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Jugend! Deutschland 1918-1945
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RAD-Album Helga Jungk

Das Album stammt aus dem Besitz von Helga Jungk. Die 1924 geborene Essenerin ist evangelisch, wächst aber nicht besonders religiös auf. Sie besucht zunächst die evangelische Volksschule und wechselt anschließend auf die Luisenschule, wo sie 1943 ihr Abitur ablegt. Während ihrer Schulzeit meldet sich das Jungmädel und BDM-Mitglied für mehrere Ernteeinsätze und beteiligt sich einmal mit einem Großteil ihrer Klasse zu einem „Osteinsatz".

Unmittelbar nach dem Abitur wird Helga Jungk zum Reichsarbeitsdienst nach Hinterpommern eingezogen, wodurch sie auch dem Bombenkrieg in Essen entfliehen kann. Sie verlängert ihren RAD- Einsatz um ein halbes Jahr, um nicht wieder ins Ruhrgebiet zurück zu müssen. Außerdem umgeht sie so den Kriegshilfsdienst. Als sie Mitte 1944 aus Hinterpommern zurückkehrt, wird sie bei Krupp kriegsdienstverpflichtet und muss elektromagnetische Messungen durchführen.

Das Album zeigt in Bildern und Text, wie die 18-Jäjhrige ihre RAD-Zeit erlebt und empfunden hat.

Das Album wird hier in der von Helga Jungk zusammengestellten Form präsentiert, das heißt im steten Wechsel von Text- und Fotoseiten, wobei die einem Textabschnitt folgenden Seiten jeweils in vorgefundener Reihenfolge mit dem Text präsentiert werden.

Von Helga Jungk liegt ein weiteres Fototagebuch über ihren "Osteinsatz" als BDM-Führerin vor. Zudem ist ihre Lebensgeschichte mit zahlreichen weiteren Fotos und Dokumenten verfügbar.

RAD-Lager 4/141 - Bezirk XIV - Steinau über Krojenka - Kreis Flatow6. April – 17. Mai 1944

Gott, segne die Arbeit und unser Beginnen,
Gott, segne den Führer und diese Zeit.
Steh uns zur Seite, Land zu gewinnen,
Deutschland zu dienen mit all unsren Sinnen,
mach uns zu jeder Stunde bereit.

Gott segne die Arbeit und all unser Ringen;
Gott segne die Spaten mit blankem Schein.
Werk unsrer Hände, laß es gelingen;
denn jeder Spatenstich, den wir vollbringen,
soll ein Gebet für Deutschland sein.

Thilo Scheller

Endlich war der langersehnte Tag der 6. April 1943 da. Es ging in den Arbeitsdienst! Treffpunkt 14 Uhr Bhf. Altenessen. Hier sah ich noch einmal fast alle Klassenkameradinnen. Doch alle kamen in andere Lager. Nur Else Böhm hatte noch eine Einberufung nach Steinau. Wir wurden eingeteilt und gegen 16 Uhr fuhr der Sonderzug ab. Wir saßen zu viert (Ilse Funder, Martha Bramkamp, Else Böhm und ich) in einem Abteil. Es war lausig kalt. Zum Glück war wenigstens Else Böhm, eine bekannte Seele dabei. Die erste Zeit war jeder mit sich selbst beschäftigt. Wie werde ich es wohl treffen, wie wird das Lager sein, wie die Führerinnen, wie die Maiden! All’ diese Fragen stürmten auf mich ein. Die Führerin, die uns begleitete, erzählte uns nach und nach allerhand schönes von unserem Lager, so daß wir immer gespannter wurden.

Nach langer kalter Fahrt kamen wir Morgens in Stargard an. Nachdem wir gefrühstückt ging es weiter nach Kreuz, dann mit dem Schnellzug nach Schneidemühle. Dort mußten wir lange Zeit warten. Im Wartesaal trafen wir noch eine Pommerin Erika Baumgärtner, die auch ins Lager Steinau kam. Endlich fuhr unser Zug ein. Nach einigen Stationen hieß es „Wittenburg aussteigen!“ Etwas enttäuscht standen wir auf dem kleinen Bahnsteig. Wir sahen nichts als den Bahn-

hof und weite Felder. Die Bäume, die bei uns schon grün waren, standen hier noch ganz kahl. 3 km bis Steinau. Im Gänsemarsch gingen wir den Weg. Er wollte und wollte kein Ende nehmen. Endlich sahen wir in der Ferne einige Dächer, worunter auch unser Lager sein sollte. Es wurde immer größer und schließlich standen wir davor. Einige Maiden, die Berliner waren schon da, liefen an uns vorbei und warfen nur einen kurzen Blick auf uns Neue. In der Verwaltung begrüßte uns die Lagerführerin Frl. Herft und sagte uns unsere Nummer. Ich bekam Nr. 25 in Ka III. Else kam in Ka I. Ich war also alleine. Zuerst war ich furchtbar unglücklich. Als ich in den Schlafraum kam, wurde ich nur kurz begrüßt und von oben bis unten gemustert. Erst Erika Kurawsky begrüßte mich stürmisch als sie hereinkam, zeigte mir alles und stellte mich vor. Sie war eben eine echte Berlinerin und brachte Leben in die Bude. Als ich dann abends im Bett lag, fühlte ich mich schon ganz wohl. Bis jetzt gefiel mir alles sehr gut. Das Lager, ehemalige Zollhäuser, bestand aus 2 schönen Steinhäusern und einem Holzhaus. In der Mitte stand auch noch ein wenig schöner Stall, der aber bald abgerissen wurde. Jede Ka hatte drei 4 Bettige Schlafräume, einen eigenen Wasch- und Handtuchraum. Später wurde aus zwei Schlafräumen einer gemacht und der dritte wurde Schrankraum, da sich sonst in den einzelnen Ka drei Parteien bildeten, was nicht sein sollte.

Was tief in unserm Herzen glüht,    
das was kein Mund mag sagen,  
sollst du, oh Fahne, mit dem Lied,  
das glücklich in den Morgen zieht,  
zum Himmelszelt hintragen.

Wie nachts des Herrgotts Sterne stehn  
und seine Allmacht künden,    
soll tags des Führers Fahne wehn,  
und alle, die zur Fahne gehn,  
sollen sich zu ihm hinfinden.

