Die 1920er Jahre waren ein Jahrzehnt aufstrebender Jugendgruppen und von deren Organisationen. Ob konfessionell, politisch oder bündisch orientierte Gruppen: sie nahmen erheblich an Größe zu, gewannen deutlich an Selbstvertrauen und traten mit Beginn der 1930er Jahre zunehmend formiert und uniformiert auf. Nach 1933 beanspruchte dann die Hitlerjugend den Alleinvertretungsanspruch für den Jugendbereich, während alle anderen Gruppierungen nach und nach verboten wurden. Das rief schließlich – und besonders im Krieg - die Gruppen unangepasster Jugendlicher auf den Plan.
Feiern bildeten einen zentralen Bestandteil bei der Ideologisierung der HJ. Als weihevolle Stunden mit Fahnen, feierlichen Liedern, Sprüchen, Reden und rituellen Handlungen konzipiert, sollten sie dazu dienen, die Jugendlichen emotional an den Nationalsozialismus zu binden. Das Jahr wurde durch verschiedene nationalsozialistische Feiertage gegliedert, die von allen NS-Organisationen begangen wurden, so „Führers Geburtstag" am 20. April oder der „Tag der Arbeit" am 1. Mai. Hinzu kamen Feiern, die nur die HJ durchführte, darunter die Feiern zur Aufnahme ins Jungvolk und in den Jungmädelbund und die Überweisung in HJ und BDM.
Wenn zur Sommersonnenwende große Feuer brannten, wenn beim Reichsparteitag ein Fahnenmeer aufzog, wenn am Totengedenktag Fackelzüge veranstaltet wurden und zu all dem die pathetischen NS-Lieder erklangen, waren das Ereignisse, von denen viele fasziniert waren. Gerade Jugendliche, denen ein Sinn für Romantik und Abenteuerlichkeit eigen war, fühlten sich hier angesprochen.
So bildeten Feiern Eckpunkte in der nationalsozialistischen Jugenderziehung, sie waren eine der wichtigsten Formen, um Jugendliche an den Nationalsozialismus zu binden. Hier konnte die Weltanschauung in z.T. großen Inszenierungen erfahrbar gemacht werden. Mit gleichsam religiösen Ritualen wurden zentrale Begriffe emotional aufgeladen und überhöht. Musik und Lieder, Sprüche und Sprechchöre waren wichtige Instrumentarien, um Worten wie Vaterland, Fahne, Feuer und Kamerad einen geradezu magischen Glanz zu verleihen.
Das Jahr wurde nun durch verschiedene NS-Feiern gegliedert, die z.T. von sämtlichen NS-Organisationen einer Region gemeinsam begangen wurden. Die wichtigsten Termine des „nationalsozialistischen Feierjahres" waren:
Der 30. Januar, 20. April und 9. November waren Feiertage, die an die Geschichte des Nationalsozialismus gebunden waren, der 1. Mai griff einen bereits vorhandenen Termin auf und funktionierte ihn im Sinne der NSDAP als „Arbeiter"-Partei um, und der 21. Juni und 1. Oktober nahmen verbreitete Bräuche auf und interpretierten sie neu.
In der HJ wurde am 20. April nicht allein „Führers Geburtstag" gefeiert, sondern der Termin wurde auch für die Aufnahmefeiern der 10-jährigen ins Jungvolk und zu den Jungmädeln sowie für die Überweisungsfeiern der 14-jährigen in HJ und BDM genutzt. „Die Jugend schenkt sich selbst", sprach Schirach pathetisch bei der offiziellen Aufnahmefeier auf der Marienburg, „während der Führer umjubelt von Millionen die Glückwünsche seines dankbaren Volkes entgegennimmt, stellen sich die Zehnjährigen in allen Teilen des Reiches hinter seine Fahne. Für ihn! Für sein Großdeutsches Reich!"[1]
Neben diese Termine traten mit Ostern und Weihnachten noch zwei christliche Termine, die Anlass für Feiern gaben - allerdings nicht in christlicher Tradition, sondern in säkularisierter Form. Ostern wurde so zu einem „Frühlingsfest", bei dem der Neubeginn des „Lebens draußen in der Natur" und der „ewige Kreislauf des Lebens" gefeiert wurde.[2] Österliche Bräuche wie das Bemalen von Ostereiern, das Backen von Osterhasen oder das Entzünden von Osterfeuern konnte so beibehalten werden, doch ging man nun nicht mehr in die Kirche, sang keine Osterlieder, ließ die Ostereier nicht segnen, backte kein Osterlamm und entzündete keine Osterkerze. Stattdessen traf man sich auf der Festwiese, sang Frühlingslieder, tanzte Volkstänze und veranstaltete „Eierlaufen".[3]
Auch Weihnachten sollte seines christlichen Gehalts beraubt werden und sein angeblich, allerdings völlig spekulativer, germanisch-heidnischer und damit „arteigener" Gehalt freigelegt und wiederbelebt werden. Statt Weihnachten sollte nun die Wintersonnenwende gefeiert werden (im privaten Raum wurde allerdings mehrheitlich an den christlichen Traditionen festgehalten). Anders als bei der Sommersonnenwende wurden diese vorweihnachtlichen Feiern weniger im großen Maßstab in der freien Natur mit einem hohen Feuerstoß inszeniert, sondern spielten sich auch im Rahmen der unteren Einheiten in den HJ-Heimen ab. Man knüpfte bewusst an die traditionelle Gestaltung des Weihnachtsfestes an, schmückte den Raum mit Kerzen und Tannengrün, bastelte Weihnachtsschmuck und sorgte nach Möglichkeit auch für einen Tannenbaum - freilich galt der nun als „immergrüner Lebensbaum, dessen Sinn so alt ist wie unser Blut"[4]. Vielfach wurde nach skandinavischem Vorbild ein Julklapp veranstaltet, und es gab eine stimmungsvolle Feier mit Gebäck, warmen Getränken und dem unvermeidlichen „Hohe Nacht der klaren Sterne" - dem NS-Weihnachtslied schlechthin.