Ernst Loewy an seine Eltern, 20. Dezember 1935
Schniebinchen, den 20. 12. 35
Meine Lieben!
Besten Dank für Eure lb. Karte. Mir geht es hier ausgezeichnet. Das Essen schmeckt mir wieder sehr gut. Morgens esse ich immer wenigstens vier Butterbrote. Ihr braucht Euch wegen des Essens keine Sorge mehr zu machen. Das Essen ist hier auch ausgezeichnet. Morgens gibt es Butterbrote und Kaffee, soviel, wie man will. Mittags gab es heute Linsensuppe, gestern Kohl, Kartoffeln und Klops, vorgestern Pellkartoffeln mit Hering und Pückling. Mittags zum Kaffee gibt es wieder Butterbrote und Kaffee oder Kakao und abends gibt es entweder eine Suppe oder Nudeln und Butterbrote. So das über das Essen. Jetzt will ich Euch einmal etwas über die Leute hier erzählen. Unser Führer, der mit uns rüber geht, ist Herbert Rülf, dann noch eine Führerin Erika. Dann ist hier noch eine ständige Leitung von der Jugendhilfe, Martin soundso, die Nachnamen
Heute bekommen wir Besuch von Ruth Weiß aus Wien. Den Namen werdet Ihr vielleicht schon gehört haben.
Habe gerade noch einen Brief von Lore bekommen.
wissen wir nie. Es geht hier ja alles per Du. Er hat früher studiert, ich glaube Ingenieur. Dann ist hier noch ein junger Mann, ich glaube Praktikant oder so was ist sein Titel. Außerdem existiert hier noch eine Köchin, Rena, die Dr. Bluhm kennt. Nun etwas über die Gruppe. 28 Jungens und 14 Mädels. Am meisten vertreten sind hier die Berliner Großschnauzen, 12 Stück, danach kommt schon Krefeld mit 5. Man meint hier übrigens immer, daß wir miteinander verwandt sind. Dann ist hier übrigens noch ein Mädel aus Brandenburg, eine Nichte von der Schauspielerin Trude Berliner. So, nun will ich Euch etwas über die Baulichkeiten schreiben. Wir haben hier einen Jungensschlafsaal, einen Mädelsschlafsaal, eine Küche, ein Bureau, eine Werkstatt, Baderaum und einen Tagesraum, weitere kleinere Zimmer.
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Besonders schön sind die Klosetts. Wir reden aber lieber nicht davon. Jedenfalls sitzt man dort sehr gemütlich und hat dort Zeit große Diskussionen zu führen. Nun etwas über das Wetter. Es ist hier ziemlich kalt und heute schneit es schon den ganzen Tag. Der Schnee liegt schon mindestens 5 Zentimeter. Nachts habe ich den Schlafanzug und den Trainingsanzug an. Ich komme so mit den drei Decken sehr gut aus. Betten sind dort wie in Haus Berta. Im großen ganzen ist der Betrieb auch sehr ähnlich wie in Haus Berta. Nur viel ungezwungener. Ohne Stillstehen usw. Wenn wir morgens, wenn wir aufstehen nicht in derselben Sekunde aufspringen, oder mal zum Waldlauf kommen, wenn der Waldlauf schon gemacht ist, oder mal das Bett nicht ganz so gut machen, so ist das weiter auch nicht schlimm. Übrigens haben wir auch recht viel Freizeit. Gestern im ganzen ca. fünf Stunden. Nun zum Schluß will ich Euch noch über die Hauptsache schreiben, über die Arbeit.
Vieh ist hier keins, und auf dem Feld ist jetzt nichts zu tun. Wir werden für eine Woche immer mit derselben Arbeit beschäftigt. Holzhacken, Schneekehren, Tischlerei und dergl. mehr, die Mädels in der Küche, daß ich Anstreicher bin, habe ich ja schon geschrieben. Wir haben schon ein Zimmer gestrichen, dann haben wir Möbel gebeizt, nächste Woche kalken wir den Waschraum. Samstag und Sonntag ist keine Arbeit. Jetzt werden die Vorbereitungen zu Chanukkah getroffen.
Ich habe ein Mundharmonikaorchester gegründet. Gestern haben wir eine ganze Stunde geprobt, bis wir endlich zu dem Entschluß kamen, daß wir nicht auftreten können, denn wir können außer [..] nur Lieder spielen, die nicht in den Rahmen des Abends passen. So müssen wir uns also mit [..] begnügen. Ingelore wird auch singen.
So, allmählich will ich doch schließen. Schreiben kann ich Euch nicht oft, denn das Porto wird von der Gruppenkasse bezahlt; damit brauche ich also nicht zu sparen. Nun noch eine Bitte. Schickt diesen Brief und den vorigen bitte nach Friedrichshafen mit vielen Grüßen. Ich kann nämlich unmöglich allen so ausführlich schreiben und dort möchte
man schließlich auch genaueres von mir wissen. Also nun viele Grüße und Küsse von Eurem Ernst. An alle recht viele Grüße.