Das hier präsentierte Album stammt aus dem Besitz von Ilse Schenck.
Frau Schenck wurde am 21. Oktober 1924 als Ilse Schawe in Köln geboren. Sie besuchte verschiedene Volksschulen, dann von 1936 bis 1942 die Städtische Mittelschule Niedrichsstraße in Köln. In ihrer Freizeit war Ilse Schawe im Postsportverein aktiv. 1934 trat sie in den BDM ein und nahm im Jahr 1941 als Helferin an einer „Kinderlandverschickung" nach Ahlbeck auf Usedom teil.
Nach der Schulentlassung 1942 absolvierte sie den „Reichsarbeitsdienst" in Großneuhausen, gefolgt von einem halbjährigen Einsatz im Kriegshilfsdienst in Erfurt. Im April 1943 nahm Ilse Schawe ein Sportstudium an der Universität Köln auf und bestand im September 1944 die Abschlussprüfung in Marburg. Im Oktober 1944 wurde sie schließlich nach Stendal evakuiert.
Nach Kriegsende kehrte Ilse Schawe nach Köln zurück, heiratete 1948 und wanderte mit ihrem Ehemann nach Frankreich aus. 1955 erfolgte die Rückkehr nach Deutschland.
Das Album, das Ilse Schawe während ihrer RAD-Zeit anlegte, folgt in weiten Bereichen dem Bild, das auch die NS-Propaganda vom Reichsarbeitsdienst vermittelte. Zwischen den Zeilen klingt allerdings häufig auch - zumindest leise - Kritik oder Unbehagen an, beispielsweise wenn vom Duschen als der einzigen Möglichkeit im Lagerleben berichtet wird, in der man „Zivil" tragen dürfe. Insgesamt bietet das Album, dessen zahlreichen Fotos von selbstgefertigten Zeichnungen, Gedichten und kurzen texten ergänzt werden, einen guten Einblick in den Lageralltag und dessen strengen Reglementierungen.
Das Album befindet sich im Besitz von Frau Schenck; Reproduktionen werden im NS-Dokumentationszentrum Köln aufbewahrt.
Unser K-Lied. (v. Rosemarie Laue)
I. Mitten in der Wüste, von der Heimat fern
liegt eine Oase, da weilen wir so gern.
Wo die hohen Bäume stehn,
da kann man uns alltäglich sehn‘.
Uns Wildarabertrupp .......
II. In dieser Oase ragt ein hoher Bau,
bewacht von einem Raubtier, das wütend fletscht: „Wau, wau“,
Ein Marmorpalast aus alter Zeit
Für uns Wildarabertrupp .......
III. Dorten im Palaste wohnen wir voll Pracht
in hohen breiten Räumen – ein Ausdruck unsrer Macht.
Wenn nachts wir schleichen leis durch‘s Haus
Klopft uns das Herz – vor Stolz u. auch vor Graus.
Uns Wildarabertrupp .......
IV. Wenn am frühen Morgen die Sonn am Firmament
mit glühend heissen Strahlen auf uns herniederbrennt,
dann steh’n wir noch ziemlich müde auf:
denn ernst beginnt der Tageslauf
bei uns Wildarabertrupp .......
V. Wir strecken unsere Glieder in einem schnellen Lauf
und singen Wüstenlieder mit „ah“ und „oh“ darauf.
Dann lernen wir der Weisheit viel,
oh, welch ein wonniges Gefühl
Für uns Wildarabertrupp ......
VI. Inzwischen zeigt die Sonnenuhr schon ½ 12,
wir stürzen an d. Hauptmahl, wie hungerige Wölf.
Dann rauben wir die Tische leer
in 10 Minuten gibt’s nichts mehr,
für uns Wildarabertrupp ......
VII. Dann öffnen sich die Tore, wir schwärmen weit ins Land,
Die Oase u. die Wüste sind uns ja wohlbekannt.
Wir graben tief im Wüstensand
mit starker, schwielenharter Hand.
