„Am 17. März nachmittags um 5 Uhr ist der erste Russe bei uns in den Hof reinmarschiert“, hat Elisabeth Schütte das Geschehen noch genau vor Augen. Zu diesem Zeitpunkt halten sich in der Küche ihres Elternhauses rund 20 weitgehend unbekannte Personen auf, nach Angaben ihres Bruders Alfred „meistens Frauen, Kinder und ältere Menschen“. „Der Krieg war damit für uns zu Ende, und es begann die dramatischste Zeit unseres Lebens.“ Die Besetzung fasst Elisabeth Schütte so zusammen: „Auf unserem Hof schossen die Russen als erstes mit ihren Gewehren in die Luft. Als sie ins Haus kamen, leuchteten sie zuerst mit einer Taschenlampe alle Wände ab. Sie suchten nach Hitlerbildern, die bei uns nicht zu finden waren. Meine Eltern waren gute Katholiken und haben das gottlose Hitler-Regime schon aus diesen Gründen abgelehnt. Dann nahmen die Russen unseren Vater mit nach draußen. Unsere Angst war riesengroß, dass sie ihn sofort erschießen würden, wie sie es mit unserem Pfarrer gemacht hatten. Sie nahmen meinem Vater nur die Armbanduhr ab und ließen ihn dann frei.“
Trotz aller Angst stellt dieser Vorfall lediglich den vergleichsweise harmlosen Auftakt der Besatzungszeit dar. „Dann begann der Horror und hielt über Monate an.“ Elisabeth Schütte schreibt: „Nacht für Nacht kamen die Russen in unser Haus und holten sich Frauen und Mädchen, um sie zu vergewaltigen. In ihrer Angst und Not rückten die Frauen eng zusammen. Wir krochen alle zusammen in einen Raum. In unserer großen Küche lagen die Frauen auf der Erde, auf den Bänken, unter den Bänken und unter dem Tisch. Ich lag ganz hinten unter der Bank, wo es am sichersten war. Wir hatten furchtbare Angst um meinen Vater. Er setzte sich auf einen Stuhl von innen vor die Küchentür. Wenn die Russen kamen, mussten sie ihn wegschieben und -drücken, um hereinzukommen. Unsere Befürchtung war, dass sie ihn deswegen erschießen würden. Ich erinnere mich, dass auch ein 17-jähriges Mädchen von den Flüchtlingen bei uns im Kartoffelkeller von den Russen ganz brutal vergewaltigt wurde. Die Frauen und Mädchen machten sich so hässlich wie möglich. Sie zogen alte Kleider an und bedeckten Kopf und Gesicht mit Tüchern. Aber auch das half ihnen nicht. Ich erinnere mich, dass ich später, als die Flüchtlinge wieder weg waren, in gleicher Weise hässlich gemacht nachts im Stroh versteckt in der Scheune schlief. So bin ich gottlob nie vergewaltigt worden, und meine Mutter auch nicht.“