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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Lebenswelten

Jugendliche wuchsen nicht in „luftleeren“ Räumen auf, sondern in ihren jeweiligen Lebenswelten. Gerade zwischen 1918 und 1945 machte es oftmals einen erheblichen Unterschied, ob man auf dem Land oder in der Stadt aufwuchs, im katholischen oder im Arbeitermilieu, ob in einer bürgerlichen Klein- oder in einer bäuerlichen Großfamilie. Wie veränderten sich damals die Familienstrukturen, wie die schulische Erziehung? Außerdem bestimmten neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung zunehmend das jugendliche Leben und Streben.

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Arbeit

Den Alltag der allermeisten Jugendlichen bestimmte nicht wie heute die Schule, sondern der Beruf. Dabei stellte der Eintritt ins Arbeitsleben, der in der Regel mit dem 14. Lebensjahr nach der Entlassung aus der Volksschule erfolgte, den wohl prägendsten Einschnitt im Lebenslauf der meisten Jugendlichen dar. 1925 gab es beispielsweise in ganz Westfalen lediglich 40.000 höhere Schüler, während für alle anderen die Schulzeit mit 14 Jahren beendet war und das Arbeitsleben begann. Entsprechend stellte die Wahl der Arbeit bzw. des Berufs einen für die ganze weitere Lebensplanung entscheidenden Schritt dar. Den erfolgreich zu meistern wurde im Zeichen einer krisenhaften Wirtschaftsentwicklung immer schwerer, den der durch massive Strukturwandlungen ohnehin unsichere Arbeitsmarkt war nunmehr schier überfüllt, weshalb die Geburtsjahrgänge der Jahre 1900 bis 1918 geradezu zu einer „überflüssigen Generation“ wurden.[1]

Zunächst einige Bemerkungen zum strukturellen Wandel: Der Agrarsektor verlor zwischen 1907 und 1933 kontinuierlich an Bedeutung, während der Produktionsbereich seine Vorrangstellung weiter ausbaute und der tertiäre Sektor mit Handel und Dienstleistungen zunehmend aufholte. Dabei waren Handel und Verkehr mit einer Steigerung der Beschäftigung von 12,4 über 16,4 auf 18,5 Prozent am Gesamtmarkt am stärksten. Dennoch blieb der Agrarsektor in Deutschland bis zum Beginn der 1930er Jahre der zweitgrößte Wirtschaftsbereich. Während in den östlichsten Provinzen 1925 sogar mehr als die Hälfte aller Erwerbspersonen in der Landwirtschaft tätig war, waren in der Provinz Westfalen zum gleichen Zeitpunkt weit über die Hälfte aller Erwerbstätigen unter 25 Jahren in Industrie und Handwerk beschäftigt, hingegen nur ein knappes Fünftel in Land- und Forstwirtschaft, ein Viertel in Dienstleistungsbereichen. Die Zahl der Selbständigen ging hingegen zwischen 1907 und 1925 geringfügig von 25,3 auf 22,4 Prozent zurück, wobei in der Zunahme der mithelfenden Familienangehörigen von 39,4 auf 49,1 Prozent zum einen die „Landflucht“ mit der Abwanderung familienfremder Arbeitskräfte in die Industriestädte, und zum anderen die verschlechterte Ertragslage in der Landwirtschaft zum Ausdruck kam.[2]

Entsprechend der Veränderung der wirtschaftlichen Strukturen strömten immer mehr junge Arbeitskräfte in die Produktions- und Dienstleitungsbereiche. [3] Nach der Betriebszählung von 1925 gab es in Deutschland rund 986.000 Fabrik- und Handwerkslehrlinge, davon etwa 850.000 männliche. Hieraus lässt sich schließen, dass zu diesem Zeitpunkt rund 40 Prozent aller männlichen Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren eine Lehre in Industrie und Handwerk absolvierten. Daneben wurden in Preußen 213.000 kaufmännische Lehrlinge gezählt, davon 133.000 männlichen Geschlechts. Nicht alle Heranwachsenden suchten oder fanden eine Lehrstelle. Im Frühjahr 1927 ergab etwa die Befragung von 200.000 Berufsschülern, dass 71,6 Prozent von ihnen Lehrlinge oder Ausgelernte und immerhin 28,4 Prozent An- oder Ungelernte waren. Bei den männlichen Jugendlichen belief sich der Anteil an Lehrlingen und Ausgelernten auf 83,5 Prozent, während lediglich 16,5 Prozent An-und Ungelernte waren. Unter der weiblichen Jugend lagen diese Anteile hingegen bei 50,5 und 49,5 Prozent.

Differenziert man diese Werte nach Gemeindegrößen, wiesen sie weitere prägnante Unterschiede auf. Insbesondere die Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern wiesen mit mehr als 60 Prozent einen sehr großen Anteil an Ungelernten auf, denen hier lediglich knapp 39 Prozent an Lehrlingen und Ausgelernten gegenüberstanden. In den Klein-, Mittel- und Großstädten waren dagegen jeweils deutlich unter 30 Prozent der Jugendlichen ungelernt und über 70 Prozent Lehrlinge oder bereits Facharbeiter. Der Anteil der Unqualifizierten stieg also beiden Geschlechtern deutlich an, je kleiner der Wohnort war, wobei die Berufsgruppen Landwirtschaft und Gärtnerei besonders hohe Anteile von an- und ungelernten Jugendlichen aufwiesen.

Fußnoten

[1] Vgl. Köster, Jugend, S. 39ff. und Peukert, Jugend, S. 97ff.

[2] Vgl. Büttner, Weimar, S. 213f. und Köster, Jugend, S. 40f. An den Besitzverhältnissen in der Landwirtschaft änderte sich in der Weimarer Republik ebenso wie an der Struktur der Betriebsgrößen wenig. 59,5 Prozent der Betriebe waren 1925 „Parzellenbetriebe“ mit weniger als 2 Hektar Nutzfläche, die nur einen landwirtschaftlichen Nebenerwerb ermöglichte. Auch bei den „kleinbäuerlichen“ Betrieben mit bis zu 5 Hektar Nutzfläche, die weitere 17,5 Prozent ausmachten, musste ein Teil der Bewirtschafterfamilie außerhalb des Hofes zu ihrem Lebensunterhalt hinzuverdienen. Vgl. Büttner, Weimar, S. 214f.

[3] Die folgenden Zahlen und Fakten nach Peukert, Jugend, S. 110f.

zuletzt bearbeitet am: 04.06.2016