Ernst Loewy an seine Eltern, 4. April 1936

Kirjat Anavim, den 4. 4. 36

Meine Lieben!

Endlich bin ich hier angekommen. Alles hat sehr gut geklappt. Von Haifa bis hier sind wir mit dem Omnibus gefahren, und zwar durch ganz Erez, ca. 5 Stunden lang. Unsere Kisten waren auch schon dort. In Haifa sind wir geimpft worden, Pockenimpfung und Typhusspritze. Morgen müssen wir deshalb noch mal nach Jerusalem. Übermorgen fangen wir mit der Arbeit an. Unsere Zimmer sind hier wunderschön. Je vier Betten (sehr gut gefederte Betten mit Matratzen) in der Mitte steht ein Tisch mit zwei Schemeln und einen gemeinsamen Schrank haben wir, wo allerdings fast nichts reinpasst. Vorläufig haben wir fast alle unsere Sachen noch im Koffer. Später bekommen wir noch in einem besonderen Raum Regale, um die Sachen einzustellen. Ich habe natürlich wieder viel zu viel Sachen mitgebracht. Die Hälfte von den meisten Dingen hätte auch genügt.

Die Leute aus der Kwuzah sind so ziemlich alle sehr nett zu uns. Sie verstehen aber sehr schlecht Deutsch.

Landschaftlich ist es hier sehr schön, die Kwuzah liegt herrlich. Sie hat bisher allerdings noch viele Holzhäuser, aber in diesem Jahr sollen noch eine ganze Menge Steinhäuser dazu kommen. Elektrisch Licht ist hier noch nicht, wird aber in den nächsten Wochen hier gelegt. Die Wasserverhältnisse sind hier sehr gut. Radio haben wir auch, ein Klavier und Telephon. Das Essen ist hier sehr gut, genauer über diese einzelnen Dinge werde ich Euch später einmal schreiben. Wir können den ganzen Tag Brot und Tee haben, wann und soviel wir wollen. Aufstehen zur Arbeit müssen wir schon

um 5 Uhr. Gestern und heute sind wir nur spazieren gegangen und haben die wichtigsten Dinge eingeräumt. Schreiben werde ich Euch nicht sehr viel können, wir bekommen von der Kwuzah nicht sehr viel Marken. Ich werde Euch vielleicht abwechselnd jede Woche einen Brief und eine Karte schicken können. Schickt Ihr mir bitte auf jedem Brief zwei Antwortscheine mit. (mehr als 2 sind nicht erlaubt). Wir können das Geld, das uns die Eltern schicken, auf eine Bank tun. Allerdings etwas sollen wir in eine gemeinsame Kasse tun. Vielleicht von 10 M 2 in die Kasse und 8 M auf die Bank. Schickt also bitte, wenn es irgendwie möglich ist, monatlich 10 M.

Nun etwas sehr, sehr Wichtiges. Wir haben einen neuen Führer bekommen. Rülps ist vorläufig abgesetzt worden, weil er nicht Iwrith kann und sich nicht mit der Kwuzah verständigen kann, er geht nach Degania auf Hachscharah, vielleicht bekommen wir ihn später wieder. Unser neuer Führer heißt Josef David, ist auch ein netter Kerl, hat Physik studiert, ist schon 2 ½ Jahre hier und hat schon ein Jahr in der Kwuzah gearbeitet.

Von Schabbath haben wir hier gar nichts gemerkt. Es wird weder gebetet, noch werden Schabbathlichter angezündet oder irgend so etwas. Allerdings will unsere Gruppe diese Sachen nun von sich aus machen, da die Kwuzah es nicht tut.

Morgen fahren wir nach Jerusalem, dort werden unsere Impfsachen noch mal nachgesehen, wenn ich kann besuche ich einmal die Lotte Salomas.

Leider kann ich Euch heute nicht mehr viel schreiben. Es ist schon recht spät und ich muss ins Bett. Genaueres über die einzelnen Sachen werde ich Euch schon noch im Laufe der nächsten Wochen schreiben.

Schickt diesen Brief bitte auf jeden Fall auch an Onkel Saly, ich kann ihm nicht auch schreiben. Herzliche Grüsse und Küsse an die Münchner.

Nun zum Schluß zu Deinem Geburtstag, liebe Mutter, noch alles, alles Gute - laßt es Euch alle recht gut gehen und seid geküßt von Eurem           
Ernst

Hoffentlich ist der Brief zeitig da, ich höre, es käme schon einmal vor, dass es 14 Tage dauere.

Meine Adresse:

Ernst Loewy
Kirjat Anavim
bei Jerusalem
Jug.-Alijah
Palästina