„Meine Eltern haben da nichts mit zu tun gehabt.“ - Nationalsozialismus und Krieg

Die Müllers sind eine sehr religiöse Familie. Der katholische Glaube spielt im Alltags- und Familienleben eine „Riesenrolle, eigentlich die Hauptrolle“. Diese Verankerung im katholischen Milieu bringt es laut Elisabeth Schütte auch mit sich, dass ihre Eltern „nie für Hitler“ sind. Insbesondere ihr Vater steht dem Nationalsozialismus strikt ablehnend gegenüber, was innerhalb des Dorfes zu Konflikten führt. So ist der beste Freund von Paul Müller ein begeisterter NS-Anhänger und bringt es bis zum Kreisbauernführer. „Meine Eltern haben da nichts mit zu tun gehabt, und zwar auch aus Gründen der Religion.“

„Die erste große Angst“ habe sie aufgrund der Reaktionen der Erwachsenen beim Kriegsbeginn am 1. September 1939 empfunden. „Meine Mutter schickte mich zum Kaufmann, einige Kilo Zucker als Vorrat für Notzeiten einzukaufen.“ Die Ernährung stellt dann aber bis zum Kriegsende kein Problem dar, weil mit den Erträgen aus der Landwirtschaft genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. „Lediglich Wünsche, wie die nach Schlittschuhen - bei uns lag im Winter fünf Monate lang Schnee - wurden nicht erfüllt, da es sie einfach nicht gab und Metall für Kriegszwecke gebraucht wurde.“

Vom Krieg bemerken die Müller-Kinder zunächst fast nichts. Ihr Vetter Hans, Sohn eines weiteren, in Berlin wohnenden Bruders des Vaters, kommt für ein Jahr nach Steinsdorf, um den Bombenangriffen auf die Reichshauptstadt zu entgehen. Er ist genauso alt wie Elisabeth und besucht mit ihr gemeinsam die Dorfschule. „Der war eine richtig freche Berliner Göre. Völlig anders als wir zwei Kinder vom Land.“

Die Verbindung zur „großen weiten Welt“ und damit auch zum Kriegsgeschehen stellt wie in vielen Haushalten auch bei den Müllers der Volksempfänger dar. „Da hörte man natürlich alles, manchmal auch sehr unangenehme Dinge.“ So erinnert sich Elisabeth Schütte daran, dass die antisowjetische NS-Propaganda der Kriegsendphase ihre Eltern und damit auch die Kinder stark verängstigt habe: „Was die anstellen mit den Deutschen und insbesondere den Frauen. Das war so schlimm, dass die Eltern sagten: ‚Das kann nicht stimmen. Das kann nicht wahr sein.‘“

 

Aufgrund seines Alters, seines Gesundheitszustandes und weil er als Bauer für die Versorgung wichtig ist, wird Paul Müller nicht zur Wehrmacht eingezogen. Gegen Kriegsende soll er dann aber doch noch zum Volkssturm einberufen werden, wozu es aber offenbar nicht mehr kommt. Allerdings taucht sein Name in den Einberufungslisten auf, weshalb er von den Russen unmittelbar nach ihrer Ankunft in Steinsdorf inhaftiert und fürchterlich „verdroschen“ wird. – Hierzu später mehr.