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Tagebuch für die Reise nach Rantau (1940)

Tagebuch für die Reise nach Rantau

Klaus Schlimm

Tagebuch

für meine Reise nach

Rantau

von

Klaus Schlimm

Essen-Werden, Schiefenberg 16.

Zum Gleit.

In diesen Ferien fuhr ich nach Rantau bei Neukirchen an der Samlandküste. Ich sollte eigentlich nach Magdeburg fahren. Aber da Tante Erika einen von uns nehmen wollte und Henning noch nicht allein fahren konnte fuhr ich nach Rantau. Dieses Tagebuch soll nun einen kleinen Überblick über meine Reise geben.

 

 

Sonntag, den 14.7.1940

Die Reise.

Als ich in Essen abfuhr, hatte ich einen guten Fensterplatz. Ich konnte aber leider in diesem Wagen nur bis Hamm fahren. Dort mußte ich in einen anderen, vollbesetzten, steigen. Ich fuhr nun über Bielefeld nach Hannover meistens stehend. Nur der Freundlichkeit der Soldaten verdanke ich es, das ich manchmal sitzen konnte. In Hannover wurde der Zug wesentlich voller. Von Hannover über Stendal nach Berlin kam das schönste Stück der Fahrt. Bei Fallersleben

sah ich das riesiggroße Volkswagenwerk mit eigenem Hafen, Bahnhof, usw. In Stendal sah ich eine entgleißte Lokomotive. Dann fuhren wir durch waldig-sandige Gegenden nach Richtung Berlin. Ich hatte mich mit den Soldaten angefreundet und erzählte ihnen daß ich am Dienstag Geburtstag hätte. Sie hatten sich jeder eine Pulle Selter geholt. Alle fünf leeren Flaschen durfte ich wegbringen und die fünfzig Pfennig Pfand behalten. Das war das Geburtstagsgeschenk der Soldaten. In Berlin trag ich mit starker

 

 

Verspätung ein. Ich konnte gerade noch in den Zug nach Königsberg stürzen und schon fuhr er ab. In dem vollgefroppten Zuge bekam ich gerade noch einen Sitzplatz. Bis Küstrin dusselte ich, dort wurde daß Abteil leerer. Ich konnte mich hinlegen. Ich schlief bis halb 9. Wir fuhren über den ehemaligen p. Korridor. Man konnte deutlich die verschluderten Häuser der Polskaneger[=?] sehen am frischen Haff gab es furchtbar viel Störche. Auf den Telegraphenmasten waren Storchennester mit Jungen.

In Königsberg holte mich Tante Erika hocherfreut vom Bahnsteig ab.

Montag, 15.7.40.

Wir gingen nun zu Tante Erikas Königsberger Wohnung, wo T. Erika mir ein herrliches Frühstück bereitete. Dann fuhren wir nach Rantau. Ich fand den Weg zu unserem Hause ganz allein. Nach dem Mittagessen spielte ich m. T. E. U-Boot. Nachher sah ich zum erstenmal die See. T. E. badete. Zu Hause gab es Abendbrot und ich ging

 

 

ins Bett.

Dienstag, 16.7.40.

Morgens wurde beschert. Vormittags gingen wir an den Strand und bauten mit Peter aus Hamburg – Ich hatte mich mit ihm gleich am 15. angefreundet, er wohnt [.?.]aus zu Gast - eine Burg. N. tranken wir im Kurhaus den Geburtstagskaffe. Abends ging uns der Tauchfisch kaputt. Doch ein Gewitter. Herr Sviederski der unten wohnte konnte den Fisch nach schwieriger Bauch Operation wieder gesund machen.

Tante Erika hatte mir einen

Marienkäfer und eine goldene Nuß geschenkt in dem Marienkäfer war ein kleines Schwein mit folgendem Vers ihnen: Noch ist das Schwein nicht aufgegessen / von stolzer Menschenkreatur, / läßt Du Dich ebenfalls nicht fressen, / dann bist Du auf des Glückes Spur.

In der Nuß war eine drot[=?] mit dem Verschen:

Menschen müssen lange singen, um Kunst in den Gesang zu bringen; die Drossel zwitschert einfach bloß, und gleich klingt alles tadellos.

