Ernst Loewy an seine Eltern, 11. August 1936
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Dienstag, 11.8., Kirjat Anavim
Meine Lieben!
Ich will nun schon einmal anfangen Euch zu schreiben. Seit Anfang der Woche arbeite ich wieder im Gemüsegarten - immer noch Tomatenernte. Wenn diese um ist (in ca. 14 Tagen) ist bei uns für 2 Monate überhaupt keine Arbeit mehr; nach 2 Monaten wird dann Wintergemüse (Rettich, rote Rüben, Zwiebeln u.s.w.) gepflanzt. In den 2 Monaten, wo es nichts zu tun gibt, werde ich irgendetwas anderes machen und dann wahrscheinlich wieder zum Gemüse zurückgehen, weil ich dann dort wieder sehr viel lernen kann. Augenblicklich ist noch viel Arbeit - die Kinder haben Ferien und müssen mit arbeiten (ähnlich wie früher in Dschland in Kartoffelferien). Bei uns arbeiten ausser Zipporah und mir 4 Kinder. - Meine Hose habe ich immer noch nicht bekommen. Der Schofför hat sich an der „Tnuvah” erkundigt; und ich habe eine Frau gefragt, die dort arbeitet, und die auch sagt, dass für mich nichts abgegeben wäre. Ich verstehe das nicht; die Sachen müssten doch schon längst da sein.
Ich will nun über den Kuhstall weiter schreiben. Das letzte mal schrieb ich Euch über die Krankheit und jetzt will ich Euch über den Stall, die Arbeit u.s.w. etwas schreiben. Wie Ihr wisst, haben wir 2 grosse Ställe. Der dritte, der jetzt gebaut wird ist in Wirklichkeit nur ein Erweiterungsbau des zweiten, kranken Stalles, da dort zu wenig Platz ist. Der grosse Stall ist ein gutes festes Steinhaus, das aus drei Teilen besteht: [..], ausserdem gibt es noch ein zweites kleineres Haus: [..]. Vor beiden Ställen ist ein kleiner Platz, der die Weide vertritt - dort sind die Kühe fast den ganzen Sommer hindurch; nur zum Fressen und zum Melken kommen sie in die Ställe - den Winter über bleiben sie natürlich in den Ställen. Gemolken wird dreimal täglich, im grossen Stall zum Teil maschinell. Da es hier keine Weide gibt, bekommen die Tiere natürlich anderes Futter, als in Deutschland. Frisches Grünfütter gibt es hier garnicht (ich meine in K. A. in andern Teilen des Landes wohl, aber nicht im Gebirge). Das Futter ist erstens getrocknetes und gepresstes Heu und zweitens ein pulverförmiges Kraftfutter. Im grossen Stall arbeiten
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acht Leute (darunter Walter Stern), im kranken Stall auch 8 (darunter Manfred Mendel und zwei Mädels von uns. Die Kühe, die wir haben, sind zum grössten Teil holländische schwarz-weisse und ein paar braune Schweizer Kühe, die sich hier aber sämtlich nicht bewähren, da sie alle bald krank geworden sind. Ausser den Ställen haben wir noch eine grosse Menge Nebengebäude: Räume, wo die Kannen aufbewahrt und gewaschen werden, wo die Melkapparate stehen, wo die Maschine für das maschinelle Melken steht u.s.w. Dann haben wir ein grosses Haus, wo das Kraftfutter gemischt und gemahlen wird, die Haspakah und wo die Säcke mit den Rohmaterialien stehen; dann noch grosse Scheunen (drei oder vier Stück). Ein grosser Teil des Futters ist unter dem Dach des grossen Stalles, das andere ist in den Scheunen; zum Teil liegt in riesigen Stapeln offen am Wege. - Ausser den Kühen haben wir noch an die 40 Kälber, ein halbes Dutzend Bullenkälber und drei grosse Bullen, ganz gefährliche Tiere, die ich ihrem Stall nicht besuchen möchte. Vor ein paar Tagen hatte man einen grossen Bullen verkauft in Emek Jesreel - das war eine Aufregung das Biest auf das Auto zu kriegen; ich hätte das Tier nicht fahren mögen. Für heute will ich Schluss machen. Viele Küsse Euer Ernst.
Donnerstag, 13.8.36.
Euren lb. Brief vom 3.8. habe ich heute erhalten und mich wiederum riesig damit gefreut, besonders auch darüber, dass meine Post jetzt schon so früh ankommt, was von Eurer allerdings nicht zu sagen ist. Eure Briefe sind immer 10 Tage unterwegs. Ich habe übrigens kaum geglaubt, dass mein Brief vom 25.7. überhaupt mit Luftpost gefahren ist, da er bestimmt über 12 g. gewogen hat, und 10 g. darf er nur wiegen. - Vater schreibt von einem K.K.L.-Amt, schreibt aber nicht, was für ein Amt es ist. Beim Gottesdienst machen gewöhnlich 2 Mädels mit und 10 Jungen - die andern haben kein Interesse daran. - Trotz Flanell sind die Fusslappen garnicht so warm, wie ich dachte, nicht wärmer als die Strümpfe; sie bewähren sich sehr gut. - Wen heiratet denn
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eigentlich Hilde Meyer? - Gerade sehe ich in dem roten Geburtstagsbüchelchen nach, wann Fritz Rosberg Geburtstag hat und sehe zufällig auch darin, dass Ihr in ein paar Tagen Euren 18. Hochzeitstag und den 20. Verlobungstag feiert. Herzl. Glückwünsche - wenn ich nicht zufällig in das Büchlein gesehen hätte, hätte ich sicher nicht daran gedacht. Bald könnt Ihr (hoffentlich wir) schon die silberne Hochzeit feiern. - Ich will hoffen, dass das Geschäft wieder einigermassen gut ist. Wann kommt Herr Meister nach Köln? - Einen Arzt haben wir keinen hier, nur eine sehr tüchtige Krankenschwester. Sie ist eine der ältesten der Chawerim, schon 16 Jahre hier; sie arbeitet wie alle andern am Morgen und behandelt mittags ihre Kranken. Die Zahnärztin ist schon seit 4 Wochen in Tel-Aviv. Ich nehme an, dass jetzt so alle halbe Jahr mal ein Zahnarzt hierher kommt. Wer was an den Zähnen hat, fährt jetzt natürlich in die Stadt. Wenn einer eine schwere Krankheit hat, muss er selbstverständlich auch in die Stadt fahren. Einen Arzt hierher zu rufen, hatten wir Gtt. sei Dank noch nicht nötig. Dass wir alle in einer Krankenkasse, der „Kupath Cholim“ sind, wisst Ihr wohl - die Kosten bezahlt die Kwuzah. - Über das Essen brauchtest Du Dich augenblicklich bestimmt nicht zu ärgern. Ich wollte, ich hätte manches hier, was ich früher zu Hause bekommen habe. Für ein Brötchen mit Leberwurst und Senf (ich bekomme richtig Hunger, wenn ich daran denke) würde ich hier manches geben, mal erst für Mazzen mit Pökelfleisch und Meerrettich. - Die weisse Hose habe ich leider immer noch nicht erhalten. Was kann ich machen? [..]. - Vor kurzem las ich von Jabotinsky „Die jüdische Legion im Weltkrieg“. Jetzt lese ich von Gustav Freytag „Soll und Haben“, vielmehr habe es schon fast ausgelesen. Mir fällt gerade ein Witz darüber ein, den ich mal im Kladeradatsch von Anno 1850 oder so gelesen habe, der allerdings ziemlich blöde ist: „Ist es wahr, dass die Juden am Samstag nicht schreiben dürfen?” - Antwort des Juden: „Es
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wäre besser, Freytag wäre verboten zu schreiben”. Ziemlicher Quatsch, mir fiel es nur gerade so ein.
Vor ein paar Tagen kam ein junger Mann mit einem Auto hierher, mit dem er von Deutschland bis hier über die Türkei gefahren ist. Schöne Reise, 4 Wochen auf 6000 km mit einem fabelhaften Ford 8 Zyl. Ich möchte es ihm schon nachmachen. - In den Baracken, wo früher die „Noar Zioni” gewohnt hat, wohnt jetzt eine neue Gruppe aus Witkinia und Rechowoth.
Samstag, 15.8.
Gestern erhielt ich Euren Brief vom 7.8., der also nur eine Woche unterwegs war. Ich werde ihn erst in der nächsten Woche beantworten. Herbert Ballhorn ist noch hier, seine Eltern kommen in ca. 14 Tagen. Neues ist von hier nicht zu schreiben, als dass es augenblicklich recht heiss hier ist. - Gestern erhielt ich von Herrn Levy aus Tel-Aviv eine Karte, in der er mich fragt, was er mit den Sachen machen soll. Ich habe ihm gleich geantwortet und ihm geschrieben, dass, falls er nach Jerusalem käme, sie an der „Tnuvah” abgeben möchte, wenn er hierher kommen könnte, sie mir mitbringen möchte, die Sachen sonst als Päckchen per Post hierherschicken möchte. Er schrieb weiter, dass er mich sehr gerne besuchen möchte, aber nicht weiss, ob es augenblicklich wegen der Unruhen möglich ist. - Ich habe mich über die Karte sehr gefreut, da ich jetzt wenigstens weiss, wo die Sachen sind. Nun Schluss.
Seid vielmals geküsst von
Eurem Ernst.