Ernst Loewy an seine Eltern, 19. April 1936

Brief Nr. 6.

Sonntag, den 19.

Meine Lieben!

Gerade erhielt ich Eure Karte vom 11. Sie war also diesmal nur acht Tage unterwegs. Es tut mir so leid, dass Ihr immer noch keine Post von mir erhalten habt. Mit Luftpost geht es schon in vier Tagen - es kostet sogar nicht einmal mehr, darf aber nur 10 gr. wiegen. Ich muss Euch aber doch immer so viel schreiben, dass die Briefe sicher mehr wiegen würden. Wenn ich Euch einmal etwas sehr Wichtiges zu schreiben habe, werde ich natürlich Luftpost nehmen. Unterdes habt Ihr ja hoffentlich alle meine Post bekommen und werdet auch regelmässig alle 8 Tage ungefähr von mir hören. Euer Paketchen, für das ich Euch schon im Voraus danke, habe ich noch nicht erhalten - dafür aber von Lore einen Brief. Auch sie schreibt mir von einem Paketchen, das sie mir schicken will. Denkt jedenfalls auch an ihren Geburtstag am 28.5. schenkt Ihr irgend ein nettes Buch.

Ich habe mich hier schon so gut eingewöhnt, mir ist gar nicht, als ob ich erst vierzehn Tage hier bin. Es ist schon eine Selbstverständlichkeit für mich, um 5 Uhr aufzustehen und dann 2 Stunden Gemüse zu begiessen - ich weiss es kaum noch anders.

Ich denke viel an die vergangenen Wochen zurück. Heute vor 4 wochen bin ich von Euch fortgefahren. Um diese Zeit sass ich im Zug zwischen Wiesbaden und Worms. Und was habe ich nachher alles erlebt! München, Italien, Triest, zuvor die Alpen, Spalato in Jugoslawien, die Mittelmeerreise, Haifa, eine Reise durchs ganze Land, und jetzt bin ich hier an der Stelle, die schon seit Monaten unser Hauptgesprächsstoff war. Jetzt führe ich hier ein Leben auf eine Art, die schon eine Selbstverständlichkeit für mich ist - und bin dabei erst vier Wochen von zu Hause weg - eigentlich alles unglaublich - es kommt mir vor wie ein Traum.

Ich will Euch etwas über die Arbeit schreiben. Wie ich Euch schon schrieb, arbeite ich im allgemeinen im „Gan Jerakoth“, d.h. Gemüsegarten. Es kommt dazwischen auch schon einmal vor, daß ich woanders arbeiten muß, wenn man gerade mal irgendwo mehr Leute braucht. So habe ich schon im Obstgarten und auf dem Weinberg gearbeitet, je einen Tag, und habe heute morgen mitgeholfen, Kuhmist aufzuladen.

Nun über meine eigentliche Arbeit. Wir arbeiten zu fünft, drei Leute von uns und zwei Frauen von der Kwuzah. Bis jetzt hatten wir fast jeden Tag gepflanzt - Tomaten und Kohl. Die Pflanzen müssen vier Tage hintereinander jeden Tag begossen werden. Dann bleiben sie den ganzen Sommer trocken. Ausserdem müssen wir hin und wieder ernten. Rettich, rote Rüben, Zwiebeln, Erbsen und Salat. Das ist so alles, was ich bis jetzt gemacht habe. Wasser brauchen wir nicht weit zu schleppen - wir haben auf dem Felde eine Wasserleitung mit mehreren Anschlüssen.

Augenblicklich ist es wieder sehr heiss aber die Hitze ist doch nicht so unverträglich wie bei uns im Sommer, obwohl es viel heisser ist.

Wie ich eben höre ist Schnibienchen nicht mehr.

Wie geht es Onkel Paul? Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört. Bevor ich fortfuhr ging es ihm doch nicht sehr gut. Hat er sich wieder erholt.

Für heute Schluss. Bald mehr. Küsse Ernst.

20.4.36.

Meine Lieben!

Heute erhielt ich Euer Paketchen. Das war eigentlich ja Unsinn für das viele Geld. Schickt mir bitte keine Schokolade mehr, das lohnt sich ja garnicht, wenn das soviel Zoll und Porto kostet. Von Lotte Salomons erhielt ich eine Karte. Gruss und Kuss,
Ernst