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Tagebuch Klaus Everwyn (1944/45): „Meine Soldatenzeit – Meine Heimkehr – Der militärische Endkampf Deutschlands und das Ende Japan’s“

Klas Ewert (eigentlich: Klaus) Everwyn wurde am 10. März 1930 Sohn eines Bäckers in Köln geboren. Nachdem er als Schüler des Hansa-Gymnasiums 1944 einige Monate in einem KLV-Lager in Rokitnitz zugebracht hatte, wurde Klaus Everwyn im September 1944 noch als „Fronthelfer“ eingezogen.

Über beide Zeiträume legte er kurze Tagebücher an, von denen eins hier, das andere in einer weiteren Rubrik der EzG präsentiert werden. Außerdem können Sie noch ein Fotoalbum betrachten, das Klaas Everwyn später über seinen KLV-Aufenthalt anlegte.

Die Originale der beiden Tagebücher stellte Herr Everwyn dem ??? zur Verfügung. Hiervon wurden hochaufgelöste Scans angefertigt, die im NSDOK einsehbar sind.

Schließlich wurde mit Klas Everwyn am 4. April 2017 ein umfangreiches lebensgeschichtliches Video-Interview geführt, das noch der Aufarbeitung harrt. Sobald das geschehen ist, wird es auf dieser Website auch eine entsprechende Lebensgeschichte zu lesen und Herr Everwyn zu sehen und zu hören sein.

3.

Tagebuch
von

Klaus E. Everwyn

„Meine Soldatenzeit – Meine Heimkehr – Der militärische Endkampf Deutschlands und das Ende Japan’s“

I. Kapitel

Fronthelfer -
M.G. Schütze -
Panzerknacker.

vom 17. September 1944 bis
       13. April         1945

17.9.1944.

Helle Sonnenstrahlen wecken mich aus meinen schönsten Träumen. Ein Sonntag, wie alle in dieser Jahreszeit nimmt seinen Anfang. Für mich und manch anderen Kameraden ist dieser Sonntag ein Tag, an dem der volle Ernst des Krieges an einen jungen Menschen herantritt.

Auch ich, gerade vierzehn Jahre alt, habe eine Notdienstverpflichtung, um am Westwall mit schanzen zu helfen in der Tasche. Jetzt heißt es, fort von der Schulbank und mit den Fäusten etwas schaffen. Es muß ja sein, denn Deutschland war in Gefahr. Also hieß es, hart sein, und seinen Mann stellen.

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Nach einem guten Frühstück nahm ich schweren Herzens Abschied von meiner Mutter, die ich doch jetzt allein lassen mußte.

Mit meinem Freund Herbert Nebgen zog ich schwerbepackt mit Futteralien und einem Koffer dem Kölner „Altermarkt“ zu. Dort stellten sich die gesammten notdienstverpflichteten Jungen ein. Furchtbar lange hatten wir hier zu warten, denn erst um halb zwei Uhr schoben wir zum Bahnhof los. Nach einigem Warten traf der Zug ein, der uns über Euskirchen-Mechernich nach Kall in der Eifel brachte. Von dort marschierten wir nach Nierfeld bei Gemünd. Spät am Abend kamen wir dort an.

Schnell wurde was gegessen und sich

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dann hingehauen. Dieser Schlaf tat einem besonders gut.

18.9.1944

Am Morgen des nächsten Tages trat die gesammte Belegschaft auf dem Hof des W.E. Lagers an, denn es hieß, es würden 120 Mann zu einem Sonderlehrgang ausgesucht. Kurz und gut, mein Freund Herbert und ich gehörten auch dazu. Sofort wurden wir in Scharen eingeteilt und einem Unteroffizier der Luftwaffe übergeben. Herbert und ich gehörten der Schar III/Unteroffizier Lippmann an.

Gleich danach wurden wir wieder in Marsch gesetzt, Richtung Gemünd, dort auf L.K.W.‘s verladen und nach

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Siegburg abtransportiert. Von dort bestiegen wir den Zug Richtung Overath, Hoffnungsthal, Georghausen. Endlich landeten wir am späten Abend in Kalkofen bei Lindlar an. Es sollte uns jetzt eine neue Heimat für fünf Wochen werden.

19.9.-12.10.1944

Eine Fülle neuer Erlebnisse waren in den fünf Wochen infantristischer Ausbildung. Tag für Tag wurde hier geschliffen und gedrillt, daß einem das Herz stillstand. Die Ausbildung erstreckte sich vom dänischen Gewehr, sowie dänischen M.G. 156 zum deutschen M.G. 81 und 151. Nun wußten wir langsam, daß wir zur Fliegerbekämpfung einge-

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setzt würden, denn M.G. 81 und 151 sind ausschließlich zur Flugabwehr verwendbar.

Zwischendurch, vom 28.9.-1.10.1944, wurden wir alle, außer einigen Ausnahmen, zum Streifendienst eingesetzt. Dies war in Köln. Wir belegten dort die Loorbergschule in Köln-Sülz und so war ich mit Herbert fast jeden Tag zu Hause.

Doch schon nach drei Tagen hieß es Abschied nehmen von Köln, und Kalkofen mit Schliff und Drill erschien wieder auf dem Programm.

Alle hofften nun auf baldigen Einsatz im Westen und darauf hatten wir nicht lange zu warten, denn am 12.10. ging es endlich fort von Kalkofen.

In der Zwischenzeit erhielten wir noch

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neue Ausbilder, die frisch von der Front kamen und die uns in den Frontdienst einweisen sollten. Auch unser Unteroffizier Lippmann erhielt Abrufbefehl und wir erhielten jetzt Unteroffizier Nokoinz. Dann ging es mit Sang und Klang zum Westen. Wir hatten mit dem Zug guten Anschluß und fuhren über Köln-Grevenbroich-Hochneukirch nach Titz. Dort kamen wir noch in der Nacht an und mußten zu 60 Mann, denn nur der 1. Zug war heute gefahren, in einem kleinen Klassenzimmer schlafen. Aber es mußte gehen, und es ging.

13.10.1944.

Am nächsten Morgen schon in aller Frühe marschierten wir Scharweise von Titz

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5 km weiter südlich nach Spiel. Dort angekommen wurden wir sofort auf eine Scheune eingeteilt. Wir weilten hier auf dem Gutshof Zillekens, wo auch noch eine Montagewerkstatt der Artillerie war.

Nun, da wir zwei M.G. 81 „Zwillinge“ und ein M.G. 151 „Drilling“ hatten, glaubten wir an den baldigen Einsatz. Doch es kam anders.

14.10.-30.10.1944

Die Ausbildung ging weiter. Obwohl wir jetzt auch andere Waffen durchnahmen, blieb es so langweilig wie sonst. Da sollte man noch Lust haben! Gott-sei-Dank erhielt ich am 29.10. abends mit dem Fronthelfer Neustein Urlaub

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bis 1.11. In dieser Zeit waren gerade die schweren Terrorangriffe auf Köln gewesen, und so mußte ich dringend meiner Mutter helfen. Als ich am 30. abends zu Hause eintraf, war gerade mein Vater für die eine Nacht da und so war es ein schönes Wiedersehen für alle. Am 31. fuhren wir die wichtigsten Möbel nach Bladersbach bei Waldbröl und am 1.11. morgens hieß es wieder scheiden. In der Zwischenzeit hatte unser Zug zwei Dörfer östlich von Spiel nach Kalrath verlegt, wo unsere M.G.‘s und unser Drilling eingebaut wurden.

31.10.-29.11.1944

Wir lagen nun in Kalrath in Feuerstellung und bekamen kaum was zu

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tun. Ab und zu kreisten mal ein paar „Mustang’s“ herum, oder ein „Thunderbold“ kam zum Vorschein, aber es war nichts von Bedeutung.

Da, plötzlich am 21.11. griff eine „Thunderbold“ die Röding-Amelner Straße an. Wild feuerten alle Rohre. Im Stand 3 waren Fronthelfer Bräntner als S1 und Fronthelfer Stracke als S2. Bei der Schießerei stand der S2 neben dem M.G. und als dieses aus der Lafette rutschte durchbohrten 12 Schüsse den armen Kameraden Günther Stracke.

Am Abend wurde er in einer Stube aufgebahrt. Als am 29.11. von Kalrath aus weiter zurückverlegt wurde, blieb ein Kommando von 10 Jungen hier, um unseren Kameraden zu begraben.

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Alle Ausbilder waren am 11.11. nach Berlin abberufen worden und nur Uffz. Sahlmüller behielten wir als Zugführer. Er war ein Führer, wie wir keinen zweiten hatten. Nur er allein war im Stande einen Zug zu führen, alle anderen H.J. Ausbilder, die jetzt der 2. Zug hatte, waren dagegen Hampelmänner. Um es richtig auszudrücken, wir verehrten Unteroffizier Sahlmüller, denn er war ein Führer, ein Soldat und ein Kamerad zugleich.

p.p.
Wir bekamen jetzt den Namen
„2. Flakzug des S. Stammes II“

29.11.1944-12.2.1945

Über Bedburg, Kerpen ging die Reise

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nach Gymnich, wo wir bald drei Monate liegen blieben. Dies war eine Zeit des Erholens.

