Ernst Loewy an seine Eltern, 2. Oktober 1936

Freitag, den 2.10.36.

Meine Lieben!

Für Deinen Brief vom 21.9., lb. Mutter, vielen Dank, ich erhielt ihn vorgestern. Der Brief war „zur Devisenüberwachung zollamtlich geöffnet” und der Brief von Helmuth Frank, der darin gewesen sein soll, fehlte. Auch für das Bild vielen Dank. Es ist eine Aufnahme von der entgegengesetzten Seite, wie die Aufnahme, die ich Euch geschickt habe. Der Berg, von dem diese Aufnahme gemacht worden ist, ist auf meinem Bilde links hinten zu sehen. Wie ich sehe, hat sich in den letzten 7 Jahren hier nicht viel geändert. - Für Rückantwortkarten würde ich mich sehr freuen, da ich sie wenigstens selbst verwenden kann. Ich habe heute beim Bau gearbeitet, und zwar oben auf dem Weinberg, wo ein Befestigungshaus für die Wächter gebaut wird, wie wir auf einem der ändern Berge (auf meiner Aufnahme auch zu sehen) auch eines haben, welches schon bei den Unruhen 1929gebaut wurde. Es ist ein stolzes Gefühl, auf der Leiter hoch über den Bergen Judas stehen zu dürfen, um die Betoneimer hochzureichen, und nachher sagen zu können, an diesem Hause habe ich mitgebaut. -

Vorhin sind wir alle geworgen worden. Ich bin ziemlich enttäuscht, nur 102 Pfd. und 100 gr. - ich hatte mehr erwartet. Fritz ist wieder für ein paar Tage in Tel-Aviv und wird [..] - so heisst Herbert auf hebräisch - besuchen; er sagt vielleicht, aber nur vielleicht dürfe ich zu ihm über Schmini-Azereth nach Tel-Aviv fahren. Das ist aber so unwahrscheinlich, dass ich garnicht daran glauben will. -

Den ersten Sukkoth-Tag haben wir wunderschön verlebt. Wir haben eine eigene grossartige Sukkah gebaut. Fast so gross und noch schöner als die in Krefeld, wenn auch weniger geschmückt. Dort haben wir abends Kuchen gegessen und Wein getrunken und am Morgen drinnen gefrühstückt. Der zweite Sukkothtag (heute) wird nicht gefeiert, und zwar aus einem Grunde, über den ich Euch nächstens einmal schreiben werde. Ich glaube, dass ich Euch für diese Woche nun genug geschrieben habe. Heute abend haben wir einen Heine-Abend, wie mir gerade noch einfällt, sonst für diesmal nichts Neues.

Es grüsst u. küsst Euch tausendmal. In Gedanken gut[e Nacht]
Euer Ernst