Ernst Loewy an seine Eltern, 23. März 1936

München, den 23. 3. 36

Meine Lieben!

Eure Karte habe ich schon erhalten und habe mich sehr damit gefreut. Ich komme gerade aus dem Deutschen Museum. So etwas habe ich nie gesehen. Ich war dort von ½ 2 bis um 5 und habe noch nicht das Erdgeschoß ganz durch. Ein Ding von solchen Dimensionen gibt es kaum noch einmal. Einfach phantastisch. Es sind dort nur technische Sachen ausgestellt. Ich habe in der Hauptsache die Abteilungen gesehen für: Dampfmaschinen, Eisenbahnen, Verkehrswesen, Straßenbau, Tunnelbau, Autos u. sonstige Fahrzeuge und Brückenbau. Nur um mir diese wenigen Abteilungen anzusehen, habe ich über zwei Stunden gebraucht. Außerdem war ich noch in der chemischen Abteilung, habe ein paar Wiener Würsteln gegessen und war oben auf dem Turm. Von dort hat man eine prachtvolle Aussicht auf ganz München und sieht in der Ferne das Hochgebirge - überhaupt das erste Mal, daß ich Hochgebirge sehe. Morgen werde ich nochmal ins Museum gehen und mir besonders die Abteilung für Bergbau und Hüttenwesen ansehen. Das Schöne an den Modellen ist, das man sie zum grossen Teil alle selber in Bewegung setzen kann, entweder mit Hilfe einer Kurbel oder elektrisch. Ich war übrigens allein da; und der Eintritt kostet nur 25 Pfg.

Heute morgen war ich mit Onkel Sali und Tante Therese im Geschäft. Dann sind wir in die Stadt gefahren. Ich habe riesig viel gesehen. Wir haben jeder ein paar Weisswürstl gegessen und a Schoppen Bier getrunken. Ich auch - man muss

sich halt aklimatisieren. Dann war ich bei Adolf Sadler. Er war gerade in Hemdsärmeln dabei Kisten zu packen. Ich soll noch mal wieder zu ihm hinkommen, glaube aber nicht, dass die Zeit noch langt. Gerade sagte Tante Therese, daß wir morgen mittag nach Tegernsee fahren. Dann gehe ich morgen früh in die Bavaria und eine Ausstellung, die auch dort ist. Übermorgen gehe ich nochmal ins Deutsche Museum. Und mittags hole ich die Ilse von der Bahn ab. Morgen abend gehe ich in die Oper, in den Bettelstudent.

So, das wären meine Pläne für die allernächste Zukunft. Ich bin ganz zufrieden damit.

Heute morgen bin ich schon um ½ 8 aufgestanden, morgen bade ich und gehe zum Friseur.

Von d. Sadler soll ich an Dich, lieber Pips, viele Grüsse bestellen.

Sonst nichts neues.

Seid alle vielmals geküßt von                                   
Eurem Ernst.

Viele herzl. Gr. & Küsse & vielen Dank für die prachtvolle Bonboniere
Eure Therese.

Herzl. Grüsse und Küsse i. a.
Hans.

Meine Lieben! Wir freuen uns sehr mit dem l. Ernst; es tut uns nur leid, dass wir ihm gar nichts mehr kaufen können, weil er schon alles hat. Auch Geld können wir ihm nicht mitgeben. Wir werden ihm nach Erez aber dafür auf Pass etwas nachschicken. - Tausend Grüsse u. Küsse für Alle
Euer Sali.