Ernst Loewy an seine Eltern, 24. August 1936

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Kirjat Anavim, den 24.8. (Montag)

Meine Lieben!

Besten Dank für Euren lb. Brief, vom 14.8., den ich gestern erhalten habe. Herbert war gestern in Tel-Aviv und hat mir Hose und Mütze mitgebracht. Ilses Füllhalter bekäme Herr Levy noch mit seinem Gepäck, was er noch nicht dort hätte. Seine Adresse ist nicht, wie Ihr schreibt, sondern bei Dr. S. Grünspahn, Pinskerstr. 13, Tel-Aviv. Vielen Dank für Hose und Mütze, beides sehr schön und passt ausgezeichnet. Herbert bekommt sehr wahrscheinlich die Stelle dort; und zwar wird er zuerst dort lernen in einer Schule, die dem Zoo angeschlossen ist. Von Zoo kann man überhaupt noch nicht reden; er ist noch in den allerersten Anfängen. Vorläufig ist es noch mehr ein Laboratorium für Biologie. Dort arbeitet auch ein Studienfreund von unserm Führer Fritz. Herbert wird dort ganz nett verdienen; am Anfang schon 6 ₤P., wofür man hier schon sehr gut leben kann. Wann er dort hinkommt, weiss er noch nicht, sehr wahrscheinlich in den nächsten Wochen schon.

Nun Euer Brief. Die Lage im Lande ist nicht die beste. Die englische Kommissionwird hierher kommen, wenn die Unruhen zu Ende sind (was noch sehr lange dauern kann). Dann werden Untersuchungen angestellt. Man wird wieder irgend etwas ausdifteln, was man uns in die Schuhe schieben kann (wie es bis jetzt bei diesen Kommissionen immer gewesen ist) und dann wird man zum mindesten die Alijah verringern. Das ist immer das Ende von allen Unruhen bisher gewesen. Der Jischuw hat schon an die Regierung eine Eingabe gerichtet, in der man bittet, auch während der Untersuchungszeit die Alijah nicht zu verkleinern - an einen Erfolg dieser Eingabe glaubt niemand. - Nachdem in der letzten Woche die meisten Morde waren (an die 20), hat der High Commissioner 25 arabische Führer aus dem Konzentrationslager in der Wüste entlassen!!! So ist die Lage im Lande. Allerdings ist auch eine hellere Seite dabei, wenn man sieht, wie trotz aller Kämpfe kein Rückgang in der Arbeit zu verzeichnen ist. Hier, wie auch in den Städten ist das gewöhnliche Leben wie

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es auch sonst immer ist. Gestern war ein Führer des Bundes bei uns, der gerade aus Deutschland kam und der sagte, dass ein unbefangener Beschauer, wenn er von Kriegsschiffen und Militärpatrouillen absehen würde, in Haifa nicht das geringste von Unruhen im Lande merken würde! - Geld: Ich habe 5,489 ₤P. Ich habe bei einer Postanweisung nie eine richtige Kontrolle, da auf ihr weder Datum noch Absender steht, sondern nur Abgangsort. Ich wüsste also auch nicht, wenn das Geld von den Grosseltern wäre. Bis jetzt scheint es immer gut angekommen zu sein - es ist ungefähr 6-8 Wochen unterwegs. - Trauben: Wir haben hier ein paar verschiedene Sorten, hauptsächlich weisse, genau wie bei Euch. Eine besondere Sorte hat ganz grosse Beeren. Die teuersten Trauben, „Muskat Hamburgi”, sind blaue mit Muskatgeschmack. Die Ernte ist bald vorüber, noch eine Woche vielleicht. Die Trauben sind hier meistens sehr billig, das Pfund ungefähr 1 Piaster; augenblicklich sind sie wegen des Araberstreiks natürlich teurer. Stachelbeeren zu schicken hat deshalb keinen Zweck, da sie bei der Fahrt kaputtgehen. Die in den Zeitungen gelegen haben, kamen an, wie gepresste Blumen. Das Moskitonetz gebrauchen wir hier nicht, da es hier gar keine Moskitos gibt. - Dass Ihr „Tatsachen u. Probleme” Palästinas lest ist schön, lest es aber bitte sehr genau, denn was darin steht, ist so das wichtigste, was jeder Zionist von Erez wissen muss. - Dass Euer Reisefonds wächst, ist schön. Ich will nun hoffen, dass Ihr mich bald wirklich besuchen könnt. Will Onkel Richard nicht mal hierherkommen? Er schrieb doch, wie ich noch in Deutschland war, einmal, dass wir (er und ich) uns wohl bald einmal wiedersehen werden. Nun Schluss. Viele Küsse, Euer Ernst.

Gerade kam ein Dr. Wolf aus Jerusalem hierher, der Ilse und mich von Lotte Salomas grüssen soll.