar totgeschlagen worden.

Am 23.7. erhalten wir die erste Post von Tante Paula und Pappi !!!

Tante Paula schreibt: In Hoffnungsthal und Berg.-Gladbach ist noch alles in Ordnung. Wir sind restlos glücklich. In Köln, so schreibt sie, sei auch noch was zu retten. Jetzt geht es Gott sei Dank bald hier weg !

Pappi`s Nachricht ist weniger erfreulich. Er ist jetzt in Mehlem. Er ist von KALLE fristlos entlassen! Nun bekommen wir keinen Pfennig Geld mehr.

 

[August 1945]

Ich muß schon lange jeden Morgen 3-5 Stunden in die Privatschule. Es ist sehr nett. Man lernt auch allerhand.

Im Gebiet Ahrensburg-Bargteheide hamstern gewesen. 2 Eier pro Mann bekommen, ferner für mich 20 Pfd. Kartoffeln.

10 Hamburger Kinos spielen wieder seit Ende Juli. Polizisten schwirren jetzt wieder zu Hunderten rum. Man merkt doch so ganz allmählich einen kleinen Aufstieg.

Weitere Lebensmittelkürzungen ! Weniger Fett und Fleisch.

Reisevorbereitungen. Wir wollen am Donnerstag, den 23. Aug. fahren. (Nach Köln). Nochmal in Morfleth Hamstern gewesen.

23.8.45: HAMBURG AHOI !

Mittags um 13.10 Uhr fahre ich mit Mammi, Lore, und einem uns bekannten Fräulein aus dem Bunker ab Hamburg Hbf. Wir fahren in einem offenen Kohlenwagen. Ist nicht gerade angenehm, aber nicht zu ändern. Sonnenschein. Wir sitzen auf unserem Gepäck im offenen Kohlenwagen. Wenn man sich stellt, kann man gerade über den Rand sehen. Der Zug hält sehr oft. Nach 9 1/2 Stunden sind wir um 22.30 Uhr in Osnabrück. Hier müssen wir ungefähr bis 4 Uhr warten. Dann geht es weiter. Um 9.30 Uhr sind wir an der Endstation Recklinghausen. Dort müssen wir unser Gepäck auf den richtigen Bahnhof schleppen.

Anschluß nach Oberhausen, dort treffen wir gegen 12.00 Uhr ein. Nun warten wir auf einen Zug nach Duisburg. Vor unseren Augen wird einem jg. Fräulein ein Bein ganz abgefahren, während das zweite stark zerfetzt ist. Sie wollte nämlich noch einen Koffer auf einen schon fahrenden Güterzug setzen, um dann selbst noch raufzuspringen, dabei blieb sie hängen und rutschte zwischen Bahnsteigkante und Zug.

Gegen 12.30 Uhr Anschluß nach Duisburg. Gedeckte Zementwagen!! Mit Mühe und Not kommen wir noch rein, vollgepfropft wie die Heringe. In Duisburg sieht es ganz wüst aus auf dem Bahnhof. Alles Trümmer. Beim Aussteigen vermissen wir ein Paket, wo nur unser elektr. Heizofen drin war, wo wir uns so drüber gefreut haben. Wir haben aber noch eins in Hamburg.

Anschluß bis Köln-Ehrenfeld. Nun teilweise mit dem Gepäck zu Fuß oder mit Pferdewagen zum Dom. Dort Pferdewagen nach K.-Mülheim, wo wir eine halbe Std. über die Sperrzeit ankommen. Im Bunker geschlafen. Von Höhenberg bekommen wir Samstag morgen einen LKW bis Hoffnungsthal. Tante Paula ist ganz überrascht, daß wir da sind. Sie hat bei T. ein sehr nettes Zimmer mit 2 Betten. Herr T., in dessen Haus wir jetzt wohnen, hat schon am Aufbau der Baracke auf Tante Paula`s Grundstück angefangen. Ich arbeite jetzt tagtäglich mit ihm am Häuschen. Am Ende des Monats steht das Fundament. Es war allerhand Arbeit.

 

[September 1945]

Als ich nun mal wieder nach Köln komme, bin ich ganz erschlagen, wie unser schönes Köln jetzt aussieht. Sämtliche Brücken kaputt, der Dom von innen ganz kaputt. Alle Häuser, bis auf ganz wenige, zerstört, der schöne Hauptbahnhof ordentlich zusammengehauen. Es sieht ganz furchtbar aus. Noch viel schlimmer, als voriges Jahr im Oktober.

Die Tommies haben nun eine Notbrücke über den Rhein gebaut. Allerdings nur aus Holz, aber immerhin besser als keine. In Köln herrscht ein ganz toller Verkehr. Man muß sich bloß wundern, wo all die Menschen herkommen, und besonders, wo sie leben und wohnen. Die Straßenbahn fährt nur ein kleines Stück auf dem Ring, und dann die Linie 3 nach Bickendorf. In der Uni ist jetzt das Opernhaus. Wenige Kinos außerhalb Kölns spielen wieder. Varieté-Theater sind 2 vorhanden.

Wieder tüchtig am Haus aufbauen geholfen. Ende des Monats: Das Haus steht mit seinen vier Wänden und dem Dach. Nun geht es nur schrittweise vorwärts, denn das Material und die Handwerker fehlen.

Inzwischen habe ich auch eine ganze Reihe Freunde wiedergefunden. Auch meine ehemalige Freundin Charlotte habe ich wiedergetroffen.

Mehrere Male in Köln gewesen. Auf der Aachener Str. und Norbertstr. noch Sachen von uns geborgen.

Im Wald Holz geholt. Briketts haben wir bis jetzt 4 Zentner bekommen. In Köln gibt`s gar keine.

 

[Oktober 1945]

Am 8.10. fahre ich mit Rolf Brosseit nach Bremen. Wir wollen von dort aus nach Wilhelmshaven, wo Rolf noch Sachen stehen hat.

Morgen geht`s nach Hamburg, denn nach W`haven können wir nicht, weil es zu lange dauert, bis man die Erlaubnis zum Übertreten des Kanals bekommt.

Wir pilgern nach Husum, wo er ebenfalls noch Sachen hat. Wir brauchen ein Tag bis Husum. In Rendsburg mehrere Stunden Aufenthalt. Schöne Kleinstadt! In Husum 2 x übernachtet. Bei den Bauern, die sein Vater kannte, prima Essen bekommen, d.h. Frühstück. Zusammen ca. ein halbes Pfund Butter aufgegessen, bei einem Frühstück. Die Bauern waren sehr nett. Prima Vollmilch in Massen getrunken. Rückfahrt Montag morgen. Abends gegen 22 Uhr in Hamburg. Den nächsten Zug gepackt usw. Mittwoch um 8.21 Uhr mit dem Kohlenzug ins Ruhrgebiet. Gute Fahrt. In Duisburg haben wir uns getrennt. Er fuhr nach Ehrenfeld, ich nach Deutz.

Die Schule sollte am 15.10. anfangen, deshalb bin ich so früh da raufgefahren. Nun fängt sie doch vorerst nicht an.

4 Fenster vom Haus sind jetzt schon verglast, leider alles nur Stücke !

In Hamburg habe ich übrigens auch einen Tommy kennengelernt. Er ist Briefmarkensammler. Sehr netter Mensch. In 4 Wochen fährt er wieder für immer nach England. Wir wollen dann tauschen.

Mit Herrn T. 2 cbm Holz gefällt.

Verschiedene Male in Köln gewesen, Filme (6x9 von mir) gegen Schokolade und Zigaretten eingetauscht. (2 Tafeln Schokolade oder 10-15 Zigaretten für 1 Film 6x9)

Die Schokolade ist nach so langer Zeit wieder ein Hochgenuß.

 

[November 1945]

Sehr oft Kleinholz im Wald gemacht.

DIE HEUTIGEN LEBENSMITTELRATIONEN PRO MONAT FÜR JUGENDLICHE:

Butter 450 g
Zucker 500 g
Margarine 200 g
Käse 62,5 g
Brot 11.000 g pro Tag
Magermilch 1/16 l
Nährmittel 2.000 g
Kaffee-Ersatz 125 g
Fleisch 400 g
Eier -.-
Marmelade 250 g
Seife 1 Stück

Sonderzuteilung 82. Periode: 200 g Wurst.

Am 15.11. Schuluntersuchung am Hansaring. Ich treffe sehr viele alte Lagerkameraden. Die Schule soll nun bald beginnen.

 

[Dezember 1945]

3.12. Schulbeginn. Wir haben 2 mal in der Woche Schule. Dienstags und Freitags.