geborene Strauß
geb. in Essen 1923
Marianne Strauß kommt am 7. Juni 1923 in Essen zur Welt. Da ihr Vater Siegfried eine erfolgreiche Getreide- und Futtermittelfirma betreibt, kennen sie und ihr Bruder Richard keine materiellen Sorgen. Die jüdische Familie ist stolz auf ihre lange Tradition in Deutschland, denn sowohl Siegfried als auch seine Frau Regina blicken auf jahrhundertealte Familienstammbäume zurück.
Nach dem Besuch der jüdischen Volksschule geht Marianne ab 1933 auf die Essener Luisenschule, doch dort wird ihr die Zeit zur Qual. Die Mitschülerinnen sind alle im BDM organisiert und hänseln das jüdische Mädchen.
Das Familienleben und die Geschäfte des Vaters können nach 1933 dagegen zunächst normal weiterlaufen. Einen tiefen Einschnitt stellt dann aber 1938 das Novemberpogrom dar, als Vater Siegfried und dessen Bruder verhaftet und über Wochen im KZ Dachau interniert werden.
Marianne verlässt nach dem Pogrom die Luisenschule, wechselt für einige Monate auf die Kölner Jawne und geht dann im März 1939 auf ein jüdisches Seminar zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen nach Berlin. Vater Siegfried gelingt es unterdessen, zur „Abwehr" - dem Geheimdienst der Wehrmacht - Kontakte aufzubauen, die die Familie zunächst vor der drohenden Deportation schützen.
Daher sind die Straußens nach Mariannes Rückkehr aus Berlin die einzige „volljüdische" Familie in Essen, die noch im eigenen Haus leben kann. Verwandte, Freunde und auch der Geliebte von Marianne sind längst in Lagern interniert oder bereits in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden.
Im August 1943 wird dann auch Familie Strauß von der Gestapo verhaftet. Siegfried, Regina und ihr Sohn Richard werden nach Theresienstadt deportiert und später in Auschwitz ermordet. Marianne hingegen gelingt die Flucht. Mit der Unterstützung des „Bundes", einer informellen sozialistischen Organisation, kann sie sich bis zum Kriegsende verstecken. 1946 emigriert sie nach Großbritannien.
Marianne Strauß stirbt am 22. Dezember 1996. In ihren letzten Lebensmonaten führte der Historiker Mark Roseman zahlreiche Gespräche mit ihr. Seine Recherchen fasste er 2002 in der Biographie „In einem unbewachten Augenblick" zusammen, die die Grundlage für diese Lebensgeschichte bildet.
zuletzt bearbeitet am: 02.12.2022