Wir Wildarabertrupp .......
VIII. So ist sehr schnell vergangen ein arbeitsreicher Tag,
die Lieder sind verklungen erst spät in der Nacht.
Nun kann da kommen, was da will,
der Raubtrupp ist jetzt mäuschenstill.
Der Raubarabertrupp ......
IX. Die Fürstin unseres Trupps, eine tapfere kluge Frau,
regiert uns voller Weisheit, das wissen wir genau.
Wenn ihre Stimm‘ voll Macht erschallt
läuft der Araberstamm gar bald.
Der Wildarabertrupp .......
X. Oft gibt sie grosse Feste, wie heut‘ zum Ehrentag.
Kein Mann von uns Arabern hierbei nur fehlen mag.
Wir feiern gross und voller Freud
mit Sing und Sang und Festgeläut.
Die Fürstin lebe hoch, sie lebe dreimal hoch!
Abschied von Daheim!
O, weh, nun ist der Tag gekommen,
an dem es Abschied nehmen heisst.
An dem, von allem, das ich liebte
ich los muss reissen Herz und Geist.
Lebt wohl, ihr lieben Eltern beide,
macht mir den Abschied nicht so schwer.
Wer weiss, wie lange es wird dauern
bis dass zu Euch ich wiederkehr.
All ihr geliebten Gegenstände,
Euch seh‘ ich heut zum letztenmal.
Adieu, Du kleines Heimatstädtchen,
Adieu, Du liebes Köln am Rhein.
Du mein bequemes altes Leben,
Dich tausch ich schweren Herzens ein,
erleb‘ ein neues nun daneben.
Doch welches wird das bessre sein?
Doch alles steht nun felsenfest,
kein Jammern hilft, kein Klagen.
Herz über Bord, das ist das Best‘.
Wer siegen will muss wagen.
Wo die blauen Kleider flitzen hin u. her,
Wo es 20 Pf. gibt pro Tage und nicht mehr.
Wo die Freizeit knapp ist u. die Männer rar,
Da ist meine Heimat für ein halbes Jahr.
Wo man früh beizeiten wird geweckt,
Wo man täglich tief drin in d. Arb. steckt.
Wo man essen muss Kartoffel, die halb gar,
Da ist meine Heimat für ein halbes Jahr.
Wo man spritzen muss sobald der Gong ertönt,
Wo man sich sehr bald an Schnelligkeit gewöhnt,
Wo man tragen muss ganz glatt u. kurz d. Haar,
Da ist meine Heimat für ein halbes Jahr.
Und nachher wird viel gesungen,
selten schön, doch meistens grell,
denn das stärkt die schwachen Lungen
und dazu das Trommelfell.
Auch gearbeitet wird manchmal,
doch die Arbeit macht Plaisir,
und zu unserem Vergnügen
sind wir schliesslich ja nicht hier.
Und ein Gong ist auch vorhanden,
lass ihn tönen, lass ihn klingen.
Keiner störet sich daran;
denn nur die Ruhe kann es bringen.
Und des anfangs beim Apelle
starb man fast vor Angst u. Not.
Doch bald ward es zur Gewohnheit
u. man - lacht sich lieber tot. –
Ist im Bett man um halb zehne
geht erst recht ein Leben los,
auf allen Gängen tappen Beene
und es spukt im ganzen Schloss.
Doch wir schleichen nur ganz sachte,
dass Klein-Erna uns nicht hört.
Da sie dann Spektakel machte,
ist sie sonst auch nicht verkehrt.
Auch Gendarmen gibt’s im Lager,
sie sind kurz „KÄ“ genannt.
Doch fast alle sind Versager,
das hat jeder längst erkannt.
Klatschen sie auch mal beim Stabe,
schweig nur still, sag‘ keinen Ton
s‘ ist ja das einz’ge, was sie haben
und was kümmert es Dich schon.
