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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Die Schule war bis 1933 neben der Familie der unumstrittene Ort kindlicher und jugendlicher Erziehung und Ausbildung. Mit der NS-Machtübernahme wurde hier allerdings nicht mehr nur unterrichtet, sondern häufig auch massiv ideologisch beeinflusst. Außerdem versuchten die Nationalsozialisten zunehmend verschiedene Formen von Lagererziehung zu etablieren, in deren Rahmen eine Indoktrination und Wehrerziehung noch effektiver möglich war. Im Krieg wurden die so beeinflussten Heranwachsenden dann zunehmend zu Kriegshilfsdiensten der unterschiedlichsten Art herangezogen.

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„Erweiterte Kinderlandverschickung“ (KLV)

„Kinderlandverschickung" war schon vor 1933 die Bezeichnung für gesundheitlich begründete Ferienreisen von Stadtkindern in ländliche Gebiete. Solche Verschickungen wurden auch nach der Machtübernahme sowohl von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) als auch - wenn auch in eingeschränkter Form - von kirchlicher Seite, etwa der Caritas, weiter durchgeführt.

Hiervon deutlich zu unterscheiden ist die „Erweiterte Kinderlandverschickung", die auf Weisung Adolf Hitlers seit September 1940 vom Reichsjugendführer Baldur von Schirach organisiert und geleitet wurde. Nunmehr trug die Hitlerjugend die inhaltliche Verantwortung und führte die Maßnahme in Zusammenarbeit mit der NSV und den Schulen durch. Der Terminus "Erweiterte Kinderlandverschickung" sollte suggerieren, dass es sich bei den massenhaften Evakuierungen aus den vor allem seit 1942/43 verschärft von Bomben bedrohten Städten lediglich um eine Ausweitung bereits vorher bestehender Erholungsmaßnahmen handeln würde.

Die eigentliche Notlage wurde in eine ideologische Tugend umgewandelt: Die Kinder waren vor den Kriegsauswirkungen geschützt und getrennt von Elternhaus und Kirche der politischen Beeinflussung und dem paramilitärischen Drill durch die HJ ausgeliefert. Das galt natürlich in erster Linie für die 10-14jährigen Kinder, die in KLV-Lagern untergebracht wurden, während die 6-10jährigen in „Familienpflegestellen" Unterkunft fanden. Seit Mitte 1943, verstärkt dann 1944 kam es zur Evakuierung ganzer Schulen.

Die KLV bedeutete für die verschickten Kinder zweierlei: zum einen das Abenteuer des Aufenthalts an zuvor unbekannten Orten, zum anderen die Angst vor der oft erstmaligen Trennung von den Eltern und dem vertrauten Umfeld.

Die Erfahrungen der einzelnen Kinder und Gruppen waren so unterschiedlich wie die Verschickungsziele und die Ausstattung der dort vorgefundenen Unterkünfte. Ob in KLV-Lagern oder in Familienpflegestellen: Wohl und Wehe der Kinder hingen in der „Fremde" in erster Linie vom Verhältnis zu den neuen Bezugspersonen ab. Wie nett und kinderfreundlich die Gasteltern oder wie streng und ablehnend die Lagerleitung war - dies bestimmte auch den Grad des Heimwehs der Kinder.

Der Alltag in der KLV - insbesondere der in den Lagern - war geprägt von einer formalen Zweiteilung der Verantwortlichkeit: Lagerleiter und Lehrer waren für die Organisation und Durchführung des Unterrichts zuständig, während den von der HJ gestellten Lagermannschafts- bzw. Lagermädelführerinnen die Gestaltung der Nachmittage oblag. Wenn es zumeist auch die Lagerleiter waren, die die Hauptverantwortung trugen und somit auch die Richtung bestimmten, in der das Lager geführt wurde, kam den HJ-Führern und BDM-Führerinnen im Lager eine große Bedeutung zu. Sie kontrollierten letztlich die gesamte Freizeit der Kinder, wobei in den Jungenlagern dem Aspekt der Wehrerziehung oft eine große Bedeutung zukam. Insgesamt galt auch in den KLV-Lagern die HJ-Maxime „Jugend führt Jugend".

Die Kinder selbst hingen sehr stark von Gegebenheiten ab, die sie kaum beeinflussen konnten. Ob es sich nun um Fragen der Unterbringung, Ernährung, Freizeitgestaltung oder Gesundheit handelte - es waren stets Mitglieder der Lagerleitung oder die Gastfamilien, die nach Gutdünken entschieden. Der zumeist einzige Weg, sich in Fällen von Konflikten oder persönlichen Notlagen einem Vertrauten mitzuteilen, bestand für die Kinder im Briefkontakt mit ihren Eltern und Freunden, der allerdings oft kontrolliert wurde. „Fremde" konnte daher für jedes verschickte Kind etwas völlig anderes bedeuten. Interessante Landschaften und Eindrücke oder neue Freundschaften standen dabei oft hartem Drill und traumatischen Erlebnissen gegenüber. „Fremde" bedeutete aber fast immer auch stete Angst um die übrigen Familienmitglieder, die sich entweder weiterhin in den luftkriegsbedrohten Städten aufhielten oder an der Front standen.

Die Zahl der evakuierten Kinder und Jugendlichen ist bis heute strittig. Die Schätzungen schwanken zwischen zwei bis fünf Millionen, die im Laufe des Krieges im Rahmen der KLV in fremde Familien oder eins der etwa 5.000 Lager verschickt wurden. Sie lebten teilweise jahrelang in Schullandheimen, Jugendherbergen, Zeltlagern, Pensionen, Hotels, Klöstern usw. Nachdem die Kinderlandverschickung Anfang 1944 ihren Höhepunkt erreicht hatte, begannen Mitte desselben Jahres die Rückführungen, die sich bis in die ersten Nachkriegsmonate hinzogen, vielfach gerieten die Kinder bei Kriegsende zwischen die Fronten, oft nach der Flucht des Betreuungspersonals.

zuletzt bearbeitet am: 19.04.2016