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Zeitungen, Zeitschriften und Presselandschaft

„Die Presse ist ein Erziehungsinstrument, um ein Siebzig-Millionen-Volk in eine einheitliche Weltanschauung zu bringen“, verkündete Adolf Hitler 1934[1] und umriss damit den Stellenwert, den das NS-Regime den Presseerzeugnissen mit Blick auf seine Stabilisierung und dauerhafte Etablierung beimaß. Als Instrument der „Volkserziehung und Gemeinschaftsbildung“ standen sie zwischen 1933 und 1945 eindeutig im Dienst des totalitären Staates und sollten dabei eine „einheitliche Willensbildung der deutschen Nation“ im nationalsozialistischen Sinne sicherstellen.[2]

Neben Rundfunk und Film wurde die Presse so zum „wichtigsten massenmedialen Führungsmittel“ der NS-Zeit, unterschied sich zugleich aber deutlich von den beiden anderen Leitmedien: Während der Rundfunk völlig vom Propagandaministerium kontrolliert wurde und der Film aufgrund seiner Produktionsbedingungen ein überaus träges Medium war, entsprach die breite Presselandschaft weitaus eher der Forderung von Propagandaminister Goebbels, wonach die Medien „monoform im Willen“, zugleich aber durchaus „polyform in der Ausgestaltung“ sein sollten. In diesem Sinne blieb die Presselandschaft auch nach 1933 - zumindest äußerlich - zunächst durchaus vielfältig. Im Laufe der Zeit wurde aus einer Presse „im“ Nationalsozialismus dann aber doch die Presse „des“ Nationalsozialismus.[3] Gerade an ihrem Beispiel ist exemplarisch abzulesen, wie im Leben eines jeden, der eine Zeitung in die Hand nahm, um sich zu informieren, Vielfalt soweit zerstört wurde, dass zum Schluss nahezu nur noch einfältige Presseverlautbarungen der Reichsregierung übrig blieben. [4]

Angesichts solcher massiver Eingriffe in Pressefreiheit und –vielfalt stellt sich naturgemäß die Frage nach den Inhalten der auch nach 1933 nach wie vor sehr zahlreichen Presseerzeugnissen und deren Rezeption in der Bevölkerung. Karl Christian Führer etwa stellt fest, dass die politisch-propagandistische Instrumentalisierung der Massenmedien berechtigterweise als ein prägnantes Merkmal der nationalsozialistischen Diktatur gelte, kritisiert aber zugleich den die Forschung dominierenden Ansatz, der zumeist Film und Rundfunk in den Mittelpunkt des Interesses stellen würde, die dadurch für die Zeit nach 1933 als die wichtigsten „Propagandaträger“ erscheinen würden. Mit ihren film- und rundfunkzentrierten Darstellungen der NS-Propaganda, so die Hauptkritik Führers, reproduziere die Geschichtsforschung die Selbstdarstellung der Diktatur, „in der die deutsche Gesellschaft moderner erschien, als sie es war.“ Er selbst glaubt dagegen Gegenteiliges belegen und die These, „die Deutschen hätten nach 1933 in Scharen auf die Lektüre von Tageszeitungen verzichtet, in den Bereich der historischen Legenden verweisen zu können. Auch in der Diktatur habe die Presse nämlich nach wie vor verlässlich die übergroße Mehrheit der Bevölkerung erreicht, während Radio und Kino im Vergleich dazu Medien mit begrenzter Reichweite geblieben seien. Anders als das populäre Bild vom nationalsozialistischen Propagandaapparat es suggeriere, war und blieb die Tageszeitung in Deutschland laut Führer auch nach 1933 das am intensivsten genutzte Massenmedium.[5] Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf die Jugendlichen, in deren Reihen die Zeitungslektüre wesentlich stärker verbreitet war, als das gemeinhin angenommen wird. So sollen nach zeitgenössischen Erhebungen zu Beginn der 1930er Jahre rund 75 Prozent der 14-Jährigen täglich eine Zeitung gelesen haben.[6]

Insofern gilt es hinsichtlich der Wirkung von Zeitungen und Zeitschriften während der NS-Zeit stets zweierlei zu berücksichtigen und kritisch zu hinterfragen: Einmal deren seitens des NS-Regimes intendierte – oft unterschwellige - einnehmende Wirkung der Presse gerade jenseits der deutlich als solche zu erkennenden Kampf- und Hetzblätter. Zum anderen sollten aber auch die Möglichkeiten eines tatsächlichen Informationsgewinns bei kritischer Lektüre nicht außer Acht gelassen werden. Die Tagebücher von Victor Klemperer oder Friedrich Kellner etwa belegen, dass kritische – allerdings auch entsprechend vorgebildete und somit stets erwachsene - Leser die Manipulationsabsichten der NS-Presselenkung durchschauen und sich bis zu einem gewissen Grad ihr eigenes Bild verschaffen konnten. Die meisten Deutschen hätten also allein durch intensive Zeitungslektüre mehr wissen können – wenn sie es denn gewollt hätten.[7]

Fußnoten

[1] Zitiert nach Nachama, Vorwort, S. 6f.

[2] Schruttke, Jugendpresse, S. 22

[3] Vgl. Stöber, Presse, S. 275

[4] Vgl. Nachama, Vorwort, S. 6

[5] Führer, Tageszeitung, S. 411f.

[6] Vgl. Josting, Faschismus, S. 246

[7] So etwa Nachama, Vorwort, S. 7f.