Nach einiger Zeit wurde der „1. Fl.Zug des S. Stammes II“ uns, dem 2. Fl.Zug eingegliedert, und so schossen wir am 17.12.1944 unseren ersten Flieger, einen „Thunderbold“ ab.

Vom 9.-13.12. hatte ich mich noch einmal in Urlaub begeben und durfte dann sogar Weihnachten vom 23.-27.12. noch einmal in Urlaub fahren. In unsere Glückstimmung wurden wir gestört, als unser Kamerad Herbert Rubal am 29.12. an Blinddarmentzündung im Kerpener Lazarett starb. Die Beerdigung fand am 30.12. mit allen militärischen Ehren statt.

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Nun gondelten wir ein wenig komisch gestimmt ins neue Jahr rüber. Bald nahm aber das Leben wieder seinen richtigen Fortgang. Am 5.2. mußte leider unser Unteroffizier und Zugführer Sahlmüller von uns Abschied nehmen, da er im W.E. Lager Wahn seinen Dienst tuen mußte, und der Scharführer der H.J. Brendt übernahm den Zug. Durch dessen schlampige Auffassung sank das Ansehen des Zuges um 30 %. Wir hofften bloß, daß ein zweiter Sahlmüller den Zug in die Hänge bekam.

12.2.-26.2.1945

Nun hatten wir von Gymnich nach Kerpen gemacht, da dort mehr los war, denn

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Kerpen galt als „luftgefährdeter Raum“ sowie als Verkehrsknotenpunkt Aachen-Köln, Bergheim-Lechenich. Dort hatten wir auch Glück. Schon am zweiten Tag unseres Aufenthalts in Kerpen am 13.2. schossen wir einen „Thunderbold“ ab, worauf am 21.2. der nächste folgte. Gott-sei-Dank erhielten wir am 20.2. schon einen anderen Zugführer, Feldwebel der Luftwaffe und „Deutsches-Kreuz-in-Gold“ Träger Max Lagoda, der uns schon am ersten Tag seines Wirkens im Flakzug den dritten Drilling besorgte.

Am 22.2. kamen die ersten Bombenteppiche auf Kerpen, wobei der Unterführer Walter Portz und Fronthelfer Willi Brockly verwundet wurden.

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Am 24.2. folgte ein weiterer Teppich und am 25.2. schoß schon die Artillerie rein. Der Großangriff der Amerikaner bei Jülich und Düren hatte begonnen! Am 26.2. stand er schon 6 km vor Kerpen und für uns hieß es abhauen.

26./27.2.1945

In der Nacht vom 26. auf 27.2. rauschten wir mit Vollgas ab. Unser neues Ziel hieß Gleuel. Vor dem Abzug holte das Nachkommando noch eine halbe Luftwaffenbekleidungskammer heraus und schaffte sie fort.

In Gleuel wurden die Drillinge abgeladen und untergestellt. Es hieß, wir bezögen hier Stellung, doch es kam anders. Um 15.00 Uhr konnten wir die Geschütze

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wieder aufladen und es ging weiter. Hürth war der nächste Standort. Dort ruhten wir uns erst einmal aus, das tat gut.

28.2.-2.3.1945

Nach faulenz Tagen in Hürth bezogen wir nach einigem Suchen Stellung am 1.3. zwischen Knapsack und Hürth. Wir wurden in Baracken, in denen zuerst 3,7 Flak lag, untergebracht. Die Geschütze wurden eingebaut, die Tage waren trübe und so nichts zu tun.

Doch die Front rückte näher, und so entschloß sich Fwl. Lagoda, sich wieder davon zu machen. Dies geschah am 2.3., wo es ab nach Weiß am Rhein ging.

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2.3.-4.3.1945

In Weiß angekommen, Geschütze untergestellt, sofort wieder neue Stellungen schanzen. Unter Mühe und Anstrengung hatten wir am 4.3. morgens die Geschütze feuerklar. Da, am Abend, hieß es, Geschütze raus! Mit der letzten Fähre über den Rhein!

Der Befehl wurde strickte ausgeführt und die Geschütze in der Nacht vom 4./5.3. in Porz am Rhein untergestellt.

5.3.-6.3.1945

Als alles nach Muster des Herrn Feldwebels war, hieß es am folgenden Morgen (6.3.) Geschütze wiederum aufladen, es geht nach Troisdorf.

Und wir, wir konnten zu Fuß laufen.

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6.3.-10.3.1945

In Troisdorf, die Heimatstadt der Braut des Herrn Feldwebels, durften wir uns gnädigst einmal ausruhen. Ich nutzte die Gelegenheit aus und fuhr einmal unrechtmäßiger Weise nach Hause. Dann, nach einigen Ruhetagen konnten wir weiterziehen. Und so fuhren wir an meinem Geburtstag, den 10. März 1945 nach Gut Rottland bei Waldbröl, 1 km von zu Hause.

10.3.-16.3.1945

Dort lagen wir nun in Ruhestellung und schnell konnte ich ab und zu einmal rüber nach Hause springen. Es waren schöne Tage, doch allzu bald ging es wieder fort, wenn auch nur ein Dorf hinter

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Waldbröl, doch konnte ich jetzt nicht mehr so schnell nach Hause wie sonst.

16.3.-24.3.1945

Boxberg hieß der neue Ort, wo wir wieder die Geschütze einbauten. Doch kaum taten wir einige Schüsse, erhielten wir vom Ortskommandanten Schießverbot, des Lazarettes wegen. Also auch hier war der Traum aus. Doch ruhten wir uns jetzt weiter aus, bis es am 24.3. wieder weiter ging.

24.3.-3.4.1945

Osberghausen, du Unglücksnest! Das kann man wohl sagen. Schon am ersten Tag ging der Rummel los.

Am Morgen hatten wir einen „Thunderbold“

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abgeschlossen, doch gegen Mittag hatte es uns gepackt. Zwei Jabos stellten sich auf den Kopf und 21 Splitterbomben sausten uns um die Ohren. Zwei davon fielen in den Drillingstand Schneider-Herweg. Gott-sei-Dank war eine davon ein Blindgänger. Doch den Unterführer Schneider hatte es erwischt. Er war gefallen. Sein K2 Unterführer Herweg leicht verletzt. Das war der schwarze Tag von Osberghausen, der 25. März 1945. Doch ein Unglück kommt selten allein. In der Nacht vom 27./28. März, wo wir zu zehn Jungen sechs Drillinge, sowie 1500 Schuß Munition, neben Reinigungskästen und sonstigem Zeug in Bielstein mit einem Traktor und

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einem Anhänger holten, kippte der ganze Rotz um, Heiderich und Berghoff lagen unter den Munikästen, leichte Quetschungen an den Füßen. Thomas hatte den Fuß gebrochen. Ich hing zwischen zwei Drillingen und kam mit Quetschungen in der Hüfte und am linken Unterarm gut davon. Noch in der selben Nacht mußten die anderen unverletzten Jungen die Drilllinge noch in Stellung bringen.

Doch die nächsten Tage brachten schlechtes Wetter, und so war der Traum aus, mehr Flieger abzuschießen.

3.4.-4.4.1945

Das Vorkommando nach Olpe rückte am 3.4. morgens ab und war am selben Tag

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gegen Abend auf der Ortskommandantur. Am nächsten Tag schon kam das Nachkommando mit den Geschützen an und so ging es zwei Dörfer weiter nach Rhode.

4.4.-9.4.1945

Nun standen von den sechs Geschützen nach einigem Schweißtriefen zwei am 6.4. in Stellung, während die anderen noch eingebaut werden sollten. Doch bald hieß es wie so oft aus dem Munde des Feldwebels: „Jungen, es ist mal wieder so weit: Stellungswechsel!“ Und wieder die Frage: „Zurück?“ Ein leises „Ja“ war die Antwort des Fliegerfeldwebels. Ewig zurück, und jetzt auf Umwegen. Der Feind hatte

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einen tiefen Einbruch bei Siegen erzielt und stand schon in Olpe und auf dem Weg nach Berg Neustadt.

Geschütze mußten stehen gelassen werden, nur: weg, fort, tiefer in den Kessel rein, tiefer ins Verderben, warum? Doch der Befehl lautete: zurück! In der Nacht vom 9./10.4. ging es weiter wie ein gehetztes Wild.

9.4.-11.4.1945

Im Eilmarsch marschierten wir Jungen der ehemaligen 1. leichten Flakbatterie Köln hinter dem Pferdefuhrwerk her, daß die letzten Brocken von uns fuhr. Über Listernohl, an der Listertalsperre vorbei, nach Valbert, wo wir drei Stunden schliefen, und was tat das gut.

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Blasen hatte ich mir in meinen Stiefeln gelaufen und endlich konnte ich jetzt Schuhe anziehen.