Mittwoch, 17.7.40

V. fand der feierliche Taufakt der Burg am Strande statt. Erst hielt ich eine Rede dann Peter. Peter taufte dann die Burg

 

 

indem er ein paar Tropfen Sekt (es war natürlich Himbeersaft) auf den in die Wand eingelassenen Namen sprengte und dazu sagte „Ich taufe Dich HEK“ HEK heißt Hamburg – Essen – Königsberg. N. waren wir in Alk[.?.] u. Rantau auf Kartoffeljagt.

Donnerstag, 18.7.1940

Nachdem T. E. von einer erfolgreichen Kartoffelexpedition zurückgekehrt war gingen wir an den Strand. Wir baute einen Hafen und spielten krank, todkrank usw. N. gingen wir an die Rantauer Spitze. Wir machten auf Steine zielwerfen, wobei ich T. E. 2:0

schlug auf einer historischen Steinburg im Wasser erzählte mir T. E. eine Schauergeschichte. Dann gingen wir nach Hause und als ich dann im Bett lag habe ich T. E. viel vom Buzi erzählt.

Freitag, 19.7.1940

T. E. u. ich haben Morgens sehr lange geschlafen. Nachdem wir endlich aufgestanden waren ging es an den Strand. M. N. machten wir einen herrlichen Spazierg. in den Zauberwald. Wir fingen Heuschrecken, Schmetterlinge und Frösche, wir aßen Blaubeeren und Walderdbeeren. Auf einem

 

 

Hochsitz tranken wir N. Kaffe. Wir konnten von dort gut beobachten wie die Flugzeuge wenn sie landen wollten ihren Motor abdrosselten. Wir gingen nun über die Rantauer Spitzen Nachhause. Unten, bei Herrn Sviederskie hörten wir die Führerrede dann ging ich todmüde ins Bett.

Samstag, 20.

Als Tante Erika Morgens aus Neukuhren kam brachte sie mir die Nachricht, das das Schlachtschiff „Schleswig Holstein“ hier

vor Anker läge. Am Strande besahen wir uns dieses Weltwunder. Ich sammelte viele schöne Herzmuscheln. –

N. gingen wir an den Neukuhrener Hafen wir fanden dort viele Muscheln und Bernsteine. Auch auf die Nordmole gingen wir mal. Weil es schon schon sehr spät war mußten wir nun schnell Nachhause gehen.

Sonntag, 21.7.1940.

V. waren wir mit Atzlers zus. a. d. Strand. Ich fing mit Mathis Sefische.

N. gingen wir zu Heins.

 

 

Ich bin dort geritten und auf dem Wagen gefahren. Dann gingen wir an die Rantauer Spitze wo uns Atzlers trafen und mit ihnen zus. nach Hause gingen. Über unserem Fenster hatten wir schon lange ein Wespennest beobachtet. Alle ergriffen Partei für und gegen die Wespen. Fräulein Auguste tat es bitter Leid das Nest an dem die „armen Tierchen“ so fleißig gebaut hatten zu zerstören. Nun drückte Herr Sviederskie das Nest ein ohne daß es jedoch herunter fiel. Nur die

Wespen schwirrten wie die Blödsinnigen gegen die Fensterscheiben. Da ergriff Fräulein Auguste die Harke. Nun riß Fräulein Auguste das Nest ab, das es wie eine Pudelmütze in den Garten flog. Zu unserem Schrecken sehen wir jetzt wie sie anfangen sich ein neues Nest zu bauen.

Aber es soll ihnen nicht gelingen.

 

 

Montag, den 22.

Heute haben wir bei klatschendem Regen gebadet. Als wir Nachhause kamen waren ganz unerwartet Tschickans (!) da.

N. holten wir nun die Koffer von der Bahn ab. Dann gingen wir an die Rantauer Spitze. Wir beschlossen ein Heuschreckenwettspringen zu veranstalten welches dann auch sehr amüsant war. Ich schlug T. E. 5:4.

