Ernst Loewy an seine Eltern, 4. Mai 1936

Nr. 9.

K. Anavim, am 4.5.

Meine Lieben!

Heute erhielt ich Euren Brief vom 22. und 25.4. Nr. 8., sowie Deinen Brief, lieber Pips, aus Detmold vom 22.4. Besten Dank dafür. Ihr habt mir diesmal soviel geschrieben, ich habe mich wieder ganz riesig damit gefreut. Aber auch Ihr könnt Euch ja nicht über zu wenig Post meinerseits beklagen.

Eure Antwortscheine habe ich alle erhalten, auch die Pakete von Euch und der Hubertusstr. - das von Lore habe ich nicht erhalten. Das Geld natürlich auch noch nicht - das dauert durch den Transfer ca. 2 Monate. Dass bei Euch so schlechtes Wetter ist, versehe ich garnicht. Hier ist es ziemlich warm - Obst gibt es aber leider noch keines. An das Klima und all die anderen Lebensbedingungen habe ich mich schon recht gut gewöhnt. Ich fühle mich hier sehr wohl und habe - Appetit. Und das ist mir die Hauptsache: ich habe wieder gute Laune. Das Leben gefällt mir gut. Es ist natürlich anders als bei Euch. Aber ich habe mich gut daran gewöhnt - nicht nur an das Leben, auch schon an die Arbeit.

Vor ein paar Tagen habe ich mit einem Jungen aus einem andern Zimmer getauscht. Ich schlafe jetzt mit Walter Stern zusammen und einem Jungen aus Pommern (Heinz Brotzen) und Fredi Baumwollspinner aus Kottbus. Wir kriegen viel Spass und machen viel Blödsinn zusammen. Sind alles sehr nette Jungens.

Mein Hut mit Rand bewährt sich gut. In der Kiste ist nichts kaputt gegangen - auch der Spiegel nicht.

Die Araberaufstände sind wieder vorüber, leider sollen sie recht schlimm gewesen sein. Die Gründe der Aufstände waren natürlich politischer Art. Die Araber verlangten von den Engländern Einwanderungsverbote. Der engl. Kolonialminister gab eine Erklärung ab, worauf die

Araber Angst bekamen. Nun ist wieder alles ruhig geworden. Gemerkt haben wir hier überhaupt nichts. Nur in Jaffa und Umgebung war was los.

Ilse und Kawuso und auch sonst allen andern geht es sehr gut und haben sich schon alle gut eingelebt.

5.5.36

An den Bund werde ich demnächst schreiben. Vorläufig habe ich weder Zeit noch Lust einen so langen Brief zu schreiben, denn wenn ich schon an den Bund schreibe, dann muss ich schon ausführlich schreiben. - Dass Ihr das Blümchen aus dem heiligen Lande an das Bild der lb. Großmutter getan habt, hat mich sehr gerührt. - Euer Bild ist ganz fabelhaft geworden - ich finde, dass auch Du, lb. Mutter, einigermassen gut getroffen bist. Dass Ihr Besuch bekommen habt, freut mich - sie hätten nur eher kommen sollen. Wenn sie noch da sind grüsst sie recht herzlich. Über die Zeilen von Hellmut habe ich mich wirklich riesig gefreut - ein guter Kerl ist er. Grüsst ihn bitte mal von mir. Du schreibst, lieber Vater, von einem Mädel Rosenbaum aus Hamm, das mit uns gefahren sein soll. Auf dem Schiff war wohl eine Ilse Meyberg aus Hamm von der Jugendalijah aus. Ein Charod, aber Rosenbaum kenne ich nicht. Ich glaube, über Leute und Zustände in der Kwuzah habe ich schon vorher genug geschrieben, das wichtigste werdet Ihr wohl schon wissen.

Endlich sind unsere Sachen fertig eingeräumt. Wir haben je ein Fach in unserem Zimmer, eins in dem sog. Machsan (d. ist der bes. Raum für die Sachen, der erst jetzt fertig gestellt ist) dann zu viert ein grosses Fach für die Wintersachen und Sachen fürs nächste Jahr. Pullover und Anzüge sind alle eingemottet in Kisten und werden erst im Winter wieder ausgepackt. Dann haben wir bei uns im Kleiderschrank noch Platz für Anzüge, Mäntel u.s.w.

und im Kleiderschrank noch ein gemeinsames Fach, was wir selbst in vier Teile geteilt haben (für Bücher etc.) Am besten zeichne ich Euch mal den Kleiderschrank vor. 13 sind meine Fächer, in dem grossen Fach hängen Anzüge u.s.w. ausserdem haben je zwei Zimmer noch einen Schrank für die Arbeitskleidung.

An Unterrichtsfächern haben wir: Iwrith (tägl. 2 Stunden), Erdkunde und Jüd. Geschichte jeden 2. Tag je eine Stunde, wöchentlich 1 Stunde Sport und freiwillig 2 x abends je eine Stunde Physik und Chemie, wo ich natürlich auch mitmache. Heute z. B. ist unser Plan so:
5 Uhr aufstehen
½ 6 Uhr Arbeitsanfang
7 Uhr Frühstück
8 Uhr Arbeit
½ 12 Uhr Schluss mit der Arbeit, Waschen.
½ 1-1 Essen
danach Freizeit bis
½ 3 Uhr Iwrith - 4 Uhr
4 Uhr Kaffee
von ½ 5-6 frei
6 Uhr Erdkunde
7 Uhr Abendessen - ½ 8
dann frei, um ½ 9 bis 9 gehn wir zu Bett, spätestens ½ 10.

Nun noch etwas sehr wichtiges, wie unsere Arbeit mit der Kwuzah ist. Im allgemeinen sind wir eine besondere Gruppe für uns - keine Mitglieder der Kwuzah, sondern gewissermaßen eine Kwuzah für uns, eine sogen. „Chewrah“. Nur unsere Arbeit und das Essen ist mit der Kwuzah gemeinsam. In geistiger Hinsicht sind wir vollkommen eine Gruppe für uns, die mit der Kwuzah nichts zu tun hat.

Was ich Euch, lb. Eltern, noch raten möchte, Ihr müßt Euch ein wenig mit den Problemen Palästinas beschäftigen, Euch ein paar zionistische Bücher leihen u.s.w. Ich denke da z. B. an die Schriften

von Herzl, Pinskers „Autoemanzipation“ und sonst noch so viele andere, aber Ihr müsst Euch unbedingt ein wenig mit den palästinensischen Problemen beschäftigen. Ich bitte Euch darum, Euch vom K. K. L., Berlin, Meineckestr. 10, für 25 Pfg. das Heft schicken zu lassen: „Tatsachen und Probleme Palästinas“. Da werdet Ihr alles wichtige, was Ihr (auch in politischen Dingen) wissen müßt, drin finden. Laßt es Euch unbedingt schicken. Über einzelne Dinge werde auch ich Euch demnächst ein wenig „Fernunterricht“ geben. Wenn Ihr von hier so alles wisst, und ich nicht mehr so viel Stoff habe Euch zu schreiben, dann werde ich Euch also Unterricht geben. Auch in Iwrith. Meine Briefe werde ich später überhaupt alle in Iwrith schreiben - ich hoffe, dass Ihr es bis dahin lesen könnt, vorläufig kann ich es leider selbst noch nicht. Für heute nun Schluss!

[chasak we-emaz - schalom u-brachah - le hitraoth be-Erez Israel. Eli Loewy]

Da ich annehme, dass Ihr voriges doch nicht lesen könnt, will ich es doch noch mal übersetzen. Es heißt: Sei stark und fest - Friede und Grüße - auf Wiedersehen in Erez Israel!
Eli Loewy.

6.5.36.

Was sagt Ihr übrigens zu Abessinien? Der Negus soll auf dem Wege nach Haifa sein. Andere sagen sogar, er sei schon in Jerusalem.

Von Lore und Ernst Lamm erhielt ich heute Post.

Viele herzl. Grüße
Ilse