Am Morgen des 10.4. weiter nach Meinerzhagen. Dort erwischte ich Gott-sei-Dank ein Auto, daß mich nach Gummersbach beförderte. Sofort weiter hieß es. Doch da hörte man die Worte des alten Götz von Berlichingen im Kreis, die konnten uns mal gern haben. Wir blieben! Da kam auch schon der Befehl, rauf zur Hermannsburg und pennen! Dies taten wir auch. Schon früh am des morgens fuhr uns am 11.4. ein Auto nach Wipperfürth und noch weiter bis Erlen. Dort, man kann es sich nicht verdenken, legten wir uns auf die faule Haut.

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Noch am selben Tag kam der Befehl raus, daß wir der Panzer-Jäger-Abteilung der 162. Infanterie-Division unterstünden. Aha, einkassiert! Nun hieß man uns Schütze Pieparsch!

11.4.-12.4.1945

Es wurden heute, den 11.4. alle Formalitäten der Übernahme erledigt und wurden am Morgen des 12. in Feldgrau eingekleidet. Plötzlich am Abend des Tages: Der Ami steht 1 km von hier, weiter absetzen! Wir erhielten Karabiner und trollten ab. Unter Führung des Feldwebels ging es über Hückeswagen nach Bornefeld, wo wir übernachteten.

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13.4.1945

Nun unter Führung des ehemaligen Unterführers Berghoff von Bornefeld über Bergisch-Born, Wermelskirchen, Burg a.d.W., Solingen nach Balkhausen an der Wupper, wo wir endlich die Einheit Rermann fanden.

Gott-sei-Dank, es war geschafft!

Erst wurde mal ordentlich gefuttert und sich dann hingehauen.

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II. Kapitel

Meine Flucht

vom 14. April 1945 bis
       18. April 1945

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14.4.1945

Der Feldwebel wurde heute zum Oberfeldwebel befördert. Er war heute komisch, zu mir sagte er: „Mensch, hau ab, schlag dich nach Hause durch!“

Und dies wollte ich am Abend mit Berghoff, Dörr, Nebgen ausführen. Hoffentlich klappte es! Ich betete ich stillen, käme ich nur nach Hause!

14./15.4.1945

Platsch, patsch, klatsch, platsch – vier Panzerfäuste sausten in die Wupper. Die Schützen Berghoff, Dörr, Nebgen und Everwyn, zogen, das Gewehr 98 K über die Schulter der Heimat entgegen. Die Nacht war dunkel, das richtig Wetter zum durchschleichen. Bei Glüder ging es über die

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Wupper und weiter über Waldwege nach Höhrath. Wir suchten nun nach Schlafmöglichkeiten und fanden eine dachlose Scheune, in die wir uns legten und schliefen.

Am Morgen: Erst mal gefuttert. Dann weiter Richtung Autobahn.

Da, in Hünger schnappten uns deutsche Fallschirmjäger und wir mußten mit nach vorne. Doch schon auf der anderen Seite der Autobahn stand der Ami. Winkend riefen sie uns zu: „Komm‘ sie her! Komm‘ sie her!“ Doch wir dachten nicht dran, drehten uns um und hauten ab. Wie wild feuerten die Ami’s mit Schnellfeuergewehren und M.P.‘s hinter uns 7 Mann her. Mit einem Obergefreiten kam ich aus dem Zinober raus

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und verschwanden nach Burg a.d.W. Er meldete alles dem Chef der Fallschirmjäger-Flak-Batterie und sagte, ich könne jetzt bei ihnen bleiben. Doch ich hustete ihnen was, rannte weiter in die Stadt rein, bog links in einen Wald ab und kam nach einigem „hinlegen“ wegen der Artillerie in Höhrath raus. Nun zog ich weiter zu der Scheune, wo wir geschlafen hatten und ruhte mich ordentlich aus. Als dies vollbracht war zog ich noch in Uniform weiter bis Stolzenberg. Dort hielten mich Bürger fest, ich solle nur ja Zivil anziehen, der Ami wäre hier. Aber ich hatte ja nichts. Da erbarmten sich die Herzen meiner und schenkten mir einen Rock, eine lange und eine kurze Hose und ein Hemd.

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Neu versorgt marschierte ich weiter, wurde in Wermelskirchen angehalten und wieder laufen gelassen. So kam ich bis Wermelskirchen-Eifgen, wo ich bei guten Leuten Unterschlupf fand.

16.4.1945

Am Morgen des 16. Aprils machte ich mich auf den Weg von Eifgen nach Habenichts, wo ich den früheren Unterführer Stubenrauch besuchte. Ich aß mich satt an eingemachtem Obst, Büchsenfleisch und trank nebenbei Rübenschnaps. Satt bis oben hin verließ ich den Ort und wanderte durch Eipringhausen, Dhünn nach Landenberg und weiter über Nassenstein, Dahl, Hollingen, Ober-Sülze nach Hartegasse und Brochhagen

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Es fing schon an zu dämmern und ich entschloß mich, in einem Nest nach einem Quartier zu fragen. Ich wählte Fenke. Dort traf ich Frau Schröter aus Zollstock und konnte die Nacht über dort bleiben.

17.4.1945

Der nächste Tag brachte mich nur 7 km weiter nach Stiefelhagen, der Heimatort meines Freundes Berghoff. Und nun, als ich ins Haus trat, kam mir Berghoff und Nebgen in höchsteigener Person entgegen. Da war die Freude groß. Dörr war schon vorher nach Gummersbade abgebogen. Nun aß ich mich noch mal satt und ruhte mich bis zum anderen Morgen aus, wo ich mit

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Nebgen weiterziehen wollte.

18.4.1945

Mit Nebgen marschierte ich über Forst nach Drabenderhöhe, wo er nach Much und ich nach Marienberghausen abbog. Marienberghausen ließ ich bald hinter mir und Nübrecht tauchte auf. Auch dieser Ort war schnell verlassen und nun im Eilschritt über Hömel, Haan, Loch, Rottland, Ziegenhardt nach Bladersbach.

Das war ein Wiedersehen.

Meine Mutter weinte Freudentränen und ich war auch nicht weit davon.
Daheim wieder sein - - ein Gefühl!
Das Glück war gefunden.
Ich war zu Hause, war daheim.

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III. Kapitel

Wirrungen zu Hause

vom 19. April 1945 bis
         1. Mai 1945

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19.4.1945

Der erste Tag zu Hause. Ausgeschlafen, gewaschen, frisch angezogen, kurz – ein anderer Mensch. Und wie war’s mit den Ami’s? Kein einziger Soldat war als Besatzung im Ort. Nur in Waldbröl spookten verschiedene rum.

Gedanken machte ich mir doch manchmal, war es nicht Desertation? Aber was heißt das, der Kessel war bald weg, aufgerieben, die weiter ausgehalten hatten in Gefangenschaft - - - nein, dann lieber zu Hause! War das Aushalten nicht Quatsch, warum bloß? Model, der Generalfeldmarschall des Westens und des Kessels, hatte sie erschossen, nachdem er den Befehl erlassen hatte, alle Verletzten und Volkssturmmänner zu entlassen.

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Na, dann hatte ich mich eben selbst entlassen. Fort, diese scheußlichen Gedanken! Zurück in die Gegenwart!

20.4.1945

Der heutige Tag, der sonst als Feiertag begangen wurde, wo Fahnen wehten, dieser Tag war es, an dem sich Willi und ich zum Arbeitseinsatz in Waldbröl melden mußten. Onkel Josef hatte es soweit gebracht, daß er als Elektro-Meister bei R.W.E. Waldbröl angestellt wurde und uns beide als Arbeitsjungen benötigte. So waren wir jetzt beim R.W.E. betätigt und arbeiteten an der Hochspannung.

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23.4.1945

Heute arbeiteten wir zum letzten Mal an der Hochspannung Waldbröl-Bladersbach-Geilenkausen. Um 18.00 Uhr soll es Strom geben. Hoffentlich können wir mal endlich wieder Radio hören, was in der Welt los ist. Abwarten und Teetrinken!

Um 20.00 Uhr ist Strom da! Wir können noch einmal Nachrichten hören. Schwerer Kampf um Berlin! Der Führer hat den Widerstand in der Reichshauptstadt selbst übernommen. Amerikaner in Anmarsch auf München. Engländer vor Bremen und Hamburg. Und hier? Tiefster Friede! Keine Ari, keine Jabos, jeder geht wieder seiner Arbeit nach.

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24.4.1945

Es heißt, es soll anderes Geld geben, Besatzungsgeld: 1 Mark = 12 Pfennig. Das wäre scheußlich! Dazu sollen alle Hundert-Mark-Scheine an Gültigkeit verliehren, da ein Hakenkreuz drin ist. Wäre es doch nur Gerede!

Heute war in Waldbröl eine Schauvorstellung. Amerikaner spielten mitten auf der Straße „Puching“, der Verkehr stockte, es war komisch, echt amerikanisch!

25.4.-28.4.1945

Diese Zeit war Arbeit, im warsten Sinne des Wortes. Morgens um 6 raus, Brot holen um 8 ist man glücklich zu Hause, um halb 9 weg Leitungen flicken. Es geht Tag für Tag.

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Es ist zum junge-Hunde-kriegen! Trotz Regen, oft Schnee und Kälte stehen wir frierend an der Leitung. Alles tun wir, damit hier die Leute Licht bekommen. Doch Dank kennen diese nicht. Wie sie waren, bleiben die Oberberger: stur! Das ist mein Standpunkt über jeden.

