Die Loewys und die Schönenbergs - Ein Vergleich

So wie hier die Briefe der Familie Loewy digital ediert und um weitere Materialien und Informationen ergänzt sind, ist das an anderer Stelle auch mit den sehr umfangreichen Unterlagen der Kölner Familie Schönenberg geschehen.[1]

Dabei fällt ins Auge, dass die Schönenbergs und die Loewys zahlreiche Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten aufwiesen. Das begann bei den Eltern: Während der Ende 1885 geborene Max Schönenberg und Richard Loewy, der Anfang 1891 das Licht der Welt erblickte, im Alter immerhin gut fünf Jahre auseinanderlagen, trugen Erna Schönenberg und Erna Loewy nicht nur den gleichen Vornamen und teilten mit 1892 auch das Geburtsjahr, sondern waren - anders als ihre Ehemänner - „rheinische Mädchen“ aus Köln bzw. Krefeld, wobei diese Städte auch zu den Wohnsitzen der jeweiligen Familien wurden. Beide waren auch dem Mittelstand zuzuordnen - Max als niedergelassener Arzt, Richard als Vertreter und Mitinhaber jüdischer Firmen. Beide Männer hatten aktiv am Ersten Weltkrieg teilgenommen und zählten zum stark assimilierten, sehr „deutsch“ orientierten Teil der jüdischen Gesellschaft. Beide Familien waren zudem nicht sonderlich religiös und besuchten die Synagoge nur anlässlich der „großen“ Feiertage.

Nachdem beide Elternpaare 1915 und 1918, also noch während des Ersten Weltkriegs, geheiratet hatten, wurden ihnen mit Leopold (15. März 1920) und Ernst (25. April 1920) fast zeitgleich Söhne geboren, die jeweils Einzelkinder blieben. Beide besuchten in Köln bzw. Krefeld zunächst die Jüdische Volksschule, um 1930 jeweils auf ein Realgymnasium zu wechseln, das sie ebenfalls gleichzeitig 1935 wieder verließen, weil der Antisemitismus auch in den Schulen überhandgenommen hatte. Während Leopold danach als Vorbereitung auf seine Auswanderung zunächst eine private Schlosserlehre aufnahm, entschieden sich die Loewys bereits 1935 zur Teilnahme an der „Jugend-Alija“, woraufhin Ernst noch im Herbst einen Vorbereitungskurs in Schniebienchen absolvierte. Hierzu rang sich Leopold erst im Juni 1936 durch, als er vier Wochen im Hachschara-Lager in Rüdnitz zubrachte. Während Ernst Loewy danach zur „Jugend-Alija“ zugelassen wurde, versagte man Leopold offenbar - und aus unbekannten Gründen - die Einreise, woraufhin die Schönenbergs entschieden, ihren Sohn für die in Entstehung begriffene Ludwig Tietz-Schule in Jagur anzumelden. Hier wurde Leopold mit weiteren 59 Jungen aufgenommen und reiste im Februar 1937 nach Palästina, wohin Ernst mit einer 30-köpfigen Gruppe aus Jungen und Mädchen bereits ein knappes Jahr zuvor aufgebrochen war.

Seitdem standen beide Jugendliche mit ihren Eltern in regelmäßigem Briefaustausch. Während die Briefe von Ernst sowie die seiner Eltern und die seines Onkels Errell komplett erhalten sind, gingen jene von Leopold aus Jagur aufgrund der Deportation seiner Eltern leider verloren. Erhalten haben sich aber die oft ausführlichen Antworten seiner Eltern, die darin u.a. auf Religion, Politik, das Leben im Kibuzz oder das Thema „Sexualität“ eingingen. Auch der mehrere Hundert Aufnahmen umfassende Fotonachlass von Leopold, der mit seiner Bar Mitzwa im Juni 1933 beginnt, zu der ihm vermutlich ein eigener Fotoapparat geschenkt wurde, und dann - in wechselnder Intensität - die Zeit in Köln und jene in Palästina abdeckt, konnte gesichert werden. Auch über einige der hier entstandenen Fotos korrespondierten Eltern und Sohn anschließend.

Insofern liegt mit den Editionen von Briefen und Fotografien beider Familien eine außergewöhnlich dichte Überlieferung vor, die interessante und wichtige Einblicke in den Alltag in Krefeld und Köln bzw. in Kirjat Anavim und Jagur ermöglicht.

Fußnoten

[1] Vgl. http://www.jugend1918-1945.de/portal/ARCHIV/thema.aspx?bereich=archiv&root=8872&id=25044 und https://verschwundes-sichtbar.de/begleiter/ausstellung