Thila Schelter

Zunächst schlief ich mit einer Pommerin Erika Reimer, einer Hamburgerin Beja[=?] Bingner und einer Berlinerin Erika Kurawsky. Schon bald wurde getauscht und ich kam mit 3 Berlinerinnen zusammen. (Hilde Myrow, Gertraud Hinche und Erika Kurawsky.) Gleich vom ersten Tag an gefiel mir Lore Siewerkrug, eine Abiturientin aus Berlin am Besten. Ich freundete mich mit ihr an, und wir waren sehr viel zusammen.

Die nächsten Tage waren mit der Einkleidung, Voruntersuchung und Wäschezeichnen ausgefüllt. Am Montag fing dann der richtige Dienstplan an. Morgens 6 Uhr wecken, Frühsport, Fahne, Kaffeetrinken, Singen, praktische Arbeit und abends Schulung. Wir waren erst die zweite Belegschaft in dem Lager. So gab es allerhand einzurichten. Besonders der Garten mußte neu eingeteilt werden. Ich mußte mit noch anderen für unseren Rasen und den neuen Fahnenplatz (inzwischen wurde der Stall abgerissen) Erde anfahren. So vergingen die Wochen bis Ostern. Samstags wurde alles blitzblank geputzt und das Festessen vorbereitet. Ostersonntag war dann die Vereidigung. Es war recht feierlich. Als ich meine Brosche an hatte, kam ich mir erst als richtige Amd.[=?] vor. Auch der Osterkaffee war recht schön. Es war für mich und auch für die anderen doch das erste mal, daß wir dieses Fest fern der Heimat und ohne Eltern feierten. Die Führerinnen gaben sich auch alle Mühe, es so schön wie möglich zu machen. Jeder hatte um seinen Teller he-

rum 9 dicke Apfelsinen und ein schönes buntes bemaltes Osterei. Außerdem noch ein Häufchen kleiner süßer Eichen. Der Tagesraum war mit frischem Birkengrün geschmückt. Auch das Essen war festtagsmäßig. Nach dem Kaffee machten wir einen wunderschönen Spaziergang zum Wakunter See. Die Sonne schien so warm als wir durch die Felder schritten. Es war herrlich anzusehen, der klare blaue Himmel, die dunklen Kiefern und das helle Grün der Birken. Ich war eigentlich angenehm überrascht von Pommern. Dieses flache Land ist garnicht so öd wie es immer heißt. Diese unendliche Weite ist ganz herrlich. Am zweiten Ostertag hatten wir den ersten Kameradschaftsdienst. Wir mußten Morgens wecken und tagsüber für das Tischdecken sorgen. Abends zeigten uns die Führerinnen dann Bilder von ihrer Maidenzeit, von Lagerschulen und anderen Lagern. Es war sehr interessant.

Montags ging es zum ersten mal zum Bauern. Beim Außendienstappell trat auch der Innendienst mit an der Außendienst mit Brotbeutel und eventuell Rädern. Die Außendienstschnitten wurden verteilt und noch manche Ermahnung gegeben. Die Führerin vom Dienst verabschiedet uns dann mit: Fröhliche Arbeit! Heil Hitler! Weg getreten! Meine erste Außendienststelle war Gruhlke in Augustendorf. Es waren sehr nette Leute. Ich half dort beim Kartoffelpflanzen, mußte auch mal Miststreuen, sonst viel im Garten arbeiten und

Strümpfe stopfen. So verging ein Tag nach dem anderen. Zwischendurch ein Läuseappell im Lager. Das Resultat: wir bekamen alle Läusekappen. Es stank furchtbar, war aber weiter nicht schlimm. Man muß halt alles mitgemacht haben. In Krojenka im Hotel zum Kronprinzen sahen wir „Bismarcks Entlassung“. Bis auf die fünf Unterbrechungen war es ganz schön. Eine Woche hatte ich abends Abwasch. Das ist keine schöne Arbeit. Sie muß aber auch sein. Ebenso die wöchentlichen Stopfstunden. Sehr schön ist jeden Samstag der Volkstanz, wo ich mit der Quetsche begleiten muß. Weniger angenehm ist das vierwöchentliche Schuhe-[.?.]. Die Schwarzen und Turnschuhe werden mit einer in allen Farben schillernden Soße bearbeitet. Die braunen Halbschuhe mit Molke. Es ist eine Sauarbeit, muß aber wohl auch sein. Besonders unbeliebt ist das Arbeiten im Garten nach dem Außendienst. Es wird dann auch nicht viel getan, besonders wenn es so heiß ist.

Am 16. Mai war Muttertag. Morgens gingen wir alle mit einem Sträußchen zu unseren Bäuerinnen. Mittags kamen sie zu uns ins Lager. Nach einer kleinen Feier, die sehr nett aufgezogen war, stieg eine Kuchenschlacht und anschließend wurden Gesellschaftsspiele gemacht. Die Zeit verging viel zu schnell.

Meine neue Außendienststelle bei Abraham in Wittenburg Abbau[=?] war auch prima. Leider war ich dort nur 14 Tage. Seit einiger Zeit hatte ich immer so dolle Magenschmerzen. Dr. Hachtmann, unser Lagerarzt, meinte, es seien nervöse Magenbe-

schwerden und verordnete Diät. Ich mußte also im Innendienst bleiben und wurde in die Küche gesteckt. Nach einer Woche ging es wieder so einigermaßen. Der neue Außendienst bei Willi Erdmann in Steinau Abbau, war auch ganz schön.

An Pfingsten ging es zum ersten mal zum Baden in den großen Steinauer See. Es war prima. Nachmittags war Außendienstbesuchstag. Da war ich mit Hilde Myrar bei Abraham zum Kaffee eingeladen. Herrliche Butterkremetorten und andere gute Sachen gab es. Ich hatte meine Quetsche mitgebracht und so wurde im Freien getanzt und gesungen. Durch den Regen, der uns überraschte, ließen wir uns nicht stören. Wir räumten im Hause ein Zimmer aus und weiter ging’s. Zwischendurch wurde noch ein großartiges Abendessen eingenommen. Der Abschied fiel uns schwer, aber wir mußten um 10 Uhr im Lager sein. Zum Glück hatten wir unsere Fahrräder mit, und so ging es knüppelsatt in einem halsbrecherichen Tempo zurück ins Lager, wo wir gerade noch vorm „Zapfenstreich“ ankamen. Am anderen Morgen fing dann der Ernst des Lebens wieder an. Im Außendienst begann jetzt das Runkelrübenpflanzen. Mein Magen machte leider wieder Geschichten. Ich blieb im Lager und wurde zur Beobachtung ins Krankenhaus überwiesen. Am 18. Juni brachte mich Frl. Zipp nach Flatow ins Kreiskrankenhaus. Ich kam in Zimmer Nr. 7 und lag da mit noch elf anderen meist älteren Frauen zusammen. Mein Magen

