Ernst Loewy an seine Eltern, 30. Dezember 1935
Schniebinchen, den 30.
Meine Lieben!
In Eile ein paar Zeilen. Ich habe Euch nämlich einiges Wichtige mitzuteilen: Ingelore und Anneliese wollen nämlich freiwillig zurücktreten, sie wollen nicht mit hinübergehen. Ingelore sagt, sie könne sich nicht in die Chewrah eingewöhnen und Anneliese ist hier so unbeliebt, daß sie auch garnicht die Hoffnung hat mitzukommen und will auch zurücktreten. Ich bitte Euch nur, vorläufig noch nicht darüber zu reden; ich weiß ja nicht, ob es den Mädels recht ist. Ilse fühlt sich hier auch nicht allzu glücklich; sie hat noch keine Freundin gefunden und gefällt es ihr hier momentan garnicht mehr gut. Sagt ihrer Mutter bitte nichts davon. Ilse will nicht, daß sich ihre Mutter unnötig darüber aufregt. Mir persönlich gefällt es hier sehr gut, und habe ich hier eigentlich noch nie schlechte Laune gehabt. Hoffentlich komme ich nur auch mit. Es werden von hier doch eine ganze Menge
zurückgeschickt werden.
Gestern habe ich noch einiges über Kiijat Anavim gehört. Es liegt 600 m hoch im Gebirge Judäa, 15 km von Jerusalem und 45 km von Tel Aviv. Wir fahren mit dem Schiff nach Jaffa, nicht nach Haifa. Kirjat Anavim ist übrigens kein richtiger Ort, sondern nur eine Kwuzah von 108 Einwohnern. Sie soll eine der reichsten Kwuzoth des Landes sein.
Die Filme habt Ihr wohl unterdes erhalten, und hoffe ich, daß die Bilder gut geworden sind. Schickt sie mir bitte so bald wie möglich hierher.
Nun alles Gute zum neuen Jahr und herzl. Grüße und Küsse
Ernst
Daß wir am 2. Februar fortkommen ist übrigens noch garnicht bestimmt.
Eben erhalte ich Eure Karte. Da Tante Debora also bis ich komme, nicht mehr in Berlin ist, werde ich die Nacht durchfahren. Das Übernachten bei fremden Leuten ist mir jedenfalls zu umständlich.