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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Didaktik & Schule

Die Schule war bis 1933 neben der Familie der unumstrittene Ort kindlicher und jugendlicher Erziehung und Ausbildung. Mit der NS-Machtübernahme wurde hier allerdings nicht mehr nur unterrichtet, sondern häufig auch massiv ideologisch beeinflusst. Außerdem versuchten die Nationalsozialisten zunehmend verschiedene Formen von Lagererziehung zu etablieren, in deren Rahmen eine Indoktrination und Wehrerziehung noch effektiver möglich war. Im Krieg wurden die so beeinflussten Heranwachsenden dann zunehmend zu Kriegshilfsdiensten der unterschiedlichsten Art herangezogen.

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HJ-Lieder von Hans Baumann

Der bekannteste Lieddichter der HJ war zweifellos Hans Baumann. Während andere Dichter und Komponisten deutliche thematische und stilistische Vorlieben hatten (Werner Altendorf beispielsweise für kämpferische Lieder, Heinrich Spitta für feierliche und Georg Blumensaat für Marschlieder), konnte Baumann Gebrauchsmusik für alle Gelegenheiten komponieren: Morgenlieder, Abendlieder, Marschlieder, Weihnachtslieder, Ostlandlieder, Vaterlandslieder, Soldatenlieder etc. Eingängig in Text und Melodie verbreiteten sie sich in kürzester Zeit in allen HJ-Einheiten. Als „Künder der jungen Generation" wurde er in einem zeitgenössischen Artikel bezeichnet. Sein Schaffen sei aus einer „echt nationalsozialistischen Denk- und Geistesrichtung" heraus erwachsen, die keine Trennung von Politik und Kunst kenne. Seine Lieder „künden von einer echten, von innen geformten Haltung, die begeistert und mitträgt" und aus denen „eine heiße, glühende Liebe für Deutschland" hervorgehe. Sie sprächen das „'Wir' der Gemeinschaft" N, das aufrichte, stärke, Kraft gebe und erbaue.[1]

Baumann, der 1914 in Amberg geboren wurde, hatte seine ersten Lieder bereits im katholischen Schülerbund Neudeutschland geschrieben, wo er von 1926-32 Mitglied war, darunter das berühmt-berüchtigte Es zittern die morschen Knochen:

  • 1. Es zittern die morschen Knochen
    der Welt vor dem roten Krieg.
    Wir haben den Schrecken gebrochen,
    für uns war's ein großer Sieg.
    Wir werden weiter marschieren,
    wenn alles in Scherben fällt.
    Und heute gehört uns Deutschland
    und morgen die ganze Welt.
    Und liegt vom Kampfe in Trümmern
    die ganze Welt zuhauf.
    Das soll uns den Teufel kümmern,
    wir bauen sie wieder auf.
    Wir werden weiter marschieren ...[2]

In der HJ, in die Baumann 1933 eintrat (1934 wurde er in die Reichsjugendführung berufen[3]), machte dieses Lied dann schnell eine beeindruckende Karriere. Bald sangen es nicht nur die HJ-Einheiten, sondern auch SA, Reichsarbeitsdienst und Wehrmacht. Obwohl es ursprünglich nicht imperialistisch gemeint war, sondern aus einem gewissen jugendlichen Übermut entstanden war, wurde es bald in diesem Sinn gesungen. Da nützte es auch nichts, dass Baumann etwa 1936 die Zeile „und heute gehört uns Deutschland" in „und heute da hört uns Deutschland" umänderte.[4] An der Bedeutung, die dem Lied beigemessen wurde, konnte das nichts ändern - es galt nach wie vor als aggressiv, und zwar in einem Maße, dass selbst die Reichsjugendführung das Lied trotz seines hohen Bekanntheitsgrades nicht in Wir Mädel singen und Unser Liederbuch, die beiden offiziellen Liederbücher für BDM und HJ, aufnahm (in anderen HJ-Publikationen war es allerdings nach wie vor zu finden). Nach 1945 waren die „morschen Knochen" dann geradezu ein Synonym für das Singen in der NS-Zeit und wurden bei den Nürnberger Prozessen als Beweismaterial für die kriegerische Haltung Deutschlands und die militaristische Erziehung der HJ herangezogen.