29.4.-1.5.1945.

Ach, Weh ergreift mein Herz, wenn ich an meinen teuren Vater denke. Käme er doch nur! Fragen plagen mein Inneres: Wo ist er? In Gefangenschaft, gar tot? Fort mit allen Gedanken, die furchtbar mein Hirn durchkriechen! Träume, die schrecklicher noch als die Phantasie sind, grauenhaft, lassen mir des

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Nachts keine ruhige Sekunde. Bilder meines vergangenen Lebens ziehen an mir vorbei! Ich sehe meine Mutter, meinen Vater und mich gemütlich beisammen sitzen, sehe meinen Vater plötzlich tot daliegen. Furchtbare Leben!

Dann sehe ich Margret im Glanze ihrer temperamentvoller Natur. Ach, alles vorbei!

Die Jugend, sonst die Blütezeit eines jeden Menschenlebens, war sicher das Grauenvollste, was ich bis jetzt erlebte. Neun Jahre war ich als der Krieg ausbrach und nie hätte ich daran gedacht mit vierzehn Jahren meinen Mann als Fla-M.-G. Führer stellen zu müssen oder je mit der Panzerfaust

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in der Hand zu kämpfen. Und was sah ich in meiner 7 monatigen Komißzeit? Furchtbares!

Wut packt mich, denke ich nur an die Parteibonzen des Gaues Köln-Aachen, die uns mit vierzehn Jahren schon in die Reihen der Soldaten schickten. Jeder jetzt umsonst gefallene Deutsche, ob Mann, Frau ob Kind schreit nach blutigste Rache, denn
Wir Soldaten des Krieges
Wir klagen an!!!!

Während ich diese Zeilen schreibe, packt mich zuerst in Gedangen meines Vaters tiefe Wehmut, die, jemehr ich darüber nachdachte in Wut überging, in Wut auf alle, die dazu beitrugen, den Krieg

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über die Welt zu bringen.

Ich haßte als Deutscher jeden Amerikaner, aber jetzt lernte ich sie kennen und erkannte, daß ich nicht sie hassen mußte, sondern die Kriegstreiber. Sollten sie noch einmal die Seiten drehen, daß Partei trotzdem wieder ans Ruder käme, ich hielte diese Aussprüche aufrecht, denn
die Wahrheit wird siegen
nicht aber
Lug und Trug der Partei!!!

Und so ende ich das Kapitel mit dem Wahlspruch:
Es lebe ein freieres Deutschland!

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IV. Kapitel

Der militarische Endkampf

vom 2. Mai 1945 bis
     8. Mai 1945

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2.5.1945

Ich will jetzt einen kurzen Überblick über das jetzige Leben unter den Yankees geben:
Nach dem Eintreffen der Nordamerikaner herrschte zunächst größtes Durcheinander. Die Ausländer, gekennzeichnet durch rote (Russen), rot-weiße (Polen), blau-weiß-rote (Holländer und Franzosen), schwarz-gelb-rote (Belgier) rot-weiß-blaue (Serben) und rot-weiß-grüne (Italiener) Bänder am Aufschlag fühlten sich als Herren der Lage und plünderten, was das Zeug hielt. Besonders taten sich dort Russen, Polen und Italiener hervor, die alles, was nich niet- und nagelfest war, mitnahmen.

Allmählich aber wurden von der

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„American Military Police“ diese Spitzbuben strafrechtlich verfolgt. Auch wurden deutsche Polizisten mit der Armbinde „Police – Polizei“ eingesetzt. Und so kamen langsam geordnete Verhältnisse zu stande, die sich mehr und mehr besserten.

Und Hunger haben wir bis jetzt Gott-sei-Dank auch noch nicht gekannt.

Also, kurz um, so schlimm wie man sie schilderte, waren unsere westlichen Feinde nicht.

Und drum weiter:
Ran an die Arbeit!

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Militärisches:
3.5.1945.

Adolf Hitler ist an der Spitze der in Berlin kämpfenden Einheiten gefallen. Großadmiral Dönitz ist Oberbefehlshaber. Um ihn, den Führer, ist es schade, aber um seine Idee nicht.

Der Krieg ist nun endgültig für Deutschland verloren.

Der Führer hatte recht, als er schrieb:
Sollte ich mich in meiner Idee irren, so geht mit mir mein ganzes deutsches Volk zugrunde.

Ja, er irrte sich. Das 3. Reich ist zerfallen, nach 12 jährigem Bestehen.
Er ist mit seiner Idee auf ein Risiko eingegangen, und hat dabei verspielt. Es gibt kein Reich und kein Volk mehr.

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Warum?

Das Reich ist von den Alliirten fast ganz erobert, eine Kapitulation der ganzen Streitkräfte steht bevor.

Und das Volk? Das ist in verschiedene Lager aufgespalten, Kommunisten, Demokraten, Sozialisten, wie 1918! Und so gibt es kein deutsches Volk mehr. Es ist Schluß!

5.5.1945

In Italien haben sich unsere Divisionen bedingungslos an Feldmarschall Alexander ergeben.

Ebenso kapitulierten heute um 8 Uhr die Reste der Wehrmacht in Holland, Dänemark, Nord- und Nordwestdeutschland, und die West-, Ost- und Nord-

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friesischen Inseln nebst Helgoland. Also bleibt summa sumarum noch übrig die Kampfinseln Protektorat, Ostmark, Norwegen und Nordostdeutschland. Berlin ist gestern gefallen.

Haha, nicht das ich lache! Ewig diese Teilkapitulationen, warum nicht ganz, Herr Dönitz?

6.5.1945

Die Kampfinseln Ostmark, Norwegen, Nordostdeutschland und die 24. deutsche Armee haben kapituliert.

Dagegen kämpft die Kampfinsel Protektorat mit unverminderter Härte gegen die Sowjets weiter.

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7.5.1945

Heute morgen 2.42 Uhr hat die gesamte deutsche Wehrmacht kapituliert. Das Dokument der Kapitulation wurde in Reims unterschrieben für Deutschland von Generaloberst Gustav Jodel, für die vereinten Westmächte von Generalstabschef Eisenhower’s Smith, für Sowjet Russland von General Schukoff, für Frankreich von General Daré.

Dem zuwider lehnt der Sender Prag die Kapitulation ab und fordert die Soldaten der Kampfinsel Protektorat auf, den Kampf gegen die Russen fortzusetzen.

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8.5.1945

Der heutige Tag wird bei den Alliirten als „Tag des Sieges in Europa“ festlich begangen.

Wir dagegen hatten uns diesen Tag des Sieges wesentlich anders vorgestellt.

Schande über Deutschland!!!

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V. Kapitel

Waffenstillstand

vom 9. Mai 1945 bis
       16. Juni 1945

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9.5.1945

Nun ist Friede in Europa, aber auch in Deutschland? Das ist eine Frage der Zeit.

Nun, da Friede ist, dürfen auch wieder Prozessionen abgehalten werden. So auch morgen an Christi Himmelfahrt. Ich bin ja mal gespannt.

10.5.1945
Christi Himmelfahrt.

Ich war heute seit langer Zeit noch einmal im evangelischen Kirchgottesdienst. Es war noch einmal schön nach der Zeit des Ernstes und des Krieges.

Danach sah ich seit sechs Jahren noch einmal eine katholische Prozession in ihrer ganzen Pracht. Wie wundervoll

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so ein Feiertag ist, sah ich heute. Der Tag verging sonst mit Nichtstun und lesen.

Ich denke ewig an Margret und ich hörte von meiner Mutter, daß sie hier in der Nähe wohnen würden.

Ach, würde ich Margret noch einmal sprechen können, denn diese Margret war das einzigste Mädchen, daß ich von Herzen gern hatte und auch liebte.

12.5.1945

Heute hat Tante Gretchen Geburtstag. Nun ist auch sie schon einundvierzig Jahre alt. Ja, wenn man mit der Zeit geht, wird man immer älter.

Doch trotzdem muß man im Herzen

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immer jung bleiben, das ist die Hauptsache, denn jung im Herzen, mit frohem Sinn, geht man viel leichter in Alter rin.

An diesem Tage, schon wie die vorherigen fünf Tage, scheint die liebe Sonne auf uns Menschen freundlich hernieder. Nach den trüben Tagen, tut die Hitze einem mal ordentlich gut.

Leider hat meine Mutter von dieser schönen Sonnenglanz kein bißchen. Seit vier Tagen liegt sie krank zu Bett. Eine schwere Unterleibserkältung. Das ist die Mißstimmung in den schönen Tagen. Heute waren wir Jungen, die Pluppcher’s Willi, Bruno und ich in diesem Jahr zum ersten Mal in Rossenbach schwimmen. Es war herrlich! Wie wohl tat

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Fronthelfer Herbert Rubal am 29.12.44
Unterführer Hans G. Schneider am 25.3.45

Verwundet wurden der
Fronthelfer Günter Querl am 5.10.44
Fronthelfer Willi Bielstein am 22.1.45
Fronthelfer Willi Brockly am 22.2.45
Unterführer Walter Portz am 22.2.45
Unterführer Hans Herweg am 25.3.45
Und wofür?