Dienstag, 23.7.1940

Heute V. wurde die Heck erneuert sie war schon gänzlich zusammen geschrumpft und sah scheußlich aus. N. wurde ein Spaziergang in die herrliche Plaue gemacht wir entdeckten das es dort verschiedene Reiche gibt. Erdberlieschen war ganz nett zu uns aber noch besser gefiel uns Rotbakus. Dann kamen wir in den Bereich des Kaisers Hangus. Dann [.?.] wir uns im Reich seines Statthalters Morastus Distesfink. Dann gingen wir durch das Reich des 2. Statthalters

 

 

Burkus heimwärts. Für kurze Zeit kamen wir auch noch durch das Reich von Berilis Amwegus[=?].

[Zeichnung]

Wir hatten ziemlich viel Erdbeeren gefund, sodaß ich Zh. einen großen Teller Erdb. mit Milch essen konnte.

Mittwoch, 24.7.40

Vorm. waren wir am Strand. N. M. fuhr T. E. nach Heyekrug und ich bes. den Flughafen. Ich habe mich dann auch in ein Flugzeug reingesetzt. Als ich Nh. kam ging ich mit Fra auf Eier-Hamsterjagt wir hamsterten vierzig Eier.

Donnerst. 25.7.

N. las ich in Fra. Schischt. Nachmittags war ich m. Fra. i. Haf.

Freit. 26.7.40.

Vorm. kokelte ich a. Herd.
Mitt. kam Te. dann gingen wir baden.

Samstag 27.7.40

Morgens gingen wir mit Atzlers zusammen baden. Nachmittags fällten

 

 

wir bei Atzlers eine große Birke. Dann tranken wir dort Kaffe. Darauf spielten wir auf der großen Wiese Heusrekenhochsprung[=?], und Graßorakel. Graßoracel war sehr interessant. Laut des Orakels kam Te. nicht nach Heydekrug, gab es morgen schlechtes Wetter, mußte Te mir frohen Herzens 3 Bonbons und drei Kekse schenken und würde es Hilde Atzler im Kindergarten gut gefallen. Dann gingen ich und Te nach Hause.

Sonntag 28.7.40

Vorm. waren wir mit Atzlers und Thuraus zus. am Strand. Herr Beck war auch da. Es war sehr hoher Wellengang laut dem Grasorakel von Frau Atzler war schlechtes Wetter. N. kam Tante Lieschen. Sie brachte mir eine Tafel Schokolade mit. Abends jagte wir noch die Hühner, erst das braune dann das schwarze, in den Stall.

Montag 29.7.40

Heute war sehr schlechtes Wetter. Am späten Vormittag gingen wir baden. Es war der höchste Seegang

 

 

den ich bis jetzt erlebt habe. Nachmittags konnten wir wegen des schlechten Wetters nichts anfangen. Erst am Abend gingen wir zur Rantauer Spitze. Dieser Spaziergang wurde allerdings noch durch verschiedene Regengüsse unterbrochen. Auf dem Rückweg dichteten wir ein Regenlied.

Dienstag 30.7.40

Vorm. fuhr ich mit Te nach [.?.]nicken. Wir besuchten dort eine alte Schulfreundin von Tetete. Wir machten mit ihr einen wunderschönen Spaziergang.

Dann ging ich mit Tetete zu Fuß bis Ronischen. Dort fuhr ich auch einmal mit der Drahtseilbahn.

Dann fuhren wir mit der Eisenbahn nach Hause, wo wir 9.00 ankamen.

 

 

Mittw. 31.7.40

Vormittags blieben wir wegen des schlechten zu Hause und spielten Mühle. Nachmittags klärte sich der Himmel ein bischen auf und wir gingen. Es war immernoch solch hoher Seegang wie Gestern. Anschließend davon gingen wir in den Zauberwald wir fanden dort viele Pilze: Champignons, Rothäubchen, Birkenpilze, Mäuserans[=?], Schleimpilze und Pfifferlinge. Es waren auch ein paar Erdbeeren da. Im Zauberwald hüpften furchtbar viel Frösche herum. Auf dem

Hochsitz waren wir auch mal. Zu Hause gewann ich noch mit allen neunen eine sehr aufregende Partie Mühlchen.

Donnerstag 1.8.40.

Vormittags waren wir Baden. Nach dem Mittagessen gingen wir nach Neukuhren und machten Besorgungen. Als wir nach Hause kamen, gingen wir Schüschken[=?] lesen.

Freitag 2.8.1940

Vorm. waren wir am Strande. Mittag fuhr Te nach Königsberg. N. holte ich mir Peter ab und wir gingen zus. in die Dünen.