wurde mit einem dicken Schlauch ausgepumpt und nachher durchleuchtet. Das Ergebnis: eine Gastritis. Nun mußte ich jeden Tag ein salzsäurepräperat schlucken. Es war entsetzlich langweilig. Ab und zu mußte ich Instrumente putzen oder Tupfer drehen. Das konnte die Arbeitsmaid ja machen! Endlich am 27. Juni wurde ich als geheilt entlassen und im Lager mit Hallo empfangen. Im Innendienst wurde ich Gartenstift, mußte auch ab und zu im Haus und Küche helfen. Sonntag ging es früh mit einem Kastenwagen in den Wald zum Blaubeerenpflücken. Nur die Küche und die Invaliden blieben zu Hause. Wir hatten herrliches Wetter. Der Erfolg: über 1 Ztr. Blaubeeren. Beim Sammeln hab ich den Rekord geschlagen vor Frl. Kusch mit 16 Becher. Mitte Juli kam ein großer Tag: Bekleidungsappell. Wir mußten im Trainingsanzug antreten und unsere gesammte Bekleidung in einer Wolldecke mitschleppen. Einige Herren vom Bezirk (Truppführer) zählten dann, ob alles da war.

Am 7. Juli ging es nach Flatow zum Empfang Bombengeschädigter aus Bochum. Hinterher haben wir prima im Petziner See gebadet und gerudert. Am 11. Juli nochmal nach Flatow, Bombengeschädigte aus Hattingen und Welzer empfangen. Am Sonntag ging es wieder früh raus zum Pilze sammeln. Das Ergebnis war nicht besonders.

Ab 19. Juli Küchenchef. Es war ganz herrlich, zuerst hatte ich ja ein bißchen Bammel vor so großen Mengen. Es klappte aber ganz gut

und selten war das Essen nicht zur Zeit fertig. Nach 3 Wochen wurde ich erneut Küchenchef. Es machte mir richtig Spaß. Oft war ich ganz alleine, wenn Frl. Kusch weg mußte, aber es klappte ganz vorzüglich. Leider machte mir mein Magen immer wieder Schwierigkeiten. Am 29. August stieg unser erster Bauernsonntag. Wir führten das Märchenstück „Schneewittchen“ auf und das Singspiel „Die Vogelhochzeit“. Es klappte alles vorzüglich. Ich mußte die Pausen mit der Quetsche ausfüllen. Am anderen Tag ging es zur Maidentagung nach Kreuz. Morgens fuhren wir vier auserkorenen (Carla Zeinnert, Gisela Borse, Erika Baumgärtner) mit Frl. Herft mit dem Rad nach Krojanke und dann mit dem Zug nach Kreuz. Das Lager war nicht besonders schön und ebenso die Belegschaft und die Führerinnen. Es geht halt nichts über Steinau! Morgens war die praktische Prüfung (mein Thema einen Kaffeetisch abdecken.) Nachmittags schriftl. Rechnen, politische Fragen und einen kleinen Aufsatz. Am nächsten Tag Singen, Schulung und Leibeserziehung. Nachmittags war das sogen. „Seelenstündchen“. Dort wurde uns dann gesagt, daß wir alle 4 unsere Prüfung bestanden hätten und ab 1. September außerplanmäßige KÄ wären. Am anderen Morgen ging es wieder nach Steinau, wo ich gleich wieder in die Küche kam. Leider bekamen wir die traurige Nachricht, daß Frl. Kusch in ein anderes Lager versetzt wird und am Abend kam auch

schon unsere neue Wirtschaftsgehilfin Frl. Zillig. Wir hatten natürlich eine mächtige Wut und empfingen sie nicht gerade freundlich. Am 5. September bekam ich Urlaub. Samstags abends durften wir schon abfahren. Ich fuhr mit Else Böhm. Die Anderen waren schon alle vorher gefahren. Es war eine furchtbare, langweilige Fahrt. Zu Hause hatte ich dann auch sehr viel Alarm. So war ich froh, als ich am 11. September wieder im Lager war, wo ich gleich wieder in die Küche kam. In der nächsten Woche wurde ich Waschküchenchef. Zwischendurch mußte ich noch einige Male zu Reetz zum Kartoffel-Sammeln. Es wäre ganz schön gewesen, wenn mein Magen nicht immer so gestreikt hätte. Das WHW Singen in Schneidemühl fiel leider wegen Regen aus. So hatten wir aber einen freien Tag, den wir weidlich ausnutzten. Am Erntedankfest kamen verwundete Soldaten nach Steinau. Morgens machten wir Volkstänze und sangen Lieder auf dem Dorfplatz und nachmittags spielten wir im Lager, nach einer kleinen Erntedankfestfeier mit dem BDH vor den Soldaten „König Drosselbart“. Es klappte ganz prima. Abends holten wir Frl. Kusch halbwegs Krojanke ab, die zu einer Wirtschaftsgehilfinnentagung nach Steinau kam. Ach hätten wir die noch als Wirtschaftsgehilfin!! Frl. Zillig ist unausstehlich! Dann kamen 4 heiße Tage für uns. Ka III und IV, wir mußten unsere Schlafräume räumen und in der Zeit im Stroh überm Schweinestall schlafen, es war ja mal ganz schön, aber wir waren doch froh, als wir wieder in unsere Kameradschaf-

ten durften. Ich mußte die Führerinnen beim Volkstanz begleiten. Am letzten Abend machten wir das Schattenspiel „Die Bremer Stadtmusikanten“. Es klappte so leidlich. Am 13. Oktober fuhr Lore fort. Es tat mir leid, denn ich hatte nun niemand mehr in der Ka, mit dem man einmal vernünftig reden konnte. Wir hatten uns in dem halben Jahr angefreundet. Nun kam Lore nach Kattowitz als Schulhelferin. Wir konnten uns ja schreiben, das war wenigstens ein Trost. Leider konnte ich sie nicht zur Bahn bringen, da mein Magen mal wieder auf Touren war. Ich hatte nun von Dr. Hachtmann eine Überweisung zum Facharzt und fuhr am nächsten Morgen nach Schneidemühl. Dr. Neumann konnte auch nichts besonderes feststellen, verschrieb mir Pillen und Tropfen. Danach wurde es dann wieder besser. Bei der nächsten Arbeitsverteilung wurde ich Gartenchef. Diese Arbeit war auch recht schön. Unser Fahnenplatz wurde bepflanzt und der hintere Garten neu eingeteilt, das machte Spaß! So alles ziemlich selbstständig machen. Frl. Zillig hatte ja von Tuten und Blasen keine Ahnung und Frl. Herft gab mir Morgens Anweisungen und ließ mich dann alleine wurschteln. Im Gemüsegarten wurde für das Frühjahr Spinat und Möhren gesät. Ende Oktober fuhr ich mit Erika nach Neustettin zum Bezirk. Dort gab es allerhand zu besorgen. Abends ging es ins Kino. In der Gruppenunterkunft wurde übernachtet. Am anderen Tag waren wir dann nachmittags wieder im Lager. Abends mußten wir noch die Marschverpflegung für die