21.5.1945
Zweiter Pfingsttag.

Natürlich regnet es. Wie immer. Doch kommt heute auch etwas neues hinzu. Einige Leute aus Dörfern der Gemeinde Waldbröl müssen nach Dickhausen ins Lager Baracken bauen, und dies für Polen!!! Hans mußte

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eigentlich auch hin, ist aber nicht gegangen. Recht so!

22.5.1945

Heute fährt das Brölbähnchen wieder zum ersten Mal. Eine Sensation für die Landbewohner, eine Neuigkeit für uns Städter.

24.5.1945

Meine Mutter ist ernstlich krank geworden und ich mußte in Waldbröl den Arzt rufen. Er stellte eine innere Unterleibentzündung fest, worauf sie weiterhin das Bett hüten muß.

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nach Köln gefahren. Ich bin gespannt, was er für Nachricht mitbringt.

16.6.1945

Walter und Hans, die beiden einzigsten männlichen Personen, sind Gott sei Dank, schnell über den Verlust hinweggekommen. Schwerer war es Otti und Irene. Ich bedauere die armen Leute! Lastet ein Fluch auf diese Familie?

Obwohl diese Frau nur Gutes getan hat, wird sie für ihre Gutheit nicht belohnt.

Ob diese Mutter über den dritten schweren Schlag hinwegkommt? Möge Gott helfen!

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VI. Kapitel

Unruhen

vom 27. Juni 1945 bis
       14. Juli 1945

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27.6.1945

Heute Nachmittag kam bei Romünder ein kleines Kälbchen an un wir alle im Hause Bladersbach 5 haben uns riesig gefreut. Diese Freude währte aber nur bis zum Abend denn in der Nacht vom

27./28.6.1945
geschah etwas Furchtbares für Bladersbach.

Etliche Schüsse hatten mich in der Nacht aus tiefem Schlaf geweckt. Danach das dauernde Tuten des Alarmhorns. Also Alarm für Bladersbach! Polen und Russen wollen plündern. Diese traten aber auf heftigen Widerstand von uns Bewohner, worauf die

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Bande sich zurückzog.

Diese waren um 12.30 Uhr in Beninghausen mit etwa 20 Mann gesehen worden und in Niederhausen um 1.10 Uhr mit 10-15 Mann, also mußten sie sich getrennt haben.

Dieser Versuch an unseren Hof heranzukommen, war für die Banditen kläglich gescheitert.

28.6.1945

Heute schlichen drei nach Polen aussehende Individien im Hof umher, wahrscheinlich um auszuspionieren. Daraufhin wurde heute abend um 9.30 Uhr eine Versammlung aller Bladersbacher Männer einberufen wurde. Dort wurden folgende Punkte

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festgelegt:

Anordnung 1.
Punkt 1: Jede Nacht werden drei Doppelposten von 11-1.30 Uhr und von 1.30-4.00 Uhr am
               Hilgen, bei Kugelmeier und bei Simon gestellt.

Punkt 2: Diesen Posten ist es verboten, zu sprechen, oder sich weit vom Wachpunkt zu
             entfernen.

Punkt 3: Den Posten wird je ein Horn mitgegeben.

Punkt 4: Jede Nacht wird eine neue Parole ausgemacht.

Punkt 5: Sollten sich einige Banditen durch die Posten schleichen, muß von den Leuten,

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             von denen sie zuerst bemerkt werden, Krach geschlagen werden.

Punkt 6: Licht darf nicht gemacht werden.

Punkt 7: Diese Anordnung tritt sofort in Kraft.

Zum Vorsitzenden des Bladersbacher Selbstschutz wurde Herr Otto Böckmann, Bladersbach 27, vorgeschlagen. Übrigens: Seit dem 17.6.1945 haben wir hier nicht mehr amerikanische, sondern englische Besatzung.

Und seit dem 20.6.1945 ist nicht mehr Gustav Beleke in Bladersbach 1, sondern Herr Wilhelm Propach, Bladersbach 10, Ortsvorsteher.

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29.6.1945

Da uns die Bande im Ort nichts mehr anhaben kann, versucht sie es auf andere Weise.
So haben sie einem Mann ein auf der Weide befindliches Rind abgeschlachtet.
Dagegen kann auch der Bladersbacher Selbstschutz nichts machen.

3.7.1945

Wieder eine neue Schandtat der Banditen: Heute morgen gegen 7 Uhr überfielen sie zu zwei Männer und einer Frau (!!) eine hochschwangere Frau aus Bladersbach, die sich auf dem Wege von dort nach Rossenbach befand. Sie zwangen ihr die Handtasche mit Lebensmittelkarten und Aus-

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weispapieren ab und verschwanden mit Fahrrädern in Richtung Bladersbach. Wir sind machtlos!

Ohne Ordnung und Sicherheit kann kein Staat bestehen, drum gebt der Polizei Waffen und Vollmachten zur Verhütung solcher Schandtaten!

4.7.1945

Heute war ich mit Otti in Waldbröl, um Johannisbeeren in die Patsche zu tun. Sie hatte allein zu viel Angst, wegen den Polacken und Wegelagerern, was zu versehen ist. Gott sei Dank ging alles gut.

6.7.1945

In dieser Nacht geschah etwas, was kaum

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zu glauben ist; die Banditen legten in Rossenbach bei einem Bauer ein Feuer an, worauf ihm das ganze Haus mit der Scheune abbrannte.
Herrgott! Gib uns die Ordnung wieder! Was soll daraus noch werden?

Den Krieg mit allen furchtbaren Gefahren haben wir überstanden und da soll man so um Haus und Hof kommen?! Manche Leute wünschen sich jetzt schon lieber die Nazis als diese Chaos. Sie sagen, wenn Hitler auch vieles falsch gemacht hat, aber so etwas wäre dennoch nicht vorgekommen. Eine Gärung im Volke ist nicht ausgeschlossen!

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8.7.1945

Heute abend um 9 Uhr war wieder eine Versammlung aller Bladersbacher Männer, wieder wurden neue Punkte festgelegt und ein Schreiben der brit. Mil. Reg. vorgelesen.

Anordnung 2.
Punkt 1: Alle Posten haben in der Zeit, wo sie sich auf Wache befinden, laut Anordnung der
               britischen Militär Regierung, eine weiße Armbinde mit dem Stempel der Pol. Verw.
               Waldbröl zu tragen.

Punkt 2: Diese Armbinden werden mit dem Horn immer der Ablösung übergeben und

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             am Morgen Herrn Böckmann, Bladersbach 27, abgegeben.

Punkt 3: Laut Anordnung der brit. Mil. Reg. sind die Bewohner von Bladersbach zu diesem
             Wachdienst ehrenamtlich heranzuziehen. Wer dagegen verstößt, wird der Polizei
               übergeben.

Punkt 4: Zu dem Wachdienst können 17-70 Jahre alte Männer herangezogen werden.

Punkt 5: Diese Anordnung tritt sofort in Kraft.

10.7.1945

Heute morgen ist meine Mutter mit Familie Röthe und Baum nach Köln

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gefahren, um mal zu sehen, was dort eigentlich los ist.

12.7.1945

Heue abend gab Rottland Alarm!
Wahrscheinlich wird dort eingebrochen. Man weiß noch nichts genaueres. In der Nacht aber gegen halb ein Uhr hörten die Bladersbacher Wachen in Rossenbach schweres Hundegebell und in dem Hof war auch Licht. Sicher auch dort eingebrochen!
Mal morgen hören was los war!

13.7.1945

Die Ursache des gestrigen rottlander Alarms ist die, daß Banditen etliche Kühe von einer Weide geholt hatten.

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Ebenso hatten sie diese Nacht Rossenbach überfallen. Also wieder Unruhen in allen Landen.

Gott sei Dank kam heute abend meine Mutter von Köln zurück und brachte gute Nachrichten mit. Mutter hat die Absicht mit mir am Montag wieder nach dort zu fahren.

14.7.1945

In der Nacht wurden wieder zwei Orte überfallen und zwar die aus nur drei bis vier Häuser bestehenden Höfe Omeroth und Kölschbach im Nutscheider Wald. Die Schießereien konnte man bis hier her hören.

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VII. Kapitel

Ein Trip nach Köln

vom 17. Juli 1945 bis
       20. Juli 1945

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17.7.1945

Fahre heute morgen mit Mutter nach Köln. Treffen dort nach etlichen Kontrollierereien und einer schrecklichen Himmelfahrt um halb fünf Uhr dort ein. Wenden uns zunächst nach Zollstock, ich besuche meinen Freund „Oma“ und gehe dann mit meiner Mutter bei Frau Leffin schlafen. Lerne dort den Neffen Frau Leffins kennen. Er ist bestimmt ein patenter Kerl.

18.7.1945

Faulenzen war meine Tätigkeit bis jetzt in Köln, gehe nämlich nur mal mit Theo, so heißt dieser Neffe, einkaufen und Wasser holen, tuen sonst aber auch gar nichts.

