Ernst Loewy an seine Eltern, 20. Dezember 1935

Schniebinchen, den 20.12.

Meine Lieben!

Ich habe Euer Päckchen erhalten und mich sehr damit gefreut. Es ist allerdings erst heute angekommen, also wohl einen Tag zu spät, ist aber natürlich nicht schlimm und die Karte ist auch mit gleicher Post gekommen. Also besten Dank dafür. Chanukah haben wir sehr nett gefeiert. Samstags und Sonntags brauchen wir natürlich nicht zu arbeiten und Weihnachten und Neujahr auch nicht. Morgens können wir dann so lang im Bett bleiben, wie wir wollen, d. h. um ½ 10 müssen wir zum Frühstück sein, wenn wir was haben wollen. Trotzdem sind wir heute morgen schon um ½ 7 aufgestanden und bis ½ 9 spazieren gegangen, 4 Jungens und Mädels. Ilse Wertheim wird hier übrigens immer aufgezogen, weil sie so dick ist. Sie heißt hier immer die Erbse. Geistige Arbeit machen wir natürlich auch am Schachbrett und Sonntags, d. h. wir lernen Iwrith, wir haben einen

Gestern habe ich übrigens sogar zwei ganze Teller Bratkartoffeln gegessen.

Kursus „zionistische Geschichte”, dann Diskussion, u.s.w. Ruth Weiß aus Wien ist immer noch hier. Sie ist dort Lehrerin. Außerdem haben wir hier noch Besuch, Ilse Finn, das ist diejenige, die so in Berlin die schriftlichen Arbeiten vom Bund erledigt. Ich habe sie gefragt, wie das Durcheinander mit mit gekommen ist, ob das Attest verschlampt gewesen wäre oder was, worauf sie sagte, verschlampt wäre es nicht, aber reden wir nicht mehr drüber, es ist ja jetzt gut. Meine Schreibereien habe ich schon fast alle erledigt. Ich bitte Euch nur die Briefe auf jeden Fall nach Friedrichshafen zu schicken. Ich kann nicht überall so ausführlich hinschreiben, und in Friedrichshafen muß man ja schließlich Bescheid wissen. Wenn es geht fahren wir nach dem Vorbereitungslagaer zusammen nach Krefeld. Dann habe ich noch erfahren, daß wir am 2. Febr. von Triest abfahren. Zum Schluß noch eine Bitte an meinen Pips. Wenn ich lesen soll, was Du schreibst, dann schreibe bitte etwas deutlicher; was Du auf der Karte geschrieben hast, habe ich bis jetzt noch nicht vollständig entziffern können. Ich habe jedenfalls so viel verstanden, daß Lore dagewesen ist. So nun alles Gute. Herzl. Grüße und Küsse Ernst.