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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Jugendgruppen

Die 1920er Jahre waren ein Jahrzehnt aufstrebender Jugendgruppen und von deren Organisationen. Ob konfessionell, politisch oder bündisch orientierte Gruppen: sie nahmen erheblich an Größe zu, gewannen deutlich an Selbstvertrauen und traten mit Beginn der 1930er Jahre zunehmend formiert und uniformiert auf. Nach 1933 beanspruchte dann die Hitlerjugend den Alleinvertretungsanspruch für den Jugendbereich, während alle anderen Gruppierungen nach und nach verboten wurden. Das rief schließlich – und besonders im Krieg - die Gruppen unangepasster Jugendlicher auf den Plan.

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Berufsausbildung und Auswanderung: „Man hat sich den Kopf zerbrochen wie man rauskommt.“

Nicht nur die schulische, sondern auch die Berufsausbildung gestaltete sich für jüdische Jugendliche ab 1933 immer schwieriger. [1] Neben den Abgängern der Volksschulen drängten nun auch Schülerinnen und Schüler, die nach dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen" vom 25. April 1933 keine weiterführende Schule besuchen konnten, auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Doch der wachsenden Anzahl an Lehrstellensuchenden stand ein immer kleineres Angebot an Stellen gegenüber. Bis zum Jahr 1936 brachen nahezu sämtliche nichtjüdische Betriebe die Ausbildung jüdischer Lehrlinge ab. Die jüdischen Organisationen und Gemeinden bemühten sich, durch eigene Ausbildungsangebote den Jugendlichen weiterhin eine berufliche Perspektive zu geben, doch die begrenzten Plätze boten nur für einen Bruchteil der jüdischen Jugendlichen in Deutschland eine Perspektive.

Die Vorbereitung auf das Leben im Kibbuz stand vielfach im Mittelpunkt der handwerklichen Ausbildung durch die zionistischen Organisationen. Vor diesem Hintergrund schufen die zionistischen Bünde in enger Zusammenarbeit mit dem „Hechaluz" nach der NS-Machtübernahme ein zweigliedriges Ausbildungs- und Auswanderungssystem: Die „Jugend-Alija" bereitete die älteren Jugendlichen konkret auf die Ausreise nach Palästina vor und arbeitete eng mit den zionistischen Jugendverbänden zusammen. Bis zum Frühjahr 1939 wanderten 4.635 Jungen und Mädchen mit der „Jugend-Alija" nach Palästina aus. Die „Mittleren Hachscharah" diente als theoretische Auswanderungsvorbereitung für 14 bis 16jährige Jugendliche, die aufgrund ihres Alters oder anderer Gründe zunächst noch in Deutschland bleiben mussten und nicht an der „Jugend-Alija" teilnehmen konnten. Doch mit nur etwa 800 Teilnehmern im Jahr 1937 wurde dieses Programm nicht zum gewünschten Erfolg. 

Neben den zahlreichen zionistischen Ausbildungsstätten bestanden auch einige nicht-zionistische Lehrgüter für angehende jüdische Landwirte, Gärtner und Handwerker. Sie waren bereits vor 1933 gegründet worden, um Jugendliche aus armen Familien zu unterstützen, Erstausbildungen oder auch Umschulungen für arbeitslose Jüdinnen und Juden zu organisieren: Die Israelitische Erziehungsanstalt Ahlem bei Hannover, das Gut Groß-Gaglow bei Cottbus oder das Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde. Vor dem Hintergrund der zunehmenden antisemitischen Verfolgung und Ausgrenzung im Laufe der 1930er Jahre trat auch hier die Vorbereitung der Auswanderung in den Mittelpunkt der Tätigkeit.

Auch neue Auswanderlehrgüter entstanden während der 1930er Jahre, die mit wenigen Ausnahmen - wie beispielsweise dem Gut Groß-Breesen - unter zionistischer Leitung standen. Ende September 1938 bestanden insgesamt 94 Lehrstätten, auf denen über 5.500 Jugendliche arbeiteten. Über 30 Ausbildungsstätten mussten bereits wenige Wochen später infolge des Novemberpogroms schließen; weitere wurden in den folgenden Monaten zur Schließung gezwungen. Mitte 1941 erfolgte das offizielle Verbot weiterer Berufsausbildung für Juden.[2]

Die letzten Ausbildungsstätten und Auswanderungslehrgüter entwickelten sich ab Herbst 1941 auf Druck von Polizei und Gestapo zu Zwangsarbeitslager für Jüdinnen und Juden. Die Deportation der Jugendlichen besiegelte schließlich die Schließung der ehemaligen Lehrgüter.

Fußnoten

[1] Zitat in Überschrift: Auszug aus dem Zeitzeugeninterview mit Frank Russell (März 2010), der über die handwerkliche Auswanderungs-Ausbildung auf der Berliner ORT-Schule berichtet.
[2] Vgl. zur Berufs- und Auswanderungsvorbereitung der jüdischen Jugendlichen: Döpp, Jüdische Jugendbewegung, S. 155 ff. und Angress, Generation, S. 28 ff.