Die übrigen Lieder von Hans Baumann sind deutlich weniger aggressiv und kommen vielfach ausgesprochen munter und fröhlich daher - so fröhlich, dass sie fast überdecken, wie stark ideologisch geprägt sie sind. Das Lied Und die Morgenfrühe beispielsweise ist in der Erinnerung vieler Zeitzeugen als ausgesprochen beliebtes Tageszeitenlied abgespeichert. Dabei zeigt ein genaueres Lesen, dass es darin vor allem um eine Glorifizierung der bäuerlichen Arbeit geht und zwar der Arbeit, wie sie im Landjahr oder bei einem Ernteeinsatz von einer Gruppe junger Leute geleistet wird. Also kein realistisches Bild des harten bäuerlichen Lebens, sondern des ideologisch motivierten Einsatzes von Jugendlichen:

  • 1. Und die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit,
    wenn die Winde um die Berge singen,
    die Sonne macht dann die Täler weit
    und das Leben, das Leben, das wird sie uns bringen.
  • 2. Alle kleinen Sorgen sind nun ausgemacht,
    in die Hütten ist der Schein gedrungen.
    Nun ist gefallen das Tor der Nacht,
    vor der Freude, der Freude, da ist es zersprungen.
  • 3. In der hellen Morgenfrühe sind wir da,
    keiner wird uns je den Weg vertreten,
    die Städte weit und die Felder nah,
    und die Lerchen, die Lerchen, die hören wir beten.
  • 4. Wie ein blanker Acker ist die Erde jetzt.
    Her zu uns, daß wir die Saat beginnen!
    Ein Hunger ist in die Augen gesetzt,
    neue Lande, neue Lande wollen wir uns gewinnen.[5]

Andere Lieder Baumanns benennen wichtige ideologische Schlagwörter aber auch ganz konkret, etwa wenn er die Treue zu „einem Heer und einer Fahne" in Kameraden fragen nicht lange: woher? beschwört.[6] Wenn er in Nun laßt die Fahnen fliegen einem übersteigerten Nationalbewusstsein und einer Todesbereitschaft das Wort redet mit einer Zeile wie „Deutschland, sieh uns, wir weihen dir den Tod als kleinste Tat."[7] Wenn er in Horch auf, Kamerad die Revisionspolitik mit den Worten anmahnt: „Kamerad, wir müssen die Festung sein, denn sie haben uns alles genommen. Kamerad, wir müssen die Kugeln sein, die über die Räuber nun kommen."[8] Oder wenn er dem nationalsozialistischen Mütterkult in Hohe Nacht der klaren Sterne huldigt, das zu dem NS-Weihnachtslied schlechthin wurde:

  • 1. Hohe Nacht der klaren Sterne,
    die wie weite Brücken stehn
    über einer tiefen Ferne
    drüber unsre Herzen gehn.
  • 2. Hohe Nacht mit großen Feuern,
    die auf allen Bergen sind -
    heut muß sich die Erd erneuern
    wie ein junggeboren Kind.
  • 3. Mütter, euch sind alle Feuer,
    alle Sterne aufgestellt,
    Mütter, tief in euren Herzen
    schlägt das Herz der weiten Welt.
Fußnoten

[1]      Vgl. Bertlein, Hermann: Hans Baumann, der Künder der jungen Generation, in: Die deutsche Schulfeier 4, 1939, S. 126-132.
[2]      Baumann, Hans: Unser Trommelbube, Potsdam 1934, S. 14f.
[3]      Vgl. Kelbetz, Ludwig: Hans Baumann als Komponist der Hitlerjugend, in: Zeitschrift für Musik 105, 1938, S. 1101.
[4]      Vgl. Mogge, Winfried: „Und heute gehört uns Deutschland ..." Karriere und Nachwirkungen eines Liedes 1933-1993, in: Kultur und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Eine Festschrift zum 65. Geburtstag von Arno Klönne, hg. von Peter Ulrich Hein und Hartmut Reese, Frankfurt/M. 1996, S. 103.
[5]      Baumann, Hans: Der helle Tag, Potsdam 1938, S. 3.
[6]      Vgl. Baumann, Hans: Unser Trommelbube, Potsdam 1934, S. 18.
[7]      Unser Liederbuch. Lieder der Hitler-Jugend, hg. von der Reichsjugendführung, München 1939, S. 30.
[8]      Baumann, Hans: Unser Trommelbube, Potsdam 1934, S. 16.