Ernst Loewy an seine Eltern, 17. Dezember 1935

Schniebinchen, den 17. 12. 35

Meine Lieben!

Gestern sind wir gut hier angekommen. Die Fahrt war totlangweilig. Von 3 ¾ bis 7 ½. Alle drei Minuten hat der Zug gehalten. Richtiger Bummelzug. Der schönste Wagen war ein Sommerfeld bis hier. Dieselwagen, sogar gepolstert. Schniebinchen ist größer, als ich gedacht habe, ca. 20 Höfe, eine Ziegelei und eine Wirtschaft. Es ist so, wie ich mir meinetwegen Kleinschüttüber vorstelle. Heute brauchen wir noch nicht zu arbeiten. Ich war gerade eine Stunde spazieren, und habe ich so verfrorene Hände, daß ich kaum schreiben kann. Die Landschaft ist wundervoll. So sehr kalt ist es nicht. Schnee liegt ca. ein Zentimeter. Abends gehen wir um ½ Zehn zu Bett. Morgens stehen wir um ½ sieben auf. Von 8-12 Arbeit. Mittags Iwrith und Kurse. Geld mußten wir alles abgeben. Was wir nicht zur Rückreise brauchten, kommt in eine gemeinsame Kasse, auch Porto. Im großen ganzen ist es, wie man so in einem Tag sagen kann, sehr schön. Gefahren sind wir übrigens über Frankfurt, [..], und nicht Kottbus. Schlafen tun wir in einem großen Saale, in Feldbetten, wie in Haus Berta. Das Gut ist nach meinen Begriffen übrigens sehr groß. Außer uns sind hier auch noch ca. 20 junge Leute auf

Mittleren-Hachscharah (2 Jahre). Gesehen habe ich sie bisher noch nicht. Schlafraum ist sogar geheizt. Elektrisch Licht haben wir, und im Waschraum ist sogar fließendes Wasser. Brausen sogar und auch angewärmtes Wasser. Vieh habe ich noch keins gesehen. Tischlerei ist auch da. Das Kaff liegt wunderschön, viel Wald. Eine Ziegelei ist neben uns, sogar sehr groß. Die Luft ist hier wundervoll. Der Führer ist noch ein ganz junger Kerl, sehr nett, aus Detmold. Kein Sohn von Rab. Rülf, Bamberg. Dieser ist übrigens nicht mehr dort, sondern in Erez. Ich habe mich weder gestern, noch heute morgen gekotzt. Heute morgen habe ich auch etwas gegessen. Das ist so ziemlich alles, was ich Euch heute schreiben kann. Mehr weiß ich wirklich nicht. Schrieb gerade noch Friedrichshagen und schreibe jetzt an Lore.

Also alles Gute. Schreibt bald.

Herzl. Grüße und Küsse
Ernst

Meine Adresse:
Ernst Loewy
Jüd. Jugendhilfe,
Gut Schniebinchen, über Sommerfeld

Viele Grüße Ilse.

Ernst wird Ihnen sicher geschrieben haben, wie schön es hier ist. Es grüsst Sie herzlichst
Ihre Ingelore F.

Hier ist es sehr schön, u. Ernst ist ganz leidlich artig.

So 'ne Frechheit