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19.7.1945

Gehen heute (Mutter, Theo und ich) nach Zollstock einige Sachen, wie ein Servierwagen, einen kleinen Tisch und ein Wandbrett, holen und treffe dabei Herbert Nebgen. Er ist gut von Drabenderhöhe nach Felderhoferbrücke gekommen und auch von dort nach Dernbach im Westerwald. Leider mußte er dringend weiter und so verschoben wir eine nähere Aussprache auf einen anderen Tag.
Sonst geschah weiter nichts.

20.7.1945

Heute heißt es wieder fort von Köln. Mir hatte es gut dort gefallen, doch für ewig in den Trümmern zu hausen

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hätte ich wenig Interesse. –

Mit den Aufräumungsarbeiten der Pg.‘s geht es nur langsam vorwärts und was sonstige Arbeit anbetrifft, ist keine da! –

Dazu blüht der „schwarze Markt“ am Dom wie selten! Vorigen Freitag soll er nach amtlichen Berichten im „Kölnischen Kurier“ vernichtet worden sein (!!??), heute blüht das Geschäft wieder wie zuvor. (Was will die jetzige Polizei gegen die Unterwelt machen?) Die Preise der Waren sind haarsträubend. Für eine deutsche Zigarette 5 Mark, für eine englische 8 Mark. Für ein Pfund Bohnenkaffee 500 Mark und für einen Riegel englische Schokolade 8-10 Mark. Also Zustände wie im alten Rom.

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Hier der amtliche Bericht des „K.K.“

Ein schwarzer Tag für den Schwarzen Markt

Die ersten Prozesse gegen Personen, die bei der Razzia auf dem Kölner Domplatz am Freitag verhaftet wurden, finden in dieser Woche vor dem Militärgericht statt.

Von 423 Personen, die an diesem Freitag vom Schwarzen Markt vor dem Dom zur Polizei gebracht wurden, befinden sich noch 48 in Haft.

Die Razzia, bei der in Köln zum erstenmal britische Militärpolizei und deutsche Polizisten eine gemeinsame Aktion durchführten, setzte schlagartig am 13., nachmittags 3 Uhr, ein.

Der Platz vor dem Dom war zu dieser Stunde gefüllt mit Hunderten von Männern, Frauen und Kindern, Angehörigen aller möglichen Nationen. Ein lebhafter Handel war im Schwung.

Um Zigaretten, Schokolade, Uhren, Schnaps, alte Schuhe, Photoapparate, Wäschestücke, ja sogar um Medaillen und Auszeichnungen wurde in den mannigfachsten Sprachen gefeilscht.

Zigaretten fanden für Mark das Stück ihren willigen Käufer, während auf der anderen Seite gerade jemand eine gute Armbanduhr gegen 120 Zigaretten einzuhandeln versuchte.

(Fortsetzung umseitig)

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Kriminelle Existenzen

Neben zweifellos kriminellen Existenzen, die hier aus der Not der Bevölkerung Kapital schlagen wollten, sah man auch alte Mütterchen, die ihre letzten armseligen Kleinigkeiten im Tausch gegen Brot oder Konserven umzusetzen gedachten.

Über dem wogenden Menschenhaufen lastete die brennende Julisonne, als plötzlich jemand den Warnruf ausstieß: „Achtung, Polizei!“ Und schon tauchten aus der Andreasgasse rotbemützte britische Militärpolizei und deutsche Polizisten in Blau auf.

Als ob ein Wirbelwind über den Platz fegte und die Menschen vor sich hertrieb, lief, rannte, stürzte jeder nach dem Domhof zu. Links und rechts flogen die Waren der Schwarzhändler über den Platz, da sie nicht mit dem Besitzer als Beweismaterial in die Hände der Polizei fallen sollten. Einige besonders Gewitzte stürmten in die zerstörten Häuser, um sich zwischen den Ruinen zu verbergen. Aber auch das war vergebens, denn die Polizei war hinter ihnen her.

Umstellt

Die Masse jedoch, die rheinwärts zu entkommen suchte, kam auch nicht weit, denn hier sah sie sich einem Sperrgürtel von Polizei gegenüber.

So wurde die Masse auf einem engen Raum von der vorbildlich durchgeführten Polizeiaktion zusammengedrängt. Kritische Situationen gab es, da viele Räder bei sich führten, über die Flüchtende stolperten.

In dem kleinen Kessel waren alle umstellt: Kunden des Schwarzen Marktes, Händler, Neugierige und zufällige Passanten.

Auf fünfzehn Lastwagen wurden die

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423 Personen in bemerkenswert kurzer Zeit verladen und zur Polizei geschafft, wo die Sichtung vor sich ging. Auf der Fahrt zur Kriminalpolizei flogen immer noch links und rechts belastende Waren aus dem LKW. So fiel zum Beispiel ein Säckchen Kaffee auf die Straße, platze und die kostbaren Bohnen vermischten sich mit dem Staub der Gasse.

Die ganze Aktion vor dem Dom hatte genau 55 Minuten gedauert. Der eben noch überfüllte Platz war völlig menschenleer, als die Rotkappen im Hintergrund wieder verschwanden.

Die meisten der zur Polizei Gebrachten wurden noch im Laufe des Abends wieder nach Hause entlassen. Von den 48 Verhafteten sind 21 deutsche Staatsbürger, darunter 6 Frauen, 15 Russen und 12 Italiener.

Die Militärbehörden sind entschlossen, mit allen Mitteln den Kampf gegen den Schwarzen Markt fortzusetzen, bis er ausgemerzt ist.

Soweit der amtliche Bericht des „Kölnischen Kuriers“. –

Wir trafen um vier Uhr in Bonn ein, nachdem wir eine Himmelfahrt mit der Vorgebirgsbahn gut überstanden hatten.

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Bonn bot uns ein ekelhaftes Bild. Deutsche Mädchen und Frauen liefen dort mit Neger Arm in Arm herum, liebkosten sich öffentlich und taten so, als wenn es gar nichts wäre.

Da soll man noch Achtung vor einem deutschen Mädchen haben. Pfui Teufel – und dafür haben deutsche Soldaten sechs lange Jahre im Dreck gelegen und ihr Leben geopfert. Bestehen die weiblichen Personen Deutschlands aus Huren? So wird allerorten von heimkehrenden Soldaten gefragt. Früher war ich stolz ein Deutscher zu sein, heute müßte man sich bis in den Grund schämen!

Oh, Deutschland, wie tief bist du gesunken?!

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Gott-sei-Dank waren wir um halb neun Uhr in unserem schönen Bladersbach. Lieber hier als in Köln!

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VIII. Kapitel

Allerlei

vom 21. Juli 1945 bis
     3. August 1945

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21.7.1945

Wir Jungen in Bladersbach haben uns aus einem gefundenen amerikanischen Ersatzbenzintank ein Boot gemacht und haben es heute auf den Namen „John“ getauft. Leider passierte sofort ein Unglück mit unserem „John“. Der 12 jährige Willi Wißkirchen und ich fuhren als dritter und hatten dabei daß Pech, mit dem Boot umzukippen. Mir passierte weiter nichts, als daß ich mir das Hemd kaputt riß, doch Willi dagegen riß sich ein ordentliches Stück Fleisch aus dem linken Bein.
Er muß das Bett hüten.

22.7.1945

Willi Wißkirchen, der Unglücksrabe von

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gestern hat heute 40 Grad Fieber und muß dringend im Bett liegen. Leider war heute am Sonntag kein Arzt in Waldbröl aufzutreiben.

23.7.1945

Da es uns auf unserem kleinen Bladersbacher Brandweiher nicht mehr gefällt, machen wir nach Hillesmühle hin, wo ein prima großer Mühlteich ist. Wie wir es uns vorgestellt hatten, so war es auch, prima!!

25.7.1945

Der heutige Tag war angefüllt von neuen Ereignissen.
Gegen 10 Uhr des Morgens kamen einige Belgier mit einem Panzerwagen zur

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Patroulle nach Bladersbach. Auch mit uns sprachen sie. In barschem Ton forderten sie von uns, durchs Dorf zu gehen und Eier für sie zu sammeln. Notgedrungen taten wir es und brachten 6 Eier zusammen und bekamen dafür - - zwei Zigaretten. Dann wollten sie ein H.J. Fahrtenmesser haben, der es ihnen bringen würde, bekäme viel Zigaretten. Mein Vetter Willi gab ihnen seins und bekam - - - - nichts. Er wurde beschuldigt, gegen den Befehl der Mil. Reg. verstoßen zu haben, weil sie keine Waffen abgegeben hätten. Sodann fuhren sie zum Ortsvorsteher Propach, machten dort Haussuchung und fanden dort noch einen kleinen Dolch.

Das wirkte sich für den Ort schlimm

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aus, denn am Nachmittag kamen ein paar Belgier nach Bladersbach, um Quartier zu machen. Zwei Zimmer bei Simons und die ganze Schule wurde in Beschlag gelegt.

Also soll Besatzung her - - - und alles wegen der verflixten Messer.

