Ernst Loewy an seinen Vater, 23. April 1936

Nr. 7

Kirjat Anavim, am 23.

Lieber Pips!

Gerade erhielt ich Deinen Brief vom 15. aus Geseke. Leider habe ich heute morgen schon einen ausführlichen Brief abgeschickt, und damit Du nicht noch allzu lange auf die Antwort warten brauchst will ich Dir heute noch einmal schreiben. Übrigens für die Antwortscheine, auch für die, die Mutter mir geschickt hat, besten Dank. Deinen Brief nach Triest habe ich, wie ich schon mal schrieb nicht erhalten!

Woher wusstest Du schon, dass Rülps nicht mehr unser Führer ist. Wir erfuhren es erst hier. Über Brindisi sind wir nicht gefahren. Angelegt haben wir nur in Split. Die Reise dauerte 6 Tage. Sie war trotz Seekrankheit prachtvoll. Auch auf mich hat das Land einen großen Eindruck gemacht. Mit ähnlichen Gefühlen muß ein Mensch in seine Heimat zurückkehren, die er seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hat. Ich sah mein eigentliches Vaterland das erste Mal, und noch etwas anderes, etwas großes sah ich das erste Mal. Den jüdischen Arbeiter, durch den das schlechte Land wieder zu einem Land wird, wo Milch und Honig fließt! Manches hat mich allerdings schwer enttäuscht. So z. B. die Einstellung der Kwuzah zur Religion. Ich glaube daran, daß Erez ohne die Thora nicht wieder aufgebaut wird. Du fragst, weshalb ich nichts von Ilse schreibe? Du wirst ja

ihre Briefe sicher auch von ihrer Mutter zu lesen bekommen. Übrigens werde ich überhaupt sehr viel vergessen haben zu schreiben. Ich habe so unendlich viel erlebt, dass es ganz unmöglich ist beim schreiben an alles zu denken. Fragt bitte, was Ihr noch alles wissen wollt.

Frl. Bodenheimer habe ich nicht auftreiben können und an Herrn Kannitzer hatte ich garnicht mehr gedacht. Mit Frau Friedberg habe ich sehr häufig gesprochen. Dass Ihr endlich anfangen wollt Iwrith zu lernen freut mich.

Nun also Schluss. Viele, viele Küsse von Deinem Ernst.

Postkarte

Herrn
Rich. Loewy
Nordwall 117
Germany

Abs. Ernst Loewy, Kirjat Anavim