Und aus diesem kleinen Liedchen,
Ei, da kann man schon ersehn‘,
Ja, im Arbeitsdienst ist’s lustig,
Ja, im Arbeitsdienst ist’s schön.
E. H.
Kennst Du den Reichsarbeitsdienst,
wo Du so viel Geld verdienst?
Schuftest wie ein Vieh,
Urlaub kriegst Du nie.
Der Tageslauf
6.30
K 3 K4
34 32
33 31
Guten Morgen
Aufstehn
Frühsport
„Und um den geliebten Teich
geht im Laufschritt es sogleich.
70 Mädchen sieht man fleuchen.
70 Lungen hört man keuchen.“
11.30 Mittagessen
Des Gonges trauriges Gewimmer
Bringt allen dann uns Freudenschimmer.
Wir laufen alle um die Wette
an des Schlemmermahles Stätte.
12.00 Antreten zum Aussendienst.
„Frohe Arbeit!“
„Danke gleichfalls!“ brüllt man dann.
„Weggetreten!“
21.30 Gute Nacht sagen.
Doch schon muss man wieder hetzen
Eilig in sein Bettchen wetzen.
Denn der Stab kommt angestampft
Und drückt jeder sanft die Hand.
Eine Gute Nacht wünscht er uns Braven.
Sachte (sehr) löscht er das Licht
Was wir dann tun, statt zu schlafen,
Davon red‘ ich lieber nicht.
Der Gong.
O Gong, du Ausgeburt der Hölle!
Du rufst uns manches liebe Mal
zu Frühstück, Fahne und Apelle.
Selten zur Freude, oft zur Qual.
Rufst du uns mit metallner Stimme,
schreckst uns empor aus unsrer Ruh‘,
so folgen wir, wenngleich im Grimme,
jedoch wir folgen Dir im Nu.
Kaum ist man morgens aus dem Bette
steht man im Trainingsanzug schon,
als gleich, im wüsten Menuette
zum Frühsport rufet dein verhasster Ton.
Zur Fahne dann, nach einer Stunde,
ist wieder es das alte Lied,
das durch des Hauses ganze Runde
bis in die fernsten Winkel zieht.
Doch macht uns dieses keine Sorgen,
gemächlich geht’s die Trepp hinab,
denn: „komm ich heut nicht, komm ich morgen,
der Gong, der bringt uns nicht in Trab.
Doch manchmal lernet man auch laufen,
denn, wenn es was zu essen gibt
rennt eins das andre übern Haufen,
so heiss wird da der Gong geliebt.
So jagst du uns tagein, tagaus
die Stiegen rauf und wieder runter,
durch den Garten, durch das Haus
und machst, selbst müde, wieder munter.
Und gongt es einst zur Abschiedsstunde,
dann reihen wir uns unsere Hände,
und rufen wie aus einem Munde:
„Es lebe unser Gong, bis an sein selig Ende!!!“
Unser heiss geliebter Gong.
Bücher Hut, Kappe,
Schreibzeug, Geld
Toilettengeg.stä. Kostüm
Kleider
Windjacke
weisse Wäsche
15 cm breit
bunte Wäsche
30 cm breit
Spindordnung:
unbedingt zu befolgen.
Feldpost!
Arbeitsmaid
Ilse Schawe
Großneuhausen
Kreis Weimar
RAD 13/60
12.7.42
Einen schönen Sonntagsgruß!
Köln-B[..]
Ilse Schawe
Schawe
I. Schawe,
Ilse Schawe
Feldpostnr. 21324
an
Ilse Schawe
Ilse Schawe
34
Wann war der Friede von Stralsund?
1370
I. S....e.
In Zukunft wird die Diensttracht des weiblichen Reichsarbeitsdienstes so aussehen. In welchem Herzen wird da nicht die Lust wach, noch einmal freiwillig im Arbeitsdienst zu dienen?
Am 31. Oktober wurde ich in den KHD als KF überwiesen.
Die Einsatzstelle war die Deutsche Reichspost!
Erfurt