Maiden zurechtmachen. Nach dem „gute Nacht sagen“ haben wir noch in allen Ka gesungen und Morgens haben wir sie zum letzten mal mit einem Lied geweckt. Wir brachten sie dann noch alle in Schneidemühl zur Bahn. Sie fuhren nach Berlin in den Kriegshilfsdienst (KHD) ein Teil zur Straßenbahn, ein Teil nach Liebenwalde in die Fabrik. Anschließend gingen wir mit Frl. Herft und Frl. Belitz in die Post essen und dann ins Kino, abends ins Theater „Drei alte Schachteln“. Das Übernachten war recht primitiv. Ich mußte mir mit Leni im Deutschen Haus ein Bett in einem winzigen Zimmerchen teilen, während Carla und Erika im Hotel zur Post ganz feudal in einem großen Zweibettzimmer schliefen. Am anderen Morgen ging es dann ins Lager zurück, wo erst einmal ganz groß gefrühstückt wurde. Jeder ein Spiegelei, Wurst, Käse, Schmalz, Butter, Marmelade usw. So haben wir dann jeden Tag gefrühstückt. Wir haben uns das Führerinnenwohnzimmer recht gemütlich gemacht und dort gegessen. Von den schönen Mittagessen nur einige Kostproben: gek. Hühnchen mit Graupen (da haben wir 10. fünf ganze Hühnchen verdrückt!) Kartoffelpuffer, Kartoffelklöße mit geb. Hühnchen usw. Wir mußten nun alle unsere Ka. sauber machen und Betten beziehen. Erika hatte Ka I, Gisela Ka II und als Längerdienende Leni. Ich blieb in Ka III und bekam als Längerdienende Sophie. Carla blieb auch in Ka IV. Samstag-Sonntag fuhr Frl. Zillig zu ihrer Schwester. Frl. Herft mußte in Köln die neuen Maiden holen. Also waren wir mit

Frl. Belitz alleine. Wir hatten die Woche vorher alles geputzt und aufgeräumt, nun brauchten wir bloß für unser leibliches Wohl sorgen. Es gab gebr. Hühnchen mit Rosenkohl zum Kaffee Kuchen (den gab es übrigens jeden Tag!) wovon uns aber Frl. Zillig nur die Endstücke dagelassen hatte, die Mittelstücke hatte sie mitgenommen, und abends bekam jeder 4 Würstchen. Als wir nachmittags mit Frl. Belitz gemütlich zusammen saßen, holte sie auf einmal Bratäpfel aus dem Kachelofen. So hatte Frl. Belitz öfter Überraschungen. Ich hatte sie überhaupt sehr gerne. Sie war wohl sehr still und zurückhaltend, aber wenn man länger mit ihr zusammen war, konnte sie furchtbar nett sein. An dem Abend fuhr sie nach Schneidemühl, um am anderen Morgen die Sachsen zu holen. Ich brachte sie noch mit Erika zur Bahn nach Wittenburg. Nun waren wir ganz alleine im Lager. Zunächst beförderten wir Sabine unters Bett wo sie den ganzen Abend knurrend sitzen blieb, dann suchten wir uns im Radio schöne Musik und nähten und stopften und erzählten uns dabei. Gegen ein Uhr wurden wir allmählich müde, doch hatten wir keine Lust in unsere eigenen Betten zu gehen. Wir waren doch jetzt in alle vier Ka. verstreut. So legte Gisela sich mit Leni in Frl. Herfts Bett, Erika und Carla im Führerinnenwohnzimmer auf das Bett. Sophie, Annemarie und verteilten uns im Krankenzimmer auf die Betten. Am anderen Morgen mußten wir leider schon sehr früh raus, da ja Frl. Zillig wiederkam.

Vorher machten wir noch schnell ein Stehfrühstück, wo wir die letzten Brötchen wegaßen. Frl. Zillig verzog sich wütend in die Verwaltung, da nur noch trockenes Brot da war. Dienstag sollten nun die Sachsen kommen. Frl. Zillig war furchtbar aufgeregt, zehnerlei sagte sie einem auf einmal und andauernd holte sie einen von der Arbeit fort. Es war schrecklich. Aber es sollte noch besser kommen. Dienstag früh schmiß sie uns schon um 6 Uhr aus den Betten, denn um ½ 10 Uhr kamen ja die Sachsen! Wir mußten heizen. Dann sollten wir noch allerhand machen, was wir schon tags zuvor getan hatten. Wir verzogen uns einfach in die Küche, wo es auch am wärmsten war. Annemarie sollte die Verwaltung wischen. Sie sagte, sie hätte sich gerade ihre Finger eingekremt, da hat Frl. Zillig sich hingestellt und selbst aufgewischt. Dann rannte sie wie eine Besessene mit einem Besen über den Hof, fegte dort ein bißchen und dort. Sie sagte immer: Die Maiden müßten jeden Augenblick kommen, dabei war es noch lange nicht so weit. Andauernd rannte sie zum Tor und hielt Ausschau. Als die Mädel dann aber kamen, war sie nicht zur Stelle. Obwohl sie meinte, an alles gedacht zu haben, mußte sie noch einen Anranzer einstecken, weil sie die Fahne vergessen hatte hochzuziehen. Wir waren natürlich seelig, als Frl. Belitz wieder da war. Beim Frühstück verteilte sie die Neuen auf die Kameradschaften. Ich bekam Betty Viehwag, Inge Heß und Edith Raabe. Wir brachten unsere ersten Schützlinge ins Bett und die Arbeit ging wie-

