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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Jugendgruppen

Die 1920er Jahre waren ein Jahrzehnt aufstrebender Jugendgruppen und von deren Organisationen. Ob konfessionell, politisch oder bündisch orientierte Gruppen: sie nahmen erheblich an Größe zu, gewannen deutlich an Selbstvertrauen und traten mit Beginn der 1930er Jahre zunehmend formiert und uniformiert auf. Nach 1933 beanspruchte dann die Hitlerjugend den Alleinvertretungsanspruch für den Jugendbereich, während alle anderen Gruppierungen nach und nach verboten wurden. Das rief schließlich – und besonders im Krieg - die Gruppen unangepasster Jugendlicher auf den Plan.

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Archivmaterialien
Fahrtenbuch Hans Schreiber (Band 1)
Fahrtenbuch Hans Schreiber (Band 2)
Freischargruppe aus Essen (1928-1933)

Deutsche Freischar

Seit 1924 versuchten einige Bünde und Gruppen durch Zusammenschlüsse dem 1920 eingeleiteten Zerfall der Freideutschen Jugend entgegenzuwirken. Zunächst vereinigten sich zwei Bünde innerhalb des Deutschen Pfadfinderbundes (DPB) - der Bund deutscher Ringpfadfinder und der Bund deutscher Neupfadfinder - 1925 zum Großdeutschen Pfadfinderbund, der dann 1926 maßgeblich an der Gründung des Bund der Wandervögel und Pfadfinder (BdWuP), beteiligt war. Dessen Einzelgruppen waren sämtlich dem völkisch-jungkonservativen Flügel innerhalb der bündischen Jugend zuzurechnen, die sich zugleich aber auch von mystisch-mythischem, religiösem und monarchistischem Denken beeinflusst zeigten. Im April 1927 erfolgte, nachdem unter anderem auch der Bund der Köngener beigetreten war, im Rahmen eines Arbeitslagers des Bundes in Hermannsburg die Umbenennung des BdWuP in „Deutsche Freischar" (DF). Die Deutsche Freischar ging erheblich über den früheren „Wandervogelgeist" hinaus. So traten pfadfinderische Elemente hinzu. Zudem bot die Freischar Sozialdemokraten, Demokraten, Volkskonservativen und anderen, die sämtlich in der Bundesführung vertreten waren, ein gemeinsames Dach. Aber auch Kommunisten und nationalsozialistische „Linke" des Strasser-Flügels sowie Parteigänger des jungkonservativen „Tat"-Kreises fanden sich in ihren Gruppen zusammen und sorgten für einen regen Gedankenaustausch. Dabei gab sich der heterogene Bund zwar bewusst konfessionell ungebunden, allerdings wurden religiöse Prägungen vor allem durch den Einfluss des Köngener Bundes zunehmend spürbar. [1]

Politisch gab sich die Deutsche Freischar weitgehend neutral, wenn auch der Reichsgedanke eine wichtige Rolle spielte. Da gerade ältere Mitglieder immer wieder auch mit politischen Statements an die Öffentlichkeit traten, verlor der Bund aber zunehmend seine ohnehin fragile innere Geschlossenheit. Dennoch blieb es das höchste Erziehungsziel des Bundes, den Menschen zu einer offenen und politisch unabhängigen Weltsicht heranzubilden, „der innerlich frei, aber in dem Bewusstsein des Wertes in einer festen und gegliederten Gemeinschaft ins Leben hinausgeht, auf sachliche Arbeit gestellt ist und allen neuen Heilslehren innerlich kritisch gegenübersteht."[2]

Der Bund war untergliedert in Jungenschaft, Jungmannschaft und die Mannschaft für Erwachsene. Dazu gab es Frauen- und Mädchenkreise, die vor allem aus dem Wandervogelmädchenbund hervorgegangen waren. Die Deutsche Freischar kann wegen ihrer Größe und ihres breiten Mitgliederspektrums als Kernbund der Bündischen Jugend betrachtet werden. Er wies 1929 mit rund 12.000 Angehörigen (darunter etwa 1.500 Mädchen und Frauen) die höchste Mitgliederzahl einer bündischen Gruppierung auf, wobei mit mehr als 4.000 Mitgliedern die Altersstufe der zwischen 14 und 17-Jährigen - die weitaus meisten von ihnen Schüler - am stärksten vertreten war. Die Mannschaft für Erwachsene, in der die berufstätigen Männer aktiv waren, zählte demgegenüber lediglich 500 Köpfe. Die Freischar rekrutierte ihre Mitglieder in erster Linie aus der bürgerlichen Mittelschicht. Geographisch befanden sich Hochburgen des Bundes in der Mark Brandenburg, in Sachsen, in Schlesien, in Thüringen, in der Nordmark und in Österreich mit jeweils mehreren Hundert Mitgliedern. Aber auch im Westen des Deutschen Reiches war sie als Nachfolgeorganisation der Wandervogelbewegung in den meisten größeren Städten mit Gruppen vertreten.

Unter ihrem Bundesführer Ernst Buske, der übertriebenen Nationalismus ablehnte und eher einen Kurs der politischen Mäßigung verfolgte, galt die Freischar als „liberalistisch" - in Weimarer Zeiten durchaus ein Schimpfwort. Als Buske 1930 starb, kam es unter Beibehaltung des Namens zu einer kurzfristigen Vereinigung mit dem Großdeutschen Jugendbund unter der Führung von Admiral Adolf von Trotha, einem der bekannten und sehr rechts stehenden Führer der bündischen Jugend, der 1920 als Offizier am Kapp-Putsch beteiligt gewesen war. Von Trotha versuchte, die nun auf etwa 16.000 Mitglieder angewachsene Freischar fortan im Sinne von Wehrertüchtigung und nach dem Führerprinzip zu leiten, was bereits im Oktober 1930 wieder zur Trennung beider Gruppierungen führte.[3]

Im Frühjahr 1933 schloss sich die Deutsche Freischar mit anderen - ebenso eher traditionellen Bünden und wiederum unter der Leitung Admiral von Trothas - zum Großdeutschen Bund zusammen, auf dessen Entwicklung hier gesondert eingegangen wird. [4]

Fußnoten

[1] Vgl. Laue, Weg, S. 76ff. und Krabbe, Kritische Anhänger, S. 18
[2] Zitiert nach Raabe, Bündische Jugend, S. 68
[3] Vgl. Vgl. Hellfeld, Mythos, S. 76
[4] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Freischar (eingesehen am 27.9.2011) und Raabe, Bündische Jugend, S. 67ff.