 

 

Sonnabend 3.8.1940

Vorm. waren wir am Strande. Nachmittags half ich Te mit Johannisbeerenpflücken. Ich brachte eine große Schüssel zu Thuraus, worauf Peter und Mutfried mit kamen und Pflücken halfen.

Sonntag 4.8.1940

Vorm. waren wir baden. Nachm. zeigten wir Hilde Atzler die augenblicklich Kindergärtnerin ist, sämtliche Spiele die wir konnten. Dann gingen wir an die Rantauer Spitze. Anschließend daran gingen wir auf die Hünengräber und sammelten Sonnengold.

Montag 5.8.40

Vorm. waren wir am Strande. Nachm. brachten wir Schigans samt ihren Koffern an die Bahn.

Dienstag 6.8.40

Vorm. waren wir am Strande. N. gingen wir nach Garbseiden ich fand dort ganz anständige Stücke Bernstein.

Mittw. 7.8.40

Vorm. waren wir am Strande. Nachm. spielte ich mit Gerhard Räuber. Dann ging ich mit Te Schüschken lesen. Dann gingen wir an die Rantauer Spitze. Als wir Nachhause kam

 

 

holte Fralada (Augusta victoria Vespasiana) das Wespennest zum zweiten Mal herunter.

Donnerst. 8.8.40

Vorm. brachten wir ein Bett an die Bahn. Nachm. konnten wir wegen schlechten Wetters nichts unternehmen erst am Abend konnten wir den Segelflieger einweihen. Er flog allerdings nicht.

Freit. 9.8.40

Vormittags badeten wir bei strömendem Regen. Nachmittags packten wir die Koffer und machten die Absch.ves. bei Herrn Turau.

Samst. 10.8.40

Morgens verabschiedete ich

mich überall. Um 11 fuhren wir von Rantau los in Neukuhren gaben wir das Gepäck auf. Als wir in den Zug stiegen spielte ein Soldat die Kwetschkommode. Der Zug rollte an. Bei klingendem Handharmonikaspiel wurde Neukuhren verlassen. Noch einmal sah ich Rantau, den Zauberwald und die Plaue. Dann verschwand alles. - - - Wir fuhren nun durch die schöne Gegend nach Königsberg. Wir nahmen uns eine Taxe und fuhren Nachhause.

 

 

Von dort aus gingen wir zu Großvaters Grab. Anschließend besuchten wir die alten romantischen Stätten im Friedrichskollegium Göteschule usw. Wir sahen uns auch noch Kants Grab und die Alte Universität an. Dann gingen wir noch zum Weidendamm. Es war dort sehr schön. Abends um halb 11 lag ich im Bett.

Sonntag 11.8.1940

Morgens gingen ich mit Te in die Schloßkirche. Anschließend daran gingen wir in die Ostmesse. Nach

dem Mittagessen ruhten wir uns erst ein bischen aus, dann gingen wir zu Onkel Heinrich. ich lag heute Abend Ebenfalls halb 11 im Bett.

Montag 12.8.1940

Morgens mußte ich sehr früh aufstehen.

Te brachte mich zur Bahn. Ich fuhr von Königsberg bis Berlin Schlesischer Bahnhof. Ich hatte auch guten Stadtbahnanschluß, und eins bis Potsdam. Ich mußte dort 2 ½ Stunden im Wartesaal warten.

Adressen, an die ich schreiben muß.

xxxx R. Schlimm, Essen-Werden, Schiefenberg 16.
xxxx Jede Woche einmal!
x A. Bullmann, Magdeburg-N., Brüderstr. 16
x M. Korthaus, Essen-Werden, Mintropstr. 4
x (T. Krüger, Essen-Heidhausen, Ludscheidstr. 34)
x T. Krüger, Essen-Werden, Schiefenberg 18
x Gefr. B. Wasgien, Luftw. 21918
x Luftgaupostamt Frankfurt a. Main.
x Arbeitsmaid A. Heinze Brüssow V.M.
x R.A.D. 2/45.
xx H. Schlimm bei Bullmann Magdeburg –N. Brüderstr. 16
x E. Heinze, Greifswald/Pomm Markt 30.