ter. Inzwischen hatte ich noch eine Pommerin Dora Scheuermann und eine Westpreußin Anni Miotka dazubekommen. Als Frl. Herft mit den Kölnern kam, war unser Lager vollbesetzt. Hedi Zentgraf, Margot Schneider, Mathilde Benger, Else Bohrengel und Gertrud Thunne kamen noch in meine Ka. Den ersten Abend haben wir in allen Kameradschaften gesungen. Am 11. November war nun mein Geburtstag. Morgens wurde ich mit einem Lied geweckt. Meinen Platz, den Ehrenplatz neben Frl. Herft, hatten sie geschmückt und auch die Torte, diesmal nicht die übliche Kaffeetorte, sondern eine Biskuittorte, fehlte nicht. Frl. Herft schenkte mir ein kleines Büchlein und von den K.A’s bekam ich zwei kleine Holztellerchen die Frl. Belitz noch mit Süßem gefüllt hatte. Nachmittags mußte ich nach Schneidemühl Wäsche holen. Als ich dann abends wiederkam, hatten sie aber in Frl. Herfts Zimmer schön gedeckt, Frl. Zillig hatte noch Streußelkuchen gebacken und wir Alten haben dann mit dem Stab gefeiert. Es war richtig nett. Nur Frl. Zillig war einmal wieder wie üblich furchtbar. Doch Frl. Herft und Frl. Belitz waren ganz prima. Es war längst 12 Uhr vorbei, als wir schließlich ins Bett gingen.

Mit den Sachsen waren auch unsere zwei Schweine gekommen, die wir nun mitversorgen mußten. Erika wurde Schweinemajor und wenn sie nicht da war, mußte ich sie füttern. Nachdem alle Neuen eingekleidet waren, gab es auch wieder

einen geregelten Dienstplan. Wir vier KAs bekamen jeden Tag eine Stunde, wo wir die Schulungen ausarbeiten mußten. Diese Stunden waren ganz herrlich zum Faulenzen! Wir saßen gemütlich im Führerinnenwohnzimmer und „arbeiteten“. Gisela, die gerade Küchenchef war, brachte immer etwas mit. Mal schön gesüßter Tee oder unsere beliebten „Bibelblätter“ mal mit, mal ohne Einband (Käsescheiben mit oder ohne Brot.) Meist erzählten wir uns unsere Erlebnisse mit Frl. Zillig, wobei einmal Frl. Belitz zuhörte, was Gott sei Dank keine bösen Folgen hatte. Später hörten diese Stunden aber auf, da wir ja doch nicht dabei bleiben wollten. Am 1. Advent war die Vereidigung der Neuen. Es war auch eine recht schöne Feier. Morgens weckten uns die Führerinnen mit einem brennenden Adventskranz. Im Tagesraum hing eine Knusperstange, von der jeden Tag der etwas abmachen durfte, der besonders „artig“ war. Einmal durfte ich mir eines abschneiden, da meine Ka die bestgebautesten Betten hatte! Am 6. Dezember kam auch über Nacht der Nikolaus zu uns. Am Morgen lag für jeden eine Tüte Süßes mit einem Tannenzweig da. In dieser Zeit war ich Hauschef. Das langweiligste, was ich mir denken kann, aber es geht alles vorüber. Am 3. Advent kam Frl. Kusch für einen Tag. Ach hätten wir die nur wieder! Am 19. Dezember fuhren die Pommern und die K.Äs auf Weihnachtsurlaub. Nur ich konnte nicht, da die Fahrt zu weit war. Ich wurde wieder Küchenchef. Die Adventszeit war auch recht schön. An den Sonntagen saßen wir abends bei Kerzenschein zusammen und Frl. Herft las vorweihnachtliche Geschichten. Hin-

terher gab es Bratäpfel. Am 20. Dezember reiste auch „Stäubchen“ (so hatten wir Frl. Zillig getauft, da sie überall noch Stäubchen sah.) auf Heiratsurlaub! Gott sei Dank, daß wir die an Weihnachten los waren! Nun war ich alleine in der Küche. Wir scheuerten sie noch tüchtig und dann kam Weihnachten. Das erste Weihnachtsfest fern der Heimat, ohne Eltern. Wir hatten abends eine sehr nette Feier und dann wurde Post, vor allem Pakete, verteilt. Keiner ging leer aus. Nach dem Abendessen, Kartoffelsalat m. Würstchen, gab es noch Glühwein. Wir gingen alle recht befriedigt ins Bett. Am 1. Feiertag machten wir gemeinsame Spiele und am 2. Feiertag brachte ich allen das Frühstück ans Bett. Jeder durfte aufstehen, wann er wollte und nachmittags die Bauern besuchen. Ich ging mit Gertrud Thinne zu Glasenazz, wo auch Abrahams waren. Nach Weihnachten kamen dann die Maiden vom Urlaub zurück. Am 29. habe ich mit Frl. Herft und Gisela noch nach dem Abendessen Berliner-Ballen gebacken. Am 31. wurde mittags alles gescheuert. Nachdem ich die Küche fertig hatte, mußte ich noch den Schweinestall ausmisten. Abends gingen wir nach dem Abendessen in den Wald. Es war eine herrliche, sternenklare aber auch bitterkalte Nacht. Der Schnee glitzerte. Im Wald haben wir an einem Tannenbäumchen Lichter angesteckt, uns im Kreis herumgestellt und gesungen. Wir waren alle ganz ergriffen. Auf dem Heimweg wurde kaum ein Wort gesprochen. Bis Mitternacht machten wir noch Gesellschaftsspiele. Um 12 Uhr zogen wir die große Fahne hoch. Dann gab es Punsch und Berliner

Ballen. Am 1. Januar ging es nach Schneidemühle. Es war ein Schneesturm wie ich noch keinen erlebt hatte. Vollkommen durchfroren und durchnäßt kamen wir in der KHD-Unterkunft an. Dort heizten wir uns erst einmal tüchtig ein und tra[.?.] unsere Sachen. Abends ging es in die Zauberflöte. Es war recht nett. In der KHD Unterkunft schliefen wir dann. Ich hatte das Kommando über die Bande. Ich hatte meine liebe Not, bis am anderen Morgen alles aufgeräumt war. Im Hotel Bernau aßen wir dann zu Mittag. Nachmittags sahen wir das Märchenspiel „Schneewittchen“. Abends ging es wieder zurück ins Lager. Dort war inzwischen die Sonderführerin Frau Kersten mit einem kleinen dreijährigen Jungen angekommen. Mein erster Eindruck war kein guter, furchtbar eingebildet und dumm. Nun fing der Ernst des Lebens wieder an. Bis zu meinem Urlaub war ich Küchenchef. Am 8. Januar ging es mit den Kölnern los, erst mit Personenzug bis Berlin, dann mit Schnellzug bis Essen. Morgens um 8 Uhr kam ich zu Hause an. Durch die vielen Alarme und Besuche ging der Urlaub sehr schnell herum. Am 22. Januar fuhr ich Mittags wieder ab. Ich freute mich wieder ins Lager zu kommen. Aber wie wurde ich empfangen! Am liebsten wäre ich gleich wieder umgefahren. Keine Führerin war zu sehen. Wir hatten Lagersperre, da der Sohn der Kersten Scharlach hatte. Frl. Herft war recht komisch zu uns. Erika wurde zur Jungführerin ernannt. All’ dies war kein schöner Empfang. Zum ersten Mal seit meiner Arbeitsdienstzeit zählte ich die Tage bis zur Entlassung. Nur noch 69 Tage bis zum 1. April! Gott sei Dank wurde ich Küchenchef, da hatte ich meine Arbeit die ich

gerne tat und die mich befriedigte. Die einzige, die gleich nett blieb, war Frl. Belitz. So war dann meine schlechte Stimmung bald verschwunden. Dazu verhalfen aber auch die Vorbereitungen zum WHW-Sonntag. Ka I hatte das Eintopfessen, Ka II eine Versteigerung, Ka III das Wunschkonzert und Ka IV einen lustigen Abend. Es wurde recht nett. Unser Speiseraum wurde in das Hotel „Exelsior“ umgewandelt. Eintritt 0.50 DM[=?]. Dort stand eine Gulaschkanone wo man Bohneneintopf mit Hammelfleisch, der Teller 0.30 DM bekommen konnte. Zum Nachtisch gab es eine große Schüssel Tutti-Frutti zu 1.- DM. Für tadellose Bedienung und Unterhaltung war gesorgt. Danach stieg unser Wunschkonzert. Es fand großen Beifall. Die Versteigerung brachte auch allerhand ein. Jeder hatte Kleinigkeiten zum Versteigern gestiftet. Frl. Belitz steuerte aus der Vorratskammer noch eine Wurst mit 12 Brötchen, 2 Flaschen Rotwein, 1 Schüssel Plätzchen und einen Kuchen zur Versteigerung bei. Sehr nett war auch der lustige Abend von Ka IV. Das Ergebnis dieses Sonntags war dann 1500 DM. Die Führerinnen waren ganz platt. So schön hatten sie es sich nicht vorgestellt. Die vorgesehenen Preise waren schlecht zu verteilen, da doch alle vier Darbietungen gleich schön waren. So wurden sie dann so verteilt, daß jede Ka etwas zu feiern hatte. Ka I hatte den Pudding und Kuchen, Ka II die Wurst und Plätzchen, Ka III Wein und Schnitten, Ka IV Torte und Wein. Frl. Belitz mußte abends gleich fort das Geld zur Gruppe nach Schneidemühl bringen. (Wir waren die Besten vom ganzen Bezirk). Es war eine WHW-Spende der Arbeits-

maiden dem Reichsarbeitsführer Hierl zum Geburtstag. Wir feierten dann mit Ka. IV zusammen. Wir teilten alles redlich. Zuerst war es recht langstielig, doch nachher wurde es schön, ich spielte zum Tanz. Gegen Mitternacht zogen wir singend durch die anderen Kameradschaften. Ka II hatte sich schon schlafen gelegt. Ka I saßen noch stumpfsinnig im Kreis um ihre leergegessenen Schüsseln. Gegen 3 Uhr legten wir uns endlich befriedigt und recht müde in unsere Betten. Am 3. Februar wurden wir, Ka III isoliert, da Margot Schneider Scharlach bekam. Das war eine schreckliche Zeit! Kein Mensch kam zu uns. Das Essen bekamen wir wie Aussätzige vor die Tür gesetzt. Keine Führerin kam. Nur Carla als Heilmaid brachte uns Desinfektionsmittel. Nach drei Tagen bekam ich Fieber und Hals- und Ohrenschmerzen. Ich legte mich ins Bett. Kein Mensch kümmerte sich um mich. Ich war todunglücklich. Erst gegen Abend kam Frl. Herft im weißen Kittel und brachte mir Pillen. Sie ging aber sofort wieder fort. Gott sei Dank war ich nach einigen Tagen wieder gesund. An Frl. Herfts Geburtstag sollten wir wieder raus. An dem Abend sollte auch unser Wunschkonzert wiederholt werden. Wir änderten nur wenig um. Einige Tage vor dem Geburtstag kam plötzlich zu uns und machte den Vorschlag noch ein Schattenspiel aufzuführen. Sie übte mit uns dann „Die fromme Helene“ ein, wo ich die Tante spielte. Am 14. Februar war dann der große Tag. Abends durften wir erst aus unserer Gefangenschaft. Es klappte alles so leidlich. Nun waren wir wieder frei! Sonntag sollte ich ganz alleine nach Buschdorf zur KÄ Tagung fahren. Mein Magen machte aber wieder Geschich-

ten und ich lag einige Tage im Bett. Nun mußte ich dafür am Mittwoch nach Tretenwalde, ganz alleine! Die Tage vorher mußte ich noch die ausgearbeiteten Schulungen ins Reine schreiben und Mittwoch früh um 5 Uhr ging es los über Schneidemühl, Neustettin, Rummelsburg, Tretenwalde. Ich war die Erste. Es war ein Barackenlager, so weit ganz nett, aber Steinau gefällt mir noch am Besten! Gegen Abend kamen dann die anderen so nach und nach. 20 Amd im Ganzen, alles Mädel aus der Gruppe Rummelsburg. Ich wurde als Ausländer behandelt. Am nächsten Morgen fing die Prüfung an. Frühsport, Singen, praktische Arbeit (einen W[..]riß stopfen) nachmittags Schulung, abends Gesellschaftsspiele. Zwischendurch gab es ein prima Essen. Am nächsten Tag wieder Frühsport, Singen, theoretische Arbeit (politische Fragen) nachmittags Seelenstündchen, Gesellschaftsspiele, abends früh ins Bett. Wenn ich nicht so dolle Magenschmerzen gehabt hätte, wäre alles viel schöner gewesen. Am nächsten Morgen ging es früh raus, im Dauerlauf zum Bahnhof und wieder dem Lager zu. Frl. Kusch war wieder da, herrlich! Samstags wurde ihr Wiederkommen und Frl. Schnarrs Abschied mit Buttercremetorte im kleinen Kreis gefeiert. Nun wurde ich wieder Küchenchef! Da war ich in meinem Element. Besonders schön war ja, daß Frl. Kusch wieder da war. Frl. Zillig war von ihrem Heiratsurlaub nicht zurückgekehrt. Am 1. März kamen noch neue Maiden, Abiturientinnen. In jede Kameradschaft wurde noch ein Doppelbett gestellt. In Ka III kam noch Hildegard Hoffmann und Ingrid

Moritz. Sie waren so weit ganz nett, nur etwas eingebildet und sie konnten sich schlecht an das ganze Lagerleben und die Arbeit gewöhnen. Am Freitag fuhr ich nach Schneidemühl, erledigte einige Besorgungen und ging dann zur Magenuntersuchung zu Dr. Neumann ins Krankenhaus. Er durchleuchtete und röntgte meinen Magen. Am nächsten Tag sollte ich zum Probefrühstück nochmal kommen. Als ich abends ins Lager zurückkam, war ein Telegramm von zu Hause gekommen: „Bitte sofort Urlaub, Mutter krank, Großmutter hilflos“. Ich bekam natürlich sofort 14 Tage Sonderurlaub und fuhr am Samstag gleich nach dem Magenaus[.?.] um 2 Uhr nach Essen. Großmutter ging es recht schlecht. Mutter erholte sich bald wieder. Nachts wachte ich immer bei Großmutter. Am 16. März gegen 22.30 Uhr schlief sie dann für immer ein. Am 20. März war die Einäscherung auf dem Südwestfriedhof. Es war sehr schön. Pastor Breuer sprach wirklich ergreifende Worte. Schade, daß keiner von der Verwandschaft dabei war. Onkel Karl war am gleichen Tag total ausgebombt und Tante Else kam erst am 21. März. Am 23. war die Beisetzung auf dem Parkfriedhof. Am 25. März fuhr ich im Alarm wieder fort. Auf Umwegen über Gelsenkirchen kam ich schließlich mit viel Verspätung im Lager an. Dort wurde ich gleich wieder Küchenchef und die viele Arbeit verdrängte die Gedanken. Am 1. April kam Frau Herft zum Schweine[.?.]. Nachmittags schickten wir das ganze Lager in den April! Am 3. April begleiteten wir unsere Schweine „Jochen“ und „Max“ auf ihrem letzten Weg zum Metzger. Es gab nun heiße Tage, bis alles verarbeitet war. Gründonnerstag scheuerten wir die Küche mit Wände und Decke. An Karfreitag ging Frl. Kusch mit Erika und Karla zum Backen

nach Krojanke und Frl. Herft ging mit der ganzen Belegschaft nach Schönfeld spazieren. Ich blieb mit den Invaliden allein im Lager. Samstagsabends durften wir K.Äs und die Küche ins Theater in Faust I. Teil. Es war sehr schön, gegen zwölf Uhr fuhren wir nachts zurück und bereiteten dann für den anderen Tag alles vor. Jeder bekam ein Moosnestchen mit kleinen selbstgemachten Zuckereichen, 1 Tafel Karamelschokolade und 2 bunte Ostereier. Es sah sehr nett aus. Anschließend gingen wir 4 los Osterwasser zu holen. Es war eine herrliche laue, mondhelle Nacht. Auf dem Heimweg durfte kein Wort gesprochen werden. Wir mußten zu einem Wasser das nach Osten floß. Wir gingen ziemlich weit raus zur Glumia. Erst nachdem wir uns alle in dem Wasser gewaschen hatten und unsere Flaschen für die Führerinnen gefüllt hatten, durften wir wieder reden. Auf dem Rückweg gingen wir bei Zimmermanns vorbei und brachten ihm ein Osterständchen „Die Lerche“. Erst um 5 Uhr kamen wir ins Bett. Morgen waren wir auch wieder die Ersten auf und weckten alle mit einem Lied. Ich war mal wieder den ganzen Tag in der Küche. Es gab Kasseler Rippchen mit Sauerkraut! Herrlich! Am 2. Feiertag ging ich mit Karla zusammen nach Reets. Dort bekamen wir einen Likör und herrlichen Kuchen. Nachmittags haben wir geschlafen und dann geschrieben. Am nächsten Tag kam Frl. Kusch ins Krankenhaus. Sie hatte die Ostertage schon gelegen. Sie hatte schweres Rheuma in den Füßen. Am Mittwoch mußte ich nach Buschdorf mit der Quetsche, um die Maiden beim Volkstanz zu begleiten. Donnerstagmorgen kam ich wieder zurück. Samstagmittag ging es wieder

hin. Sonntagmittag kam Frl. Herft noch nach. Sonntagabend stieg dann der Dorfabend. Es klappte alles ganz gut. Ich war aber froh, als ich Montag früh wieder im Lager war. Es geht halt nichts über Steinau. Frl. Belitz machte mir die Eröffnung, daß ich am 18. April in die B.2.H. müßte wegen Magenschleimhautentzündung. Ich packte meine Sachen und morgens um 5 Uhr ging es los über Schneidemühl nach Neustettin – Stadtwald zur Bezirksheilstube. Dort kam ich gleich ins Bett. Das war auch mal wieder eine schreckliche Zeit. Nach 4 Tagen mußte ich aufstehen und abwaschen, stopfen und im Garten arbeiten. Am 1. Mai durfte ich sogar das ganze Treppenhaus wischen. Ich hätte heulen können vor Wut! Nun erfuhr ich, auch noch, daß Frl. Herft fort kommt in ein Luftwaffenhelferinnenlager. Da wollte ich wenigstens noch ins Lager zurück, solange Frl. Herft noch da war. Bei der nächsten Visite beschwor ich die Ärztin, mich doch zu entlassen. Nach langen Untersuchungen unterschrieb sie dann den Entlassungsschein. Ich packte meine sieben Sachen, verabschiedete mich und am anderen Morgen gings zurück ins Lager. Dort kam ich gleich wieder in meine geliebte Küche. Inzwischen war Erika und Gisela entlassen worden. Erika mußte zu Hause ihrem Vater helfen und Gisela wurde als krank entlassen, da sie vollkommen mit ihren Nerven herunter war. Nun war nur noch Karla da. Am 9. Mai ging nun Frl. Herft fort. Das ganze Lager brachte sie zur Bahn. Auf dem Bahnhof sangen wir noch bis zur Ankunft des Zuges. Es gab einen rührenden Abschied. Als der Zug abfuhr, liefen wir noch so lange es ging nebenher. Mir war es recht komisch zu Mute. Ein ganzes Jahr lang war man nun mit den Führerinnen zusam-

men gewesen, hatte manch schöne Stunden mit einander verlebt. Am nächsten Mittag kam Frl. Kusch aus dem Krankenhaus. Ich backte einen schönen Streußelkuchen. Leider fuhr sie am nächsten Tag wieder fort in die B.2.H. Wir brachten sie auch zur Bahn und brachten ihr einige Ständchen. Auch diesmal flossen Tränen. Nun war nur noch Frl. Belitz da. In wenigen Tagen stehen auch wir auf dem Bahnsteig und fahren heimwärts. Die letzten Tage mußten wir Wäsche abgeben. Es war doch ein recht komisches Gefühl, als ich nach einem Jahr wieder Zivil an hatte und alle die Uniformstücke abgeben mußte, den Mantel, der mich ein ganzes Jahr warm gehalten, die Kleider, Schürzen, Kopftücher und auch die im Anfang so verhaßten Wollstrümpfe. Alles hatte ich ein ganzes Jahr lang mit Stolz getragen. Ich gab es schweren Herzens ab. Am liebsten wär ich noch länger geblieben, aber nun ging es nicht mehr. Am 16. Mai durften wir abends fahren Leni, Karla und ich. Das ganze Lager brachte uns zur Bahn. Mir war es so traurig zu Mute. All dies sollte ich nun verlassen und nie wiedersehen. Die Maiden liefen auch so lange es ging noch neben dem Zug her. Dann war alles vorbei. Wir drei sprachen auch kein Wort auf der Fahrt nach Schneidemühl. Gegen Mitternacht fuhr unser Zug nach Berlin. Ich fuhr noch mit Carla nach Lichterfelde. Dann besuchte ich noch Lore in [.?.]. Abends fuhr ich dann weiter und war am anderen Morgen gegen 8 Uhr zu Hause.

Das Jahr steigt mählich an und ab in stetem Gleichmaß – ohne Ende.  
Geschlossen in den großen Ring regen wir die flinken Hände. -  
Ein jeder Tag bringt viel zu tun,  
und erst am Abend woll’n wir ruhen.  
Täglich spüren wir die Erde, ihre Früchte, ihren Segen.  
Dem, der schaffend sie bereitet, neigt sie lächelnd sich entgegen. -  
Dankend wird uns im Gebet,  
daß die Saat zur Ernte geht.

Ursula Schneider-Schlichten

Hier ist der Großdeutsche Rundfunk, angeschlossen sind die Sender Steinau, Bugetal, Schonfeld, Buschdorf, Steinmark, und die Rückstrahler nach der Heimat. Heute zum Geburtstag unserer Lagerführerin veranstalteten wir ein großes Wunschkonzert zu Gunsten des WHW. Wie so oft lauschen heute viele Arbeitsmaiden den schönsten Melodien.

Wir wollen nun beginnen  
mit fröhlichem Singen  
und heiterem Klingen  
denn jeder soll sein Liedlein hören  
und soll sich nachher nicht beschweren  
denn jetzt im 5. Kriegsjahr  
sind die Künsterkräfte oft sehr rar  
drum ihr lieben Leut’ laßt Euch sagen  
wir wollen mit Reden Euch nicht länger plagen  

Nun hört zu, ob alt, ob jung  
Denn jetzt beginnt’s mit Schwung  
Es weilen zwei Geburtstagskinder unter uns  
Denen wollen wir heut zeigen unsere Kunst  
Unserem lb. Frl. Herft wollen wir ein Ständchen bringen  
Und ihr das Lied: „Wo immer das Leben erglommen“ singen  
Und zu ihrem Wiegenfeste  
von Herzen wünschen das Allerbeste.  
Unser Geburtstagskind Gertrud Thinne  
wünscht sich das Lied: Heimat Deine Sterne  
Wir danken Euch für den Applaus  
und holen die weiteren Noten heraus  
Wir haben heut noch vieles vor  
Denn jetzt beginnt der Emmi- [?] -Chor.  

Auch an unsere Soldaten wollen wir denken  
und ihnen recht liebe Grüße senden.  
Nun hört zu, denn jetzt beginnen wir  
mit dem Lied: Im Feldquartier  
Unser Lied ist nun verklungen  
es ist wieder ein neues an unser Herz gedrungen.  
Leichte Musik und Märsche alles mit guter Laune  
und jetzt ein Volkslied: Am Weg dort hinterm Zaune  
Und weiter gehts mit Scherz  
denn Zisis [.?.] ist etwas fürs Herz  
Hilde und Henna die beiden,  
sind zwar lustige Arbeitsmaiden  
Auch sie sandten uns ihre Wünsche beide  
und nun erklingt „Am Abend auf der Heide“  

Unsere Gedanken weilen weit in der Ferne  
doch überall klingt es „Heimat Deine Sterne“.  
Margot und Käthe sagen immer wieder  
„Es geht alles vorüber“.  
Liebe Maiden fangt nicht an zu zittern  
denn jetzt kommen 5 blaue Jungs die nichts kann erschüttern  
damit wir nun kommen an unser Ziel  
bringen wir ein Lied von Herms Niel  
Und wieder geht ein schöner Tag zu Ende  
Die Heimat reicht der Front die Hände  
Die Front aber reicht der Heimat die Hand  
Wir bitten Euch uns nicht zu verachten,  
wenn wir nicht alle Lieder brachten  
aber wie schon gesagt sind wir im 5.Kriegsjahr    

Da sind die Künstlerkräfte oft sehr rar  
Wir danken Euch für den Applaus  
doch bitten Euch noch nicht zu gehen nach Haus  
denn sie werden jetzt noch sehen  
das Schattenspiel von der „frommen Helene“  
die Künstlergruppe kommt von weit her  
und will nicht länger warten mehr  
Sie hat gehört, daß in Pommerns Hauptstadt  
eine Lagerführerin Geburtstag hat  
Sie will sich aber nicht offen zeigen  
sondern gleich spielen hinterm Leinen[.?.]  
drum ihr lieben Hörer gebt gut acht  
der Fernsehsender wird angemacht  
Wir hoffen, daß ihr werdet alles sehen  

und auch den Text ganz gut verstehen  
und deshalb jetzt auf Wiedersehen!

Wo die blauen Kleider flattern hin und her  
Wo es zwanzig Pfennig gibt und auch nicht mehr  
Wo die Freizeit knapp ist und die Männer rar  
Da war meine Heimat für ein ganzes Jahr.