27.7.1945

Heute wurde folgendes (unter Verschwiegenheit) laut:
Im Ort Benroth war vor einiger Zeit ein Soldat aus der Gefangenschaft heimgekehrt. Ein Bauer aus der selben Ortschaft wollte es genau wissen, daß dieser Mann bei der SS gewesen war, und klagte ihn bei der belgischen Besatzungsbehörde an. Drei belgische Soldaten

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schleppten den angeblichen SS-Mann aus seinem Haus und hieben ihn so mit Kolben und Stöcken, daß dieser ohnmächtig zusammen brach. Sodann holten diese Hunde Wasser herbei, gossen es über den Ohnmächtigen, wodrauf er aus der Ohnmacht erwachte, und fingen die Mißhandlungen von vorne an bis der Gepeinigte wie tot umfiel. Er mußte ins Krankenhaus Waldbröl eingeliefert werden.

Die Bürger des Ortes zogen nun vor das Haus des Anklägers und drohten ihm mit dem Tode, falls er sich nicht selbst dem Militärgericht stellen würde, um seine Unwahrheit zu gestehen. Einige Freunde des Anklägers gingen nun zum Ortspastor und baten ihn, er möge

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zur Besatzungsbehörde gehen, um den Ankläger verhaften zu lassen, sonst würde man ihn noch tot schlagen. Dies tat der Pastor auch, der Ankläger wurde verhaftet und einen Gerichtsversammlung eingeleitet.

Dabei kam heraus: Der Angeklagte war gar kein SS-Mann, sondern ein in den letzten Tagen des Krieges zur SS gezogener Soldat. Die Anklage war nur aus persönlichem Haß erfolgt. Wie der Ankläger, so wurden auch die drei belgischen Soldaten, die die Mißhandlungen des Angeklagten ausführten verhaftet. Der Angeklagte wurde in Abwesenheit freigesprochen. Er liegt noch immer im Krankenhaus zu Waldbröl.

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29.7.1945

Heute kamen drei belgische Soldaten zu Rollers, hielten dort, ohne eine Berechtigung dazu zu haben, Haussuchung und verschwanden mit allem Schmuck und Silber.

Ist das nicht geradezu lächerlich, die uns vor den Banden schützen sollen, kommen am Tag und stehlen alles - - - - und in der Nacht hält man Wache.

31.7.1945

Der Fall bei Roller wird von der Militärbehörde genau untersucht. Herr Roller hat den Fall in Ruppichteroth angegeben.

1.8.1945

Hier ist jetzt wieder allerhand los, diesbezüglich Banden. Es kommt zu regelrechten

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Straßenschlachten zwischen Banditen und belgischen Soldaten. Etwas hinter Waldbröl wurden zwei belgische Offiziere ermordet aufgefunden. Die Täter wurden gefaßt und zum Tode verurteilt. Es waren zwei Russen.

Zwischen einigen auf frischer Tat ertappten Banditen und belgischen Soldaten kam es hinter Waldbröl zu einem Kampf, in dessen Verlauf ein Belgier verwundet und ein Pole getötet wurden.

Davon erfährt aber die Öffentlichkeit nichts. Nach außen ist alles Ruhe und Frieden - - - - doch ein Blick hinter die Kulissen genügt, um zu sehen, daß der Krieg noch nicht vorbei ist.

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3.8.1945

Herr Böckmann, der Leiter des Bladersbacher Selbstschutzes liegt mit einer schweren Krankheit im Waldbröler Krankenhaus. Herr Korbach, Lehrer von Bladersbach, hat seine Stelle übernommen.
Er hat angeordnet:

Anordnung 3.
Punkt 1 Da sich der Fall des Überfalles nicht wiederholt hat, wird Posten III (Simon) eingezogen.

Punkt 2 Zu dem Wachdienst können ab jetzt Männer im Alter von 14-60 Jahren
             herangezogen werden.

Punkt 3 Diese Anordnung tritt sofort in Kraft.

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IX. Kapitel

Japan’s Ende

vom 4. August 1945 bis
   8. September 1945

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4.8.1945

In England ist der Wahlkampfen Ende. Mit einer Mehrheit von 2 Millionen Stimmen wurde die Arbeiterpartei unter Clement Attlee vor dem ehemaligen Premierminister Winston Churchill und als Außenminister vor Anthony Eden Ernest Bevin gewählt. Damit hat die bisher in England herrschende konservative Partei eine Niederlage erlitten und mußte der Arbeiterpartei Platz machen.

5.8.1945

Die Potsdamer Dreierkonferenz ist zu Ende. Heute wurde das Komunique bekannt gegeben, daß aus 6000 Worten besteht und sich mit allen Fragen betreffs Deutschland und Österreich befaßt.

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Grenzänderungen sollen bisweilen nur an der Ostgrenze Deutschlands vorgenommen werden.

An Rußland: Gebiet um Königsberg von einem Punkt an der Danziger Bucht nördlich Braunsberg und Goldap bis zum Schnittpunkt der Grenzen Polens-Litauens und Ostpreußens.

An Polen: Alles Gebiet östlich von Swinemünde, der Oder und Neisse bis zur tschechischen Grenze. Als Ostgrenze Polens gilt die von 1940.

9.8.1945

Die Sowjetunion hat dem Kaiserreich Japan den Krieg erklärt.

10.8.1945

Japan hat die Kapitulation den Aliirten

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angeboten. Auf das Potsdamer Ultimatum hatte Japan mit einem „Nein!“ geantwortet. Jetzt aber, nachdem Rußland ihnen den Krieg erklärt hat und einige Atombomben auf Japan gefallen sind, haben sie es sich anders überlegt, unter der Bedingung das die Rechte des Kaisers unangetastet blieben.

12.8.1945

Die „Vereinten Nationen“ nehmen das Kapitulationsangebot unter dem Vorbehalt an, daß die Souveränität des Kaisers Hirohito dem alliirten Oberbefehlshaber Japans unterworfen wird.

16.8.1945

In der Nacht vom 14.-15. August 1945

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gab Tokio die bedingungslose Kapitulation Japans bekannt. Die jap. Truppen in Niederl. Indien haben sich bereits ergeben, dagegen kämpfen die Truppen in Birma weiter. –

General MacArthur ist zum alliirten Oberbefehlshaber Japans ernannt worden.
China wird sich an der Besetzung Japans beteiligen.
Alle jap. Außenbesitzungen fallen an ihre ehemaligen Besitzermächte zurück.
Das jap. Hoheitsgebiet soll sich auf die Inseln Honschu, Hokkaido, Kinschu und Shikoku beschränken, sowie auf eine Anzahl kleinerer Inseln, die von den Alliirten bestimmt werden.
Die jap. Regierung unter Ministerpräsident Togo ist zurückgetreten.

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Kaiser Hirohito befaßt sich mit der Bildung einer neuen Regierung unter Prinz Higashikuni, der ein Onkel der Kaiserin ist.

2.9.1945

Heute unterzeichneten die japanischen Bevollmächtigten unter Außenminister Shigemitsu um 2.30 Uhr MEZ, an Bord der „Missouri“ die bedingungslose Kapitulation aller japanischen Streitkräfte in überall.

Der zweite Weltkrieg ist somit nach nahezu sechsjährigem Ringen beendet.

8.9.1945

Die Waffen ruhen überall!

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Nun einige Zeitungsartikel zur Wiedergutmachung Deutschlands.

Aus dem Potsdamer Kommuniqué bringen wir im folgenden die Beschlüsse über die deutschen Wiedergutmachungsleistungen und die Ostgrenzen.

Gemäß den Beschlüssen der Krimkonferenz, daß Deutschland genötigt werden soll, im größtmöglichen Ausmaß die Verluste und Leiden wieder gutzumachen, die es den Vereinten Nationen verursacht hat und für die das deutsche Volk sich seiner Verantwortung nicht entziehen kann, wurde folgende Vereinbarung über die Wiedergutmachungsleistungen getroffen.

1. Die Wiedergutmachungsansprüche der Sowjetunion sollen durch die Beschlagnahme und den Abtransport von Anlagen und Sachwerten in der russischen Besatzungszone sowie aus geeigneten deutschen Auslandsguthaben befriedigt werden. 2. Die Sowjetunion unternimmt es, die Wiedergutmachungsansprüche Polens aus ihrem eigenen Anteil an der Wiedergutmachung zu befriedigen. 3. Die Wiedergutmachungsansprüche der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und anderer Länder sollen aus Aktiven der westlichen Zonen und geeigneten deutschen Auslandsguthaben befriedigt werden.

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4. Außer den Wiedergutmachungsleistungen, die die Sowjetunion aus ihrer eigenen Besatzungszone erhält, soll die Sowjetunion aus den westlichen Zonen zusätzlich erhalten: a) 15 v. H. der brauchbaren und vollständigen industriellen Produktionsanlagen, insbesondere der Metallindustrie, der chemischen und der Werkzeugmaschinenindustrie, die nicht für die Deckung des friedlichen deutschen Wirtschaftsbedarfs erforderlich sind, sollen aus den westlichen Zonen Deutschlands entfernt werden gegen eine entsprechende Menge von Nahrungsmitteln, Kohlen, Kali, Zink, Bauholz, Tonerzeugnissen, Petroleumprodukten und anderen Artikeln, über die noch eine besondere Regelung zu treffen ist. b) 10 v. H. der für die Deckung des friedlichen deutschen Wirtschaftsbedarfs entbehrlichen industriellen Produktionsanlagen sollen aus den westlichen Zonen entnommen und der Sowjetregierung ohne Bezahlung oder Gegenlieferung unter Anrechnung auf das Wiedergutmachungskonto übertragen werden. Der in a) und b) vorgesehene Abtransport von Produktionsanlagen soll gleichzeitig erfolgen. 5. Der Zeitpunkt des Abtransports der industriellen Anlagen muß in spätestens sechs Monaten festgesetzt werden. 6. Der Abtransport industrieller Produktionsanlagen hat so rasch wie möglich zu beginnen und soll innerhalb von zwei Jahren, beginnend von dem in Absatz 5 festgesetzten Zeitpunkt, beendet sein. Die Lieferung der in 4. a) genannten Güter durch die Sowjetunion soll so rasch wie möglich in Teillieferungen, über die noch eine Vereinbarung getroffen werden soll, erfolgen und in fünf Jahren abgeschlossen werden. Die Festsetzung des Umfanges und der Art der industriellen Produktionsanlagen, die für die friedliche Wirtschaftsproduktion Deutschlands entbehrlich sind und daher für Wiedergutmachungsleistungen herangezogen werden können, wird durch den Kontrollrat erfolgen gemäß den Grundsätzen, die von der alliierten Reparationskommission unter Beteiligung Frankreichs zu bestimmen sind, vorbehaltlich der endgültigen Genehmigung des Oberbefehlshabers der Zone, aus der diese Produktionsanlagen weggeschafft werden sollen.

 

 

7. Vor der Festsetzung der Gesamtmenge der abzuliefernden Produktionsanlagen sollen Vorauslieferungen solcher Ausrüstungsgegenstände gemacht werden, die in Übereinstimmung mit dem in letzten Satz des 6. Absatzes festgesetzten Verfahren für passend erachtet werden. 8. Die Sowjetregierung begibt sich aller Ansprüche auf Wiedergutmachungsleistungen aus Anteilen an deutschen Wirtschaftsunternehmungen in den westlichen Besatzungszonen sowie aus deutschen Auslandsguthaben in allen Ländern mit Ausnahme derer, die im Absatz 9 genannt sind. 9. Die Regierungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten begeben sich aller Ansprüche auf Wiedergutmachung aus Anteilen an deutschen Unternehmungen, die in der östlichen deutschen Besatzungszone ihren Sitz haben, sowie aller Ansprüche auf deutsche Auslandsguthaben in Bulgarien, Finnland, Rumänien, Ungarn und dem östlichen Österreich. 10. Die Sowjetregierung erhebt keine Ansprüche auf Gold, das von den alliierten Truppen in Deutschland erbeutet wurde.

Die Konferenz erzielte eine grundsätzliche Einigung über die Verwendung und Aufteilung der deutschen Kriegsmarine und Handelsschiffe, die sich den Alliierten ergeben haben. Es wurde beschlossen, daß die drei Regierungen Sachverständige ernennen werden, die gemeinsam im einzelnen Pläne für die Ausführung der angenommenen Grundsätze ausarbeiten sollen.

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Die Ostgrenzen

Stadt Königsberg und Umgebung: Die Konferenz prüfte einen Vorschlag der Sowjetregierung, nach dem, ohne den endgültigen territorialen Bestimmungen des Friedensvertrages vorzugreifen, derjenige Abschnitt der Westgrenze der Sowjetunion, der an die Ostsee anstößt, von einem Punkt an der Ostküste der Danziger Bucht in östlicher Richtung nördlich von Braunsberg, Goldap und dann zu dem Schnittpunkt der Grenzen Litauens, Polens und Ostpreußens verlaufen soll. Die Konferenz hat grundsätzlich dem Vorschlag der Sowjetregierung zugestimmt, nachdem die Stadt Königsberg und ihre Umgebung gemäß der obenerwähnten Grenzziehung in das Gebiet der Sowjetunion einbezogen wird. Die genaue Grenzfestlegung durch Sachverständige bleibt vorbehalten. Der Präsident der Vereinigten Staaten und der britische Premierminister haben erklärt, daß sie den Vorschlag der Sowjetregierung bei der kommenden Festlegung des Friedensvertrages unterstützen werden.
(Fortsetzung folgt.)

Polens Zukunft

Bezüglich der Westgrenze Polens wurde folgende Vereinbarung erzielt: In Übereinstimmung mit der Vereinbarung über Polen, die auf der Krimkonferenz erzielt wurde, haben sich die drei Regierungschefs die Auffassung der polnischen provisorischen Regierung der nationalen Einheit vortragen lassen bezüglich jener Gebiete im Norden und Osten, die zu Polen kommen sollen. Die drei Regierungschefs geben erneut der Meinung Ausdruck, daß die endgültige Festsetzung der polnischen Westgrenze bis zur allgemeinen Friedensregelung aufgeschoben werden soll.

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Vorbehaltlich der endgültigen Festsetzung der polnischen Westgrenze sind die drei Regierungschefs übereingekommen, daß die folgenden ehemals deutschen Gebiete der Verwaltung des polnischen Staates unterstellt werden und zu diesem Zweck nicht als Teil der russischen Besatzungszone gelten sollen: Das Gebiet östlich einer Linie, die von einem Punkt an der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde entlang der Oder bis zum Zusammenfluß mit der Neiße, sodann an der Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft einschließlich jener Teile von Ostpreußen, die nicht in Übereinstimmung mit den Beschlüssen dieser Konferenz unter die Verwaltung der Sowjetunion gestellt wurden; sodann das Gebiet der früheren Freien Stadt Danzig.

Die drei Regierungen betrachten es als wünschenswert, daß die gegenwärtige ungewöhnliche Stellung Italiens, Bulgariens, Finnlands, Ungarns und Rumäniens durch den Abschluß von Friedensverträgen geregelt wird. Die Vorbereitungen eines Friedensvertrags mit Italien wird als die erste und die unmittelbar wichtigste Aufgabe vorgesehen, mit der sich der neugeschaffene Rat der Außenminister befassen soll. Der Abschluß eines solchen Friedensvertrags mit einer anerkannten und demokratischen italienischen Regierung würde es den drei Regierungen ermöglichen, ihrem Wunsch entsprechend einen Antrag Italiens auf Zulassung zur Organisation der Vereinten Nationen zu unterstützen. Die drei Regierungen haben ferner den Rat der Außenminister beauftragt, Friedensverträge für Bulgarien, Finnland, Ungarn und Rumänien vorzubereiten.

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Ein Zeitungsartikel zum ersten Schritt des Friedensvertrages

Die Russen räumen die Mandschurei

Die russischen Truppen, die in zwei Wochen Krieg gegen Japan die Mandschurei besetzt haben, werden diese drei Wochen nach Unterzeichnung der japanischen Kapitulation zu räumen beginnen und innerhalb von drei Monaten den Chinesen zurückgeben.

Dieses ist eine der Bestimmungen von weittragender Bedeutung für Ostasien, die in dem russisch-chinesischen Vertrag enthalten sind, der in Moskau nach Besprechungen zwischen Stalin, Molotow und dem chinesischen Ministerpräsidenten Dr. Sung abgeschlossen wurde.

Weitere wichtige Bestimmungen dieses Vertrags sind: 1. Dairen wird ein Freihafen für alle Nationen sein und gemeinsam von China und Rußland verwaltet werden. 2. Port Arthur wird beiden Nationen als Flottenstützpunkt dienen. Die Russen übernehmen seine Verteidigung, die Chinesen seine Zivilverwaltung. 3. Rußland erklärt, daß es nicht die Absicht hat, sich in die inneren Verhältnisse Chinas einzumischen. 4. China wird die Äußere Mongolei als selbständigen Staat anerkennen, der von Rußland respektiert werden wird. 5. Die Ostchinesische und Südmandschurische Eisenbahn werden als Gemeinbesitz Rußlands und Chinas von den Vertragspartnern gemeinsam betrieben werden und nach dreißig Jahren ohne Kompensation an China übertragen werden.

Die Bestimmungen des russisch-chinesischen Vertrags bleiben dreißig Jahre in Kraft.

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Zeitungsartikel zur bedingungslosen Kapitulation Japans.

Die japanischen Bevollmächtigen unter Führung des Außenministers Shigemitsu unterzeichneten am Sonntag, 2.30 Uhr MEZ, an Bord der „Missouri“ die bedingungslose Kapitulation Japans, die den zweiten Weltkrieg, fast genau sechs Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen, abschließt und das in dreitausend Jahren nie eroberte japanische Kaiserreich den Befehlen des amerikanischen Oberbefehlshabers unterwirft.

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Inhalt

1. Fronthelfer – M-G-Schütze Panzerknacker         5
2. Meine Flucht                                                      31
3. Wirrungen zu Hause                                           39
4. Der militärische Endkampf                                 49
5. Waffenstillstand                                                 59
6. Unruhen                                                               77
7. Ein Trip nach Köln                                             89
8. Allerlei                                                                 99
9. Japan’s Ende                                                      109
10. Zeitungsartikel                                                   115