Ernst Loewy an seine Eltern, 8. September 1936
Mittwoch den 8.9.36.
Heute erhielt ich Eure Karte mit Antwortkarte. Die Karte habe ich Euch sofort geschrieben, doch fällt mir jetzt ein, wo ich sie schon abgegeben habe, dass sie wohl schwerlich eher ankommt als dieser Brief, da sie ja nicht mit Luftpost geht. Vielleicht ist sie ein oder zwei Tage eher da. Solche Karten könntet Ihr mir eigentlich öfters schicken - dann kann ich nämlich meinen Verwandten und Bekannten auch mal persönlich schreiben. Euch brauche ich doch nicht mehr als einmal wöchentlich zu schreiben. - Neues ist von hier nicht zu schreiben. Für die Feiertage schmieden wir schon grosse Pläne; vielleicht ist es möglich zu Stadt zu fahren - doch was bestimmtes ist noch garnicht raus, ich kann Euch noch garnichts genaues darüber schreiben. -
Das Buch „Weg zur Kunst” ist grossartig - ich lerne sehr viel daraus. Augenblicklich bin ich bei der Gotik. - Ich möchte Euch nochmals bitten auf Euren Briefen auf der einen Seite den linken, auf der zweiten Seite den rechten Rand 2-3 cm unbeschrieben zu lassen. Wenn ich die Briefe einhefte, kann ich die ersten (bezw. letzten) Buchstaben nie lesen. -
Nachdem ich Euch damals den Kuhstall genau geschildert habe, möchte ich Euch heute über die Pflanzungen etwas schreiben, und zwar zuerst allgemeine Dinge, die für Weinberg, Obst- und Gemüsebau gleich sind. Wenn man den hiesigen Boden mit deutschem vergleicht, so findet man einen grossen Unterschied. Und zwar ist hier nämlich alles mit grossen Steinen bedeckt und riesige Gebiete sind so felsig, dass man sie garnicht bebauen kann. So braucht man innerhalb der Kwuzah kaum 20 cm zu graben, so stösst man schon auf Felsen. Um die kleinsten Löcher (für Zaunpfähle z. B.) zu machen, muss man schon sprengen. Auf dem Felde haben die Steine aber auch eine wichtige Funktion, da sie eben die Sonne hindern den ganzen Boden auszutrocknen. Und das ist riesig wichtig, da hier mit sehr wenig, zum Teil vollständig ohne Wasser gearbeitet wird. Und wenn die Sonne alles austrocknen würde, könnte garnichts mehr wachsen. Dem Boden müssen natürlich auch die Werkzeuge angepasst sein. Mit Spaten ist hier nichts anzufangen. (Nebenbei gesagt gibt es in ganz K. A. keinen einzigen) Hier gräbt man nicht, sondern hackt den Boden mit dem Mader ([..]). Ausserdem gibt es hier riesig viel Unkraut, und auch dieses Unkraut muss dauernd ausgehackt werden, und zwar braucht man dazu
die Turiah. Die Turiah hat ein viereckiges, der Mader ein herzförmiges Blatt, zu dem senkrecht der Stiel steht. Das Hacken besonders von Unkraut, und auch das Hacken um den Boden aufzulockern muss sehr oft geschehen; ebenfalls das Pflügen. Pflüge haben wir eine ganze Menge, in allen Grössen und Arten. Gepflügt wird hier mit einem Maultiert, während man in der Ebene meistens Traktoren hat. Pflügen ist eine besondere Arbeit, die einzelne Leute wochenlang machen müssen, zu ganz bestimmten Jahreszeiten, besonders jetzt nach der Ernte. Wie schon gesagt, wird hier mit möglichst wenig Wasser gearbeitet, und wo Wasser gebraucht wird, sehr damit gespart. Pflanzen, die viel Wasser verlangen, werden vor der Regenzeit gepflanzt, damit sie dann viel Wasser bekommen. Und die Arbeit, die fast dauernd getan werden muss, ist Hacken und nochmals Hacken, langweilig und oft schwer, wegen der vielen Steine. Oftmals muss auch gegen irgendwelche Schädlinge gespritzt und geschwefelt werden. Die Pflanzungen haben einen gemeinsamen Machsan, das heisst, wörtl. übersetzt, Magazin. Hier heisst es soviel wie Geräteschuppen. Das Wort Machsan wird überhaupt sehr viel gebraucht. Z. B. unser Zimmer mit den Wäscheschränken, Küchenvorratskammern, Gewehrmagazin u.s.w. heisst alles Machsan. Für heute Schluss. Über die einzelnen Zweige demnächst noch ausführlicher.
Samstag, den 11.9.36.
Viel Neues habe ich Euch nicht mehr zu berichten. Fritz ist, nachdem er einen Tag hier war, wieder für ein paar Tage fortgefahren, nach Ramath David, wo ein Treffen aller Madrichim des Chewer Hakwuzoth ist. Er hat in Haifa mit Herberts Eltern gesprochen und diese sagten, dass Herbert erst den Bescheid aus Tel-Aviv abwarten soll und dann zu Ihnen nach Haifa kommen soll. - Wegen der Feiertage weiss ich immer noch nichts bestimmtes. Es ist übrigens der einzige Feiertag im Jahr, an dem zwei Tage gefeiert werden. Pessach, Schawuoth u.s.w. wird in Erez immer nur ein Tag gefeiert. Aus der Küche bin ich nun heraus. Wo ich jetzt arbeiten werde, weiss ich noch nicht. Ich will nun schliessen und bin
mit vielen Küssen Euer Ernst.