Ernst Loewy an seine Eltern, 17. Mai 1936

Kirjat Anavim, am 17.5.36.

Meine Lieben!

Ich erhielt heute Deine Karte aus Burgsteinfurt vom 6.5. und Euren Brief vom 8.5. Sowohl aus der Karte wie aus dem Brief ersehe ich, daß Ihr Euch Sorgen macht, dass die Post von mir noch nicht da ist. Ihr braucht Euch deshalb wirklich keine Sorgen zu machen. Es kann schon mal vorkommen, dass Ihr nicht genau alle acht Tage Post von mir bekommt. Genau so, wie es einmal schneller gehen kann, kann's auch schonmal länger dauern. Ich kann mich da nicht so genau drauf einrichten, dass ich immer am selben Tag die Post wegschicke. Also, wenn's mal einen Tag länger dauert braucht Ihr Euch immer noch nicht zu sorgen.

Ausserdem scheint Ihr Euch auch wegen der Unruhen hier Sorgen zu machen. Auch das ist völlig unnötig. Ich versichere Euch, dass wir hier von allem nicht das geringste merken. Unsere Arbeit und alles ist wie sonst auch. Wir hören hier sogar von den Unruhen noch viel weniger als Ihr. Wir können ja keine Zeitungen hier lesen, und das Radio verstehen wir auch nicht. Vor ein paar Tagen bekamen wir hier die Rundschau von Ende April. Erst da konnten wir wirklich Ausführliches einmal über die ganze hiesige Lage hören. Zum größten Teil lasen wir Sachen, von denen wir nicht das geringste wussten. Soviel jedenfalls wissen wir, dass die politische Lage recht mies ist. Man nimmt an, dass die Engländer in vielem nachgeben werden, was die Araber fordern. (18. Mai. heute habe ich wieder das Gegenteil gehört)

Heute bekam ich das Geld von Euch und Onkel Sali. Ich hätte nicht gedacht, dass dies so schnell ging. Schickt mir bitte jeden Monat, sowie Ihr's könnt. Dass das Geschäft endlich besser wird freut mich sehr. Spart nur recht tüchtig, damit Ihr mich mal besuchen könnt.

Dass Frau Wertheim nun eine Stelle gefunden hat, freut mich sehr, vor allen Dingen auch, dass sie zu Euch zieht. Ilse und ich werden jetzt von nächster Woche ab unsere Briefe gemeinsam schicken. Dass Lore so häufig zu Euch kommt,

finde ich sehr nett - zeigt es doch, dass sie euch noch nicht vergessen hat.

Für den Flieder danke ich Euch recht schön. Ich habe ihn ins „Chomesch” gelegt.

Kirjat Anavim, am 18.5.

Heute erhielt ich schon Euren Brief vom 11.5. (Nummer fehlt - es ist 13.) Das ging ja sehr schnell. Ich freue mich sehr, dass Ihr meinen Brief erhalten habt und Euch nun keine Sorgen mehr zu machen braucht.

Genau so wie Ihr immer an mich denkt, bin auch ich immer in Gedanken bei Euch und hoffe auch ich, dass Gott uns in nicht allzu langer Zeit wieder zusammenführt.

Mit Eurem Schwiegertöchterchen bin ich wirklich zufrieden - es ist so nett von ihr, dass sie Euch so oft besucht. Über die Sendungen schrieb ich Euch schon vorher.

Schickt mir bitte auch das Negativ wieder zurück. - Ist es nicht möglich, dass Ihr mir mal Zeitungen schickt - gewöhnliche Zeitungen, damit ich mal sehe, was überhaupt in der Welt (und bes. in Krefeld) vorgeht? Ist die Rheinbrücke schon fertig?

Lieber Pips! Du fragst mich, ob ich wieder anfangen will, Briefmarken zu sammeln, ich will's tatsächlich mal versuchen - aber nicht, dass ich mir selbst eine Sammlung anlege - schicke mir doch bitte mal ein paar gute Dubletten. Hier sammeln ein paar Jungens Briefmarken - ich kann dann Marken für Dich eintauschen. Für mich selbst eine neue Sammlung anzulegen finde ich unsinnig - auch habe ich garnicht die rechte Lust dazu.

Liebe Grosseltern! Auch mit Euren Zeilen habe ich mich recht gefreut. Besonders da ich sehe, dass Ihr gesund seid. Und das ist ja schliesslich die Hauptsache. Von mir kann ich auch nur dasselbe berichten.

Auch futtern, singen und springen tu' ich genug. Das letztere nicht nur in der Freizeit, auch schon während der Arbeit. (Auch wenn's Mistaufladen ist, wobei ich einmal mithelfen musste) Lasst es Euch nur weiter recht gut gehen und feiert bald recht schön. Morgen schreibe ich sehr wahrscheinlich weiter. Für